Der 35-jährige Angeklagte muss sich vor dem Landgericht Stuttgart verantworten. Foto: Eibner-Pressefoto /Hauenschild / Eibner-Pressefoto

Ein 35-Jähriger muss sich in zwei Fällen von besonders schwerem Raub und Körperverletzung verantworten. Im August 2019 hatte der gebürtige Düsseldorfer auf einer Straße bei Kirchberg eine Baumsperre errichtet und einen Bäckerei-Fahrer überfallen.

Kirchberg - Im Juweliergeschäft hatte seine eigene Mutter einst gearbeitet, in der Bäckerei in Kirchberg an der Murr die Mutter seiner Lebensgefährtin: Ein heute 35 Jahre alter Mann nutzte interne Kenntnisse über die Arbeitsstellen schamlos für seine Überfälle aus und machte dabei zwei unschuldige Menschen zu Opfern. Für diese zwei Fälle von besonders schwerem Raub und Körperverletzung muss sich der gebürtige Düsseldorfer nun vor dem Landgericht Stuttgart verantworten.

Zwei Tage vor seinem 33. Geburtstag überfiel der Mann maskiert und mit einem Messer bewaffnet laut Anklage kurz vor Ladenschluss ein Juweliergeschäft in Sögel im niedersächsischen Emsland. Er zwang den Inhaber, sich auf den Boden zu legen, fesselte ihn mit Kabelbindern und verschloss ihm den Mund mit Klebeband. Daraufhin sammelte er Tabletts mit Schmuck ein und nahm aus der Kasse das Wechselgeld an sich. Anschließend verlangte er den Autoschlüssel des Juweliers und flüchtete in dessen Fahrzeug mit der Beute im Wert von rund 2 800 Euro.

Verteidigung signalisiert Bereitschaft zu Verständigung

Im zweiten Fall nur wenige Monate später ging der Täter ähnlich dreist vor. Am frühen Morgen des 6. August 2019 musste der Fahrer einer Bäckereikette auf dem Weg von Kirchberg anhalten, weil ein Baum quer über der Straße lag. Als er ausstieg, erhielt er einen Schlag auf den Hinterkopf und Pfefferspray ins Gesicht, trug die Staatsanwaltschaft in der Anklage vor. Durch seine heftige Gegenwehr gelang es dem Fahrer, der Fesselung durch Klebeband zu entgehen und dem Täter einen Tritt zu versetzen. Der schaffte es jedoch, aus dem Auto die eingesammelten Tageseinnahmen der Filialen in Höhe von rund 3100 Euro zu rauben und unerkannt zu flüchten.

Kaum war die Anklage verlesen, signalisierte die Verteidigung angesichts der offensichtlich ungünstigen Beweislage für den Mandanten die Bereitschaft zu einer Verständigung. Nach einer Stunde mit Gesprächen zwischen allen Prozessbeteiligten gab der Vorsitzende Richter den Strafrahmen bekannt: Bei einem uneingeschränkten Eingeständnis der Taten bewege sich das Gericht bei der Strafzumessung in einem Korridor zwischen acht Jahren und acht Jahren und sechs Monaten Gefängnis. Das Strafrecht sieht allein für die gefährliche Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren, für schweren Raub mindestens fünf Jahre vor.

Verwirrung um weibliche DNA-Spur am Tatort

Die Polizei war dem heute 35-jährigen kräftigen Mann nicht gleich auf die Spur gekommen. „Der Juwelier war sich ganz sicher gewesen, dass der Täter ein Mann war, wir aber fanden eine eindeutig weibliche DNA-Spur am Tatort und am Schaltknüppel des Fluchtautos“, berichtete ein Polizeibeamter aus Niedersachsen als Zeuge im Gerichtssaal. Erst als eine Kollegin aus Waiblingen bei ihm anrief und nach der Spurensicherung im Kirchberg-Überfall von ihrem Treffer in der Datenbank berichtete, löste sich der Widerspruch schnell auf: Die weibliche DNA-Spur ließ sich der Lebensgefährtin des Angeklagten zuordnen, die aus Niedersachsen stammt und mit dem Angeklagten in Asperg wohnte. Sie wird in einem gesonderten Verfahren der Beihilfe angeklagt. Laut Aussage ihres Freundes hat sie von nichts gewusst, er selbst will ihre Spur versehentlich zu den Tatorten mitgebracht haben, als er seine Handschuhe auszog.

Angeklagter entschuldigt sich bei Opfer

Der Angeklagte machte seine Drogensucht und Geldnot für sein Verhalten verantwortlich. Er entschuldigte sich im Gerichtssaal beim Juwelier, der keine Stimme fand zu antworten. Die Mutter des Angeklagten hatte bei diesem gearbeitet und war dort selbst Opfer eines Überfalls geworden, weshalb sie den Job bald darauf aufgab. Der Juwelier gab nun sein Geschäft ganz auf. Auch der Fahrer der Bäckerei in Kirchberg versuchte nach der Tat noch eine Weile, mit einem Kollegen gemeinsam die Tour zu bewerkstelligen, bevor er aufgab – die psychische Belastung für die Opfer war zu groß geworden. Der Prozess wird am 13. September fortgesetzt.