Der Zeuge war sich sicher, dass der Angeklagte nicht gefahren war. Foto:  

Ein Kurierdienst-Fahrer hat zwischen Steinheim und Großbottwar ein riskantes Überholmanöver gestartet. Die Auskunft der Firma führte die Polizei jedoch zum falschen Mitarbeiter.

Marbach - Für ein und dieselbe Tat hat ein 36-Jähriger gleich zweimal vor dem Strafgericht in Marbach gestanden und jedes Mal seine Unschuld beteuert. Besonders die fehlenden Sprachkenntnisse wurden dem gebürtigen Iraner zum Verhängnis. Die Staatsanwaltschaft hatte ihn angeklagt, durch ein Überholmanöver fahrlässig den Straßenverkehr und andere Menschen gefährdet zu haben. Für den Gesetzgeber ist das keine Lappalie: Wer falsch überholt und dadurch fahrlässig Leib und Leben anderer Menschen gefährdet, muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe für seine Tat büßen. Zusätzlich wird der Führerschein auf eine bestimmte Zeit eingezogen. Das trifft besonders Menschen empfindlich, die ihren Führerschein für ihre Arbeit zwingend benötigen.

Im vorliegenden Fall waren am Abend des 14. Januars 2020 mehrere Fahrzeuge und ein Motorrad hintereinander auf der Landstraße zwischen Steinheim und Großbottwar unterwegs, als plötzlich ein Auto ausscherte und ausgerechnet an einem unübersichtlichen kurvenreichen Abschnitt zum Überholen ansetzte. Schon da war Gegenverkehr in Sicht und als das Auto gerade ein Fahrzeug der Kolonne überholt hatte, wurde es schon eng. Das merkte auch der Fahrer und setzte sein Auto direkt vor den überholten Wagen, der eine Vollbremsung hinlegen musste.

„Das habe ich schon kommen sehen, dennoch war es brutal knapp, was der Kurierfahrer da gemacht hat“, erklärte der ausgebremste 52-jährige Autofahrer. Sichtlich geschockt hatte der Mann eine Anzeige bei der Polizei erstattet. Auch die anderen Fahrzeuge und das Motorrad konnten gerade noch einen Auffahrunfall vermeiden. „An einer roten Ampel stieg ich aus, ging zu dem Kurierfahrer vor mir und fragte ihn an der heruntergelassenen Scheibe, was das soll“, erzählte der Zeuge. „Entschuldigung, ich hab’s eilig“, erhielt er lapidar zur Antwort.

Die Polizei fragte bei dem Kurierdienst nach und erfuhr dort, dass der Angeklagte immer diesen Citroën fahre. Die Vernehmung des Mannes gestaltete sich jedoch schwierig angesichts der Sprachbarriere. Das wurde noch in den Akten vermerkt, ehe der Führerschein kassiert wurde. Weil der Fall eindeutig erschien, waren zur folgenden Verhandlung am Amtsgericht Marbach keine Zeugen geladen. Doch im Gerichtssaal erklärte der Verteidiger des 36-Jährigen, dass sein Mandant, der erst seit 14 Tagen in dem Unternehmen beschäftigt war, zur Tatzeit nicht gefahren war. Also vertagte sich das Gericht, erstellte eine Lichtbildmappe und legte sie dem Zeugen vor. Der war sich unsicher und wollte den Fahrer daher persönlich sehen.

In der zweiten Verhandlung blieb der Verteidiger bei dieser Erklärung. Dem Angeklagten wurde es gestattet, seine Maske abzunehmen und die Reaktion des Zeugen war zweifelsfrei: „Der Mann war es nicht!“ Warum er sich da so sicher sei, wollte die Staatsanwaltschaft wissen. „Der Fahrer war älter und hatte ein rundlicheres Gesicht“, so der Zeuge entschieden.

Das Gericht sprach den Mann daraufhin frei, die Kosten der Verfahren muss die Staatskasse tragen und der zu Unrecht Angeklagte erhält eine Entschädigung. Für die Ermittlungsbehörde ist der Fall damit aber weiterhin offen: Sie wird nun – unter der Mithilfe des 36-Jährigen – nach dem tatsächlichen Fahrer suchen und diesen zur Rechenschaft ziehen.