Redaktionsleiterin Karin Götz begrüßt die Teilnehmer am runden Tisch (im Uhrzeigersinn): die Motorradfahrer Martin Könninger, Jörg Laibacher, Matthias Ehmer, den Polizisten Erik von Kahlden, Moderator Oliver von Schaewen, den Anwohner Norbert Kuhnt, den Abgeordneten Thomas Marwein und Bürgermeister Steffen Döttinger.Das Problem seien die Bastler, meint Polizist Erik von Kahlden Foto: Werner Kuhnle

Das Fazit aus einem runden Tisch zum Thema Motorradlärm: Eine Minderheit der Motorradfahrer ist viel zu laut unterwegs. Mehr Kontrollen wären notwendig, doch scheitern sie am fehlenden Personal.

Marbach/Bottwartal - Lärm durch Motorradfahrer – das war im Herbst Thema in unserer Zeitung. Wir berichteten über den Frust von Anwohnern in den Löwensteiner Bergen und im Kirchberger Teilort Neuhof. Zu Unrecht an den Pranger gestellt sahen die drei Biker Jörg Laibacher, Martin Könninger und Matthias Ehmer ihre Zunft. „Es sind nur einzelne, die mit übertriebener Lautstärke fahren“, sagt Laibacher am runden Tisch unserer Zeitung. Könninger sieht am Neuhof gar hauptsächlich 16- bis 18-Jährige mit 125-Kubikmeter-Motor am Werk. Und Ehmer will nicht die Lust am Motorradfahrern verlieren und sich dagegen stemmen, wenn auf Bikern zu Unrecht herumgehackt wird. „Es wird sowieso schon zu viel reguliert“, sagt er. Die meisten Biker verhielten sich vernünftig.

Anlass des runden Tisches waren die Einwände der drei Biker – stellvertretend für die Motorradfahrer, die einfach weiter unbehindert ihrem Hobby nachgehen wollen. Dem steht die Initiative der Grünen-Fraktion im Landtag gegenüber, die vor allem die Nöte der Lärmopfer anerkennt. Kommunen sollen sich am Bündnis gegen Motorradlärm beteiligen, lautet die Forderung. „Der Verkehrslärm ist ein großes Thema und geht sehr auf die Nerven“, sagt Thomas Marwein, der Lärmschutzbeauftragte der Grünen im Landtag. Wie alle anderen Teilnehmer des runden Tisches hält er die Krachschläger und Rowdys für eine lautstarke Minderheit unter den Motorradfahrern. Sie tyrannisierten durch stetes Hin- und Herfahren vor allem an den Wochenenden in landschaftlich reizvollen Gegenden die dort wohnenden Bürger, die sich dagegen nicht wehren könnten. Marwein sieht auch die Hersteller in der Pflicht: Sie ermöglichten ein Röhren, das quasi durch Mark und Bein gehe. Auf keinen Fall dürfe man entsprechende Gesetze mit Grenzwerten praktisch von der Industrie schreiben lassen, die ein Verkaufsinteresse einfließen lasse. „Die Klappenauspuffanlagen müssen verboten werden.“ Er kenne einen hochrangigen Stuttgarter Polizisten, der ihm versichert habe: 50 Prozent der Motorräder seien manipuliert. „Die haben Prüfstellen und wissen, wovon sie reden.“ Mit Lärmdisplays hofft Thomas Marwein bessere Messwerte erzielen zu können: Kommunen könnten die 15 000 Euro teuren Geräte durch einen Zuschuss von 4000 Euro günstiger erwerben.

Offene Türen rennt der Grüne Marwein mit seinem Projekt bei Norbert Kuhnt ein. Der Neuhofer leidet schon lange unter Motorradlärm an der Kreisstraße zwischen Kirchberg und Affalterbach. „Nur mit Gesprächen an der Bushaltestelle erreiche ich etwas – ich mache klar, was das für uns bedeutet“, erzählt er, und er komme oft nur weiter, wenn er mit einer Anzeige drohe. Kuhnt ist sauer, dass der Kirchberger Bürgermeister Frank Hornek nicht am runden Tisch teilnimmt und auch keinen Bürgermeisterstellvertreter entsandt hat. Schließlich schalle der Lärm auch bis zum gegenüberliegenden Rappenberg hinüber. Immer wieder fragt Kuhnt in die Runde, wer denn dafür sorge, dass die Straßenverkehrsordnung eingehalten werde. Diese schreibe vor, dass das stete Hin- und Herfahren auch außerorts zu unterbleiben habe. „Geltendes Recht darf doch nicht einfach von einigen wenigen ausgehebelt werden.“

