Dass der Weißstorch im Wiesental unter Graureihern (rechts) bereits zum zweiten Mal im selben Baum seinen Horst baut, ist außergewöhnlich. Foto: Claus König (links), Bernd Kunrath

Weißstörche sind ins Pleidelsheimer Wiesental an denselben Nistplatz wie im Vorjahr zurückgekehrt, mitten unter Graureihern. Das ist etwas ganz Besonderes für Süddeutschland.

Pleidelsheim - Bernd Kunrath und seine Frau Karin sind vor knapp einem Jahr in die Nähe des Pleidelsheimer Naturschutzgebietes Wiesental gezogen und haben ihre Nachbarschaft schnell schätzen gelernt. Beim Spazierengehen entspannt sich der Computerexperte, als Hobbyfotograf ist der große Artenreichtum des Natur-Refugiums für ihn ein besonderer Schatz.

„Das Beobachten der Tiere macht mir und meiner Frau große Freude“, berichtet Kunrath. „Manchmal täglich, auf jeden Fall aber dreimal in der Woche“ bricht das Ehepaar zusammen dorthin auf. Doch der zurückliegende Freitag und Samstag hat sich den beiden ganz besonders eingeprägt. „Das Tolle war, wie viel Aktivität von einem Tag auf den anderen plötzlich herrschte“, erzählt der Pleidelsheimer. Die „etwa 20 Graureiher“ haben es dem Ehepaar angetan, die sich plötzlich bemerkbar machten, aktiv seien, sich bereits um ihre Nester stritten. „Für mich war das ganz neu, das habe ich noch nie gesehen“, berichtet Bernd Kunrath. Dazu spazierte auch noch ein Storch über die Wiese und den Kunraths direkt vor die Linse ihrer Kamera.

Claus König, Naturschutzwart des Landkreises Ludwigsburg, war am Sonntag wie die Kunraths im Wiesental unterwegs und hat selbst fotografiert. Um ein Weißstorchenpaar handle es sich, weiß er, das sich bereits im Vorjahr inmitten der Graureiherkolonie im Wiesental seinen Nistplatz gesichert und gebrütet hat.

Die Graureiher haben da nichts zu melden: „Der Weißstorch ist dominierend, die Reiher wagen sich nicht an ihn heran“, so König. Nur eine Ungewissheit gibt es bezüglich der Liebesgeschichte der Störche: „Ich bin mir beim Männchen nicht sicher, ob es sich um dasselbe handelt wie im Vorjahr.“ Es sei jedoch stark anzunehmen. Nun baut sich das Pärchen dort erneut seinen Horst. Es sei etwas ganz Besonderes in Süddeutschland, wenn sich die Störche zum Brüten nicht auf Dächern oder Häusern einfinden. „Baumbruten werden ansonsten nur in Süd- und Osteuropa wie auch in Norddeutschland, etwa in Mecklenburg-Vorpommern, beobachtet“, erklärt der habilitierte Zoologe und Ornithologe.

Auch in puncto Treue ist das Pleidelsheimer Pärchen etwas Besonderes: „Bei Weißstörchen bleiben nur sehr wenige Paare mehrere Brutperioden zusammen“, so König. Hierbei handle sich um Störche, die vermutlich aus menschlicher Obhut stammten, etwa aus den Populationen aus dem Blühenden Barock in Ludwigsburg oder Tripsdrill. „Sie scheinen keinen Zugtrieb zu haben und sind deshalb jetzt schon da“, so König. Störche, die in Afrika überwinterten, kämen frühestens im März in hiesige Gefilde. Auf Initiative des heute 84-jährigen ist im Wiesental überhaupt erst das heutige Naturschutzgebiet entstanden, ebenso wie das angrenzende Naturschutzgebiet Altneckar, die eine gemeinsame ökologische Einheit bilden zwischen Freiberg, Ingersheim und Pleidelsheim. Anfang der 1960er-Jahre hat König sich für das Naturschutzgebiet stark gemacht.

Damals war der heutige Ehrenpräsident des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) der Leiter der Vogelschutzwarte Baden-Württemberg. Schnelles Handeln sei erforderlich gewesen, weil die ursprüngliche Kiesgrube mit Bauschutt aufgefüllt werden sollte, um landwirtschaftlich genutzt zu werden. Gemeinsam bilden das Wiesental und der Altneckar heute dank des Engagements von Claus König ein Vogelschutzgebiet. „Knapp 200 Vogelarten sind hier ausgewiesen“, weiß Professor Claus König. Eisvogel, Nachtreiher, Kormoran, Schwarzmilan oder Gänsesäger sind hier etwa heimisch – und ein treu vereintes Storchenpaar.