Pleidelsheim
Regional erzeugte Energie darf nun direkt vermarktet werden. Das Wasserkraftwerk hat dafür einen Tarif. Foto: Archiv (Süwag)

Regional erzeugte Energie darf nun direkt vermarktet werden. Das Wasserkraftwerk hat dafür einen Tarif.

Pleidelsheim - Auf dem Wochenmarkt ist „regional“ mittlerweile genauso wichtig wie „bio“. Warum auch nicht beim Strom? Bislang war in Deutschland erzeugter Ökostrom vom „Doppelvermarktungsverbot“ betroffen: Weil der Strom aus umweltfreundlichen Solar-, Windkraft- und Biogasanlagen schon nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vergütet wurde, durfte er nicht als „Ökostrom“ verkauft werden. Daher boten als solche beworbene Ökostromtarife bisher nur im Ausland umweltfreundlich produzierten Strom oder aus Anlagen, die nicht nach EEG gefördert wurden. „Mit der Wahl eines Ökostromtarifs trägt man in Deutschland nur wenig zur Energiewende bei“, kommt die Verbraucherzentrale zu einem relativ vernichtenden Schluss.

Obwohl der Anteil erneuerbarer Energien im Sonnenjahr 2018 auf über 40 Prozent gestiegen ist, liegt der Marktanteil von Ökostromtarifen laut Umweltbundesamt noch unter 20 Prozent. Anders ausgedrückt: Auch wer keinen bestimmten Tarif gewählt, bezieht jetzt schon einen gewissen Anteil an Ökostrom. Zu erkennen ist der EEG-Anteil beim „Strommix“ im Kleingedruckten des Tarifs oder auf der Rechnung des Stromanbieters.

Seit kurzem ist die Vermarktung von regional erzeugtem Grünstrom im Gensatz zur bisherigen Praxis sogar ausdrücklich erwünscht. Eine Kehrtwende in der Energiewende sozusagen. Die „Herkunftsnachweise“ funktionieren dabei wie eine Fahrkarte in der S-Bahn: Für jede umweltfreundlich hergestellte Megawattstunde gibt es ein Zertifikat, das beim Verkauf des Stroms wieder entwertet wird. Ähnlich wie der Stempel auf dem Ei kann der Verbraucher so sicher sein, nur Strom zu kaufen, der vom Anbieter auch selbst „hergestellt“ wurde. Das Ziel ist, den Strom da zu verbrauchen, wo er produziert wird, um die Netze zu entlasten. Optimal ist eine Fotovoltaikanlage auf dem eigenen Dach, aus der überschüssiger Strom gespeichert wird, damit nachts die Waschmaschine läuft und das E-Auto in der Garage lädt.

Auch für größere Anlagen wie etwa das Ingersheimer Windrad oder das Wasserkraftwerk in Pleidelsheim, das schon seit über 100 Jahren emissionsfrei Strom produziert, bietet sich die neue Regelung an. „Energie aus der Nachbarschaft“, heißt das neue Konzept, das der Energieversorger Süwag jetzt bewirbt. Mit den jährlich produzierten rund 25,5 Millionen Kilowattstunden können rund 10 000 Haushalte in der näheren Umgebung künftig mit dem Ökostrom versorgt werden. Der Pleidelsheimer Bürgermeister Ralf Trettner begrüßt „diesen Impuls sehr, denn das ist der Weg der Zukunft, über viele dezentrale Kraftwerke den Strom vor Ort zu produzieren. Dabei sind das Wasserkraftwerk Pleidelsheim genauso wie das Windrad in Ingersheim tolle Beispiele.“

Mit einem Regionalnachweis zertifizierte Ökostromtarife sind aber noch die Ausnahme. Die EnBW als zweiter großer Anbieter in der Region bietet im Tarif „Natur Max“ Ökostrom überwiegend aus regionaler Wasserkraft an. Im Bereich des schiffbaren Neckars zwischen Deizisau und Mannheim betreibt die EnBW Wasserkraftwerke zum Beispiel in Stuttgart-Hofen, Ludwigsburg-Poppenweiler, Marbach, Hessigheim, Besigheim und Laufen.

In dem für die regionale Grünstromkennung relevanten Radius von 50 Kilometern liegt außerdem der EnBW-Windpark Goldboden in Winterbach mit drei Windenergie-Anlagen, so EnBW-Sprecher Jörg Busse auf Anfrage dieser Zeitung. Die spezielle Regional-Zertifizierung habe man aber noch nicht angestrebt. „Wie der wirtschaftliche Erfolg eines solch regional begrenzten Angebots ist, wird sich zeigen müssen“, begründet Busse.

Mehr Sinn mache ein solches Label aus seiner Sicht eher für die Stadtwerken vor Ort, die zum Beispiel den „Favoritstrom“ in Ludwigsburg oder den „Enzstrom“ aus Wasserkraft in Bietigheim-Bissingen anbieten.