Mehrmals hin- und herfahren – das würde keiner aus seinem Kundenkreis, sagt der Versicherungsvertreter Jörg Laibacher, der bei seinen Kunden nachgefragt hat. „Lärm gehört in keiner Weise zum Spaß am Motorradfahren“, sagt er und verweist auf den gültigen TÜV-Nachweis nicht manipulierter Tourenmotorräder, von denen eine BMW das am meisten verkaufte sei: „Solche Motorräder sind dann auch auf der Straße zu fahren.“ Offenbar ist einigen Bikern der Sound des Fahrgeräusches doch wichtig, bemerkt Moderator Oliver von Schaewen. Laut einer BUND-Studie seien Dreiviertel der neu zugelassenen Motorräder Chopper und Sportfahrzeuge, die nicht daraus ausgelegt seien, leise zu fahren. Daran sei der Gesetzgeber schuld, ergänzt Martin Könninger, denn der habe den Klappenauspuff erlaubt, sodass hohe Werte möglich seien.

Mehr gegen Motorradlärm unternehmen möchte der Polizist Erik von Kahlden vom Polizeipräsidium Ludwigsburg. „Mit einer BMW für 25 000 Euro haben wir keine Probleme“, sagt er, denn an solch teuren Tourenmaschinen würde nicht mehr groß herumgebastelt. Das Problem seien eben die Bastler. „Sie sind nicht das Gros der Motorradfahrer, aber es sind die, die Hin- und Herfahren, weil sie es dabei hören und ihren Freunden zeigen können.“ Die Polizei versuche, die einzelnen herauszuziehen, doch sei es schwer, den notorischen Lärmrowdys auf die Schliche zu kommen. „Sie behaupten, etwas vergessen zu haben und deshalb mehrfach fahren zu müssen“, sagt er. Für die Polizei bedeute es einen hohen Aufwand, dann eine solche Anzeige bearbeiten zu müssen. Personelle Engpässe seien auch der Grund, weshalb die Kontrollen von Lärmmesswerten bei Bikern zu sporadisch gemacht würden.

Drastischer vorgehen gegen die schwarzen Schafe sollte die Polizei nach Ansicht von Matthias Ehmer. „Wenn das Fahrzeug nach einer Kontrolle die Betriebserlaubnis verliert, kostet das den Halter 200, 300 Euro – dann überlegt er sich, ob er das so noch einmal macht.“ Die Bußgelder gehörten verzehnfacht, ergänzt der Grüne Thomas Marwein. Wegen Krankheit verhindert war der CDU-Landtagsabgeordnete Fabian Gramling. Dessen schriftlich vorgebrachten Vorschlag, die allgemeine Halterhaftung der oft durch den Helm verdeckten Verkehrssünder einzuführen, würde auch Thomas Marwein begrüßen. Dann müsste man Lärmsünder nicht erst auf Fotos mühsam erkennen und ein zusätzliches Nummernschild vorne würde reichen.

Verständnis für die Empörung in Neuhof hat der Affalterbacher Bürgermeister Steffen Döttinger. „Die Kreisstraße hört ja nicht dort auf und führt weiter zu uns“, begründet der Rathauschef seine Teilnahme am runden Tisch. „Ich gönne jedem sein Motorrad, aber man muss nicht zehnmal rauf- und runterfahren“, sagt Döttinger, der die Nöte der Neuhöfer anerkennt. Dem ortsansässigen Sportwagen-Hersteller AMG stellt Döttinger ein gutes Zeugnis aus: „Diese Wagen fallen überhaupt nicht durch laute Motorengeräusche auf.“ Wenn einer laut durch den Ort fahre, sei es ein Motorrad oder ein Porsche. Ganz offenbar habe die Firma AMG ihre Mitarbeiter sensibilisiert, die einsichtig agierten.