Grundschüler haben es schwerer, weil sie die lateinische Schrift noch nicht können. Foto: dpa/Waltraud Grubitzsch

Knapp dreißig junge Ukrainer besuchen derzeit Schulen in Marbach. Das ist für beide Seiten eine echte Herausforderung.

Ein fremdes Land, eine fremde Sprache, eine andere Schrift – Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine stehen sie hierzulande vor einigen Herausforderungen. Doch auch für die Schulen und die Lehrkräfte in der Region ist die Situation schwierig, zumal auch Corona einiges an Nachholbedarf im Hinblick auf Lernstoff und soziales Verhalten gebracht habe, wie Jochen Schust, kommissarischer Leiter der Tobias-Mayer-Gemeinschaftsschule (TMG), klarstellt.

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Was nicht so funktioniere, wie sich die Regierung das vorgestellt habe, sei die Aufnahme in Regelklassen, sagt Marc Richter, der an der TMG die Koordination übernommen hat. „Wir mussten erst einmal mit erheblichem Einsatz, auch an Wochenenden, eine gewisse Struktur schaffen“, so Richter. Dazu habe man sich mit der benachbarten Anne-Frank-Realschule zusammengeschlossen und zudem ein Netz von Ehrenamtlichen aufgebaut. „Der grundlegende Spracherwerb ist das vorrangige Ziel.“ So habe beispielsweise eine Jugendbegleiterin der Anne-Frank-Realschule, die Ukrainisch könne und sich um die Sprachförderung kümmere, ihren Kurs auch für die Neuankömmlinge geöffnet. Die Ehrenamtlichen dagegen greifen auf Englisch und notfalls auch auf die Hilfe eines Handyübersetzers zurück. Wer sich ebenfalls engagieren möchte, kann sich über die Stadt an Swantje Hammer wenden.

Etwa 15 Ehrenamtliche engagieren sich für eine Sonderklasse

16 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine waren bis vor kurzem an der TMG, acht davon konnten nun an die Grundschule wechseln, wo sie altersmäßig eigentlich hingehören. Erfahrungen gibt es wegen der Kürze der Zeit dort noch nicht. Die übrigen acht besuchen jeden Vormittag eine extra eingerichtete Sonderklasse, wo sich Ehrenamtliche, Referendare oder Lehrkräfte, die gerade etwas Zeit haben, um sie kümmern. Da einige auch online am Unterricht ihrer Heimatschulen teilnehmen könnten, habe man für sie Tablets besorgt, sagt Schust. Diese hätten den Vorteil, dass sie sich auf eine kyrillische „Tastatur“ umschalten ließen.

Am Friedrich-Schiller-Gymnasium besuchen alle eine Regelklasse

Etwas andere Erfahrungen hat man am Friedrich-Schiller-Gymnasium (FSG) mit den aktuell zehn ukrainischen Schülerinnen und Schülern gemacht. Auch hier ist es vorrangig, dass die Kinder und Jugendlichen so schnell wie möglich einen geregelten Alltag bekommen. Doch besuchen sie, anders als ihre Landsleute an der TMG, Regelklassen. Vorbereitungsklassen gibt es am FSG nämlich nicht. Doch das mit den Regelklassen habe sich ganz gut entwickelt. „Viele Fächer erschließen sich ja nicht nur über die Sprache“, sagt Andrea Saffert, die am FSG für die Koordination zuständig ist, sich also um Anfragen und Aufnahmemöglichkeiten kümmert. Wichtig sei vor allem der Kontakt zu Gleichaltrigen. „Da profitieren wir von den Erfahrungen unserer internationalen Klasse, in der auf Englisch unterrichtet wird. Durch den Kontakt zu Gleichaltrigen lernen die Schülerinnen und Schüler auch schnell Deutsch“, erklärt Schulleiter Volker Müller. Es helfe zudem, dass einige aus dem Kollegium eine Ausbildung für Deutsch als Fremdsprache hätten, ergänzt Andrea Saffert. Dennoch suche man auch am FSG noch nach Strukturen, zum Beispiel Anschluss zu Vorbereitungsklassen auf dem Schulcampus. Und direkt nach den Osterferien habe ein zweiwöchiger Intensivkurs für Deutsch begonnen.

Einheimische Schüler haben Patenschaften übernommen

Am FSG hätten sich zudem rund 30 Schülerinnen und Schüler als Paten der Neuankömmlinge gemeldet. Sie hätten sie begrüßt und ihnen gezeigt, wo auf dem Schulgelände was zu finden sei, und stünden auch sonst als Ansprechpartner bereit. Einige der Paten könnten ein wenig ukrainisch oder russisch, und die jungen Ukrainer könnten auch mehr oder weniger gut Englisch. Die Fremdsprache hat für sie noch einen weiteren Vorteil: Das lateinische Alphabet ist ihnen, anders als den Grundschülern, bereits bekannt.

Doch auch das machen die Vertreter beider Schulen deutlich: Man muss immer wieder neu reagieren und nachjustieren. Und es gibt auch Grenzen der Aufnahmefähigkeit, personell wie räumlich. Deshalb sei noch unklar, was passiere, wenn ukrainische Flüchtlinge im ehemaligen Marbacher Krankenhaus untergebracht würden. Ganz zu schweigen davon, dass man auch im Auge behalten müsse, dass die Kinder und Jugendlichen aus ihrem vertrauten Umfeld herausgerissen worden seien. „Die sozialpädagogische Betreuung muss über die Ehrenamtlichen nebenher laufen“, stellt Marc Richter klar. Aber: „Alle Ukrainer, auch die Mütter, sind unfassbar motiviert und engagiert“, betont Jochen Schust.

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