Aus den Fugen: Andreas Klaue in „Heute weder Hamlet“ Foto: Tobias M/etz/Altes Schauspielhaus

Nach sechs Monaten Corona-Zwangspause wird am Alten Schauspielhaus endlich wieder gespielt: „Heute weder Hamlet“ ist ein großes Solo für den Schauspieler Andreas Klaue.

Stuttgart - In der Kleinen Königstraße Nummer 9 sind seit Freitagabend die Lichter wieder an: Nach sechs Monaten Corona-Zwangspause hat Intendant Axel Preuß die neue Saison eröffnet. „Neustart“ nennt sich der Versuch, den vielen Freunden des Hauses trotz stark eingeschränkter Möglichkeiten wieder einen Spielplan zu bieten. Soll heißen: Bis Januar gibt es hier und auf der Partnerbühne im Marquardt eine Reihe feiner, aber eher kleiner Produktionen zu sehen. Die Abonnements pausieren erst mal weiter; alle Tickets (97 pro Vorstellung) gibt es nur im freien Verkauf. Im neuen Jahr, so die Hoffnung, will man dann – bitte Daumen drücken – zurück in den Normalbetrieb.

Nun aber lastet erst mal die Verantwortung des Saisonstarts auf dem Schauspieler Andreas Klaue, der die erste Produktion auf der großen Bühne des Alten Schauspielhauses siebzig Spielminuten lang als Solist bestreiten muss: „Heute weder Hamlet“ heißt das Ein-Personen-Stück von Rainer Lewandowski, seit seiner Uraufführung vor beinahe einem Vierteljahrhundert schon vielerorts zu sehen. Und der Anfang des Stückes passt ja auch perfekt zu unseren Erfahrungen seit Mitte März: Gerade erst ist das Licht im Saal ausgegangen, da kommt ein Mitarbeiter des Theaters auf die Bühne und teilt mit, die „Hamlet“-Aufführung müsse wegen Erkrankung des Hauptdarstellers leider ausfallen. Das Licht geht also wieder an.

Klatsch, Tratsch, Philosophie und Tragödie

Da die realen Zuschauer im Schauspielhaus den Fake natürlich ahnen und einen echten Hamlet gar nicht erwartet haben, bleiben sie sitzen und lernen so den Bühnenarbeiter Ingo Sassmann kennen, der eigentlich nur aufräumen und fegen will, dann aber die Chance nutzt, mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen. Im Lauf der Jahre ist dieser Abend schon für viele Schauspieler zur Paraderolle geworden. Aber keine Frage: die hier zu meisternde Theateraufgabe ist immens. Denn das Stück will nicht einfach nur lustig sein, sondern auch tiefgründig.

Also erzählt Ingo Sassmann nicht nur ein bisschen Bühnenklatsch aus dem Theaterbetrieb und gibt eine „Hamlet“-Kurzfassung zum Besten. Sondern er bietet auch durchaus philosophische Betrachtungen zum Wesen des Theatervorhangs, für dessen Betrieb er der Hauptverantwortliche ist. Und nach und nach gibt er auch noch sein tragisches privates Schicksal preis. Das sind sehr unterschiedliche Erzählungen in sehr unterschiedlichen Tonarten, und Andreas Klaue gelingen viele der Einzelteile ganz wunderbar. Aber es reiht sich letztlich alles nur aneinander, es fügt sich nicht zusammen.

Viel auf der Bühne, Schauspieler ohne Ziel

Der Regisseur Harald Weiler hat auch das Bühnenbild und die Kostüme entworfen; seine Hauptfigur Ingo Sassmann lässt er in alledem aber seltsam allein. So ist man als Zuschauer am Ende des Abends schwer beeindruckt von der schauspielerischen Kraft des Andreas Klaue. Dafür gibt es von den Zuschauern auch lang anhaltenden, energischen Beifall. Aber man ist eben leider nicht beeindruckt, geschweige denn bewegt vom Schicksal des Ingo Sassmann, denn der blieb nur Gegenstand einer Erzählung. Aber über die Jahre ist es uns mit vielen „Hamlets“ ja nicht viel besser ergangen.

Vorstellungen mittwochs bis sonntags bis zum 11. Oktober