Am Halt Erdmannhausen hat der Täter von der Frau abgelassen. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Ein 22-Jähriger soll einer jungen Frau in einem leeren S-Bahn-Abteil an die Brüste und an die Vagina gegriffen haben. Das Opfer sagte am Mittwoch unter Tränen vor dem Landgericht Heilbronn aus.

Heilbronn/Erdmannhausen - Der Prozess am Landgericht Heilbronn gegen einen 22-jährigen Hauptangeklagten, dem insgesamt drei Strafbestände vorgeworfen werden, sowie zwei weiteren Angeklagten im Alter von 30 und 35 Jahren, die bei einem dieser Vorfälle mit dabei gewesen sein sollen, ist am Mittwoch in die nächste Runde gegangen. Nachdem es an den ersten drei Verhandlungstagen vor allem um Streitigkeiten in zwei Asylunterkünften ging, stand am Mittwoch, dem vierten Verhandlungstag, nun der Vorwurf von sexueller Belästigung in der S4 zwischen Marbach und Erdmannhausen im Mittelpunkt. Dem Hauptangeklagten wird hierbei zur Last gelegt, am 13. Mai diesen Jahres sexuelle Handlungen an einer Frau gegen deren Willen vorgenommen zu haben.

Bevor die Geschädigte selbst von den Geschehnissen berichtete, saß die 51-jährige Polizeihauptmeisterin aus Marbach im Zeugenstand, die an besagtem Tag Streifendienst hatte und als Erste am Bahnhof in Erdmannhausen war. „Der Einsatz kam um 12.14 Uhr rein. Ich habe dann zwei Damen an der Haltestelle angetroffen, eine davon stand ganz verstört rum. Sie hat ziemlich gezittert und leicht geweint und konnte immer nur Bruchstücke sagen. Sie stand sichtlich unter Schock“, erinnerte sie sich und stellte immer wieder klar: „Ich bin jetzt seit 17 Jahren im Streifendienst, und für mich hat sich nie die Frage gestellt, ob sie lügt. Sie war sehr glaubwürdig für mich.“ Dies unterstrich auch die 26-jährige Polizeikommissarin, die am 13. Mai die Vernehmung übernommen hatte. „Sie musste sich während unseres Gesprächs immer wieder sammeln, und man hat gemerkt, dass sie gerade erst realisiert, was passiert ist“, erzählte sie den Anwesenden.

Um Fassung rang im Anschluss immer wieder die Geschädigte selbst, Tränen liefen ihr übers Gesicht, und sie musste mehrfach abbrechen, als sie den Tag schilderte. Im Gerichtssaal selbst war es während der Ausführungen der 24-jährigen Erdmannhäuserin mucksmäuschenstill.

„Ich bin an dem Tag von einem Krankengymnastik-Termin in Stuttgart zurückgefahren. Bis Marbach war alles normal, dann hat sich der Waggon geleert“, sagte sie. „Er ist dann irgendwann zu mir hergekommen und hat ein Gespräch angefangen“, so die Erdmannhäuserin. Dies habe sie abgeblockt. Er ging und „schien verstanden zu haben, dass ich meine Ruhe will. Da wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass er noch einmal zurückkommt.“ Doch auf einmal sei er wieder da gewesen. „Dann hat er sich auf mich gebeugt und mich nach hinten in den Sitz gedrückt. Ich kam da nicht mehr weg, denn er hat meine Hände festgehalten“, berichtete sie. In der Folge habe er ihren Oberkörper, ihre Brüste und schließlich auch ihren Intimbereich berührt. Gewaltvoll. „Ich hatte ab dem ersten Moment Schmerzen“, erklärte sie unter Tränen. Versucht zu wehren habe sie sich – „er war aber stärker als ich.“ Auch nach Hilfe habe sie geschrien. „Ich wusste eigentlich, dass der Waggon leer ist, aber ich hatte gehofft“, erklärte sie weiter. Als dann die Durchsage des nächsten Halts kam, habe er dann auf einmal abrupt von ihr abgelassen. „Ich war im ersten Moment wie gelähmt, habe dann aber wie in Trance meine Sachen gepackt und bin zur Tür. Draußen habe ich eine Passantin getroffen, die mit mir die Polizei gerufen hat“, so die 24-Jährige.

Durch diesen Vorfall habe sie ihre komplette Leichtigkeit und Lebensfreude verloren. „Da ist immer eine gewisse Grundanspannung, Nervosität und eine Grund-Angst da. Ich habe seitdem große Probleme damit, mich außerhalb von meinem Haus oder der gewohnten Umgebung zu bewegen“, sagte sie und fügte an: „Die S-Bahn war immer ein relativ sicherer Ort für mich. Jetzt fühle ich mich nirgends mehr wirklich sicher.“

Als der Richter die Erdmannhäuserin im Anschluss an deren Aussage bat, sich im Saal nach dem Täter umzuschauen, hatte diese sichtlich mit sich und ihren Emotionen zu kämpfen. Eine Unterbrechung musste her, nachdem sie den 22-jährigen Angeklagten eindeutig identifiziert hatte. Dieser erklärte am Ende der Vernehmung der Zeugin in ihre Richtung gewannt: „Ich fühle mit der Frau. Als ich gesehen habe, wie sie weint, hat mich das berührt. Aber ich habe sie noch nie gesehen. Ich weiß nicht, ob ich das getan habe. Ich frage mich das immer wieder.“

Dass man am Morgen gemeinsam die Video-Aufnahmen aus der S-Bahn angeschaut hatte, schien ihn dabei nicht zu beeindrucken. Vielmehr ließ er danach sogar verlauten, er habe sich darauf nicht erkannt. „Das Video war dunkel und ich hatte keine Brille auf“, meinte er. Das erzürnte den vorsitzenden Richter jedoch ziemlich. „Sie haben die auffällige Kleidung ja auch gesehen. Und ich halte das, was sie jetzt sagen, für eine Lüge, die sie am Ende ordentlich teuer zu stehen kommt. Denken Sie heute noch einmal scharf nach, und morgen können Sie sich mit Ihrer Brille noch einmal vor die Leinwand stellen“, ermahnte er den Angeklagten.

Die Beweisaufnahme ist nun abgeschlossen. Der Prozess soll nun an diesem Donnerstag mit den Plädoyers weitergehen – es soll auch ein Urteil fallen.