Foto: Frank Wittmer

Das Zweiradmuseum Pleidelsheim öffnet wieder. Nach dem Tod von Manfred Wirth im vergangenen Jahr übernimmt Sohn Rainer.

Pleidelsheim - Jedes Exponat erzählt eine Geschichte: Die knallrote „Rennadler“ Baujahr 1954, mit der Manfred Wirth seine Runden gedreht hat. Aus 250 Kubikzentimeter 36 PS bei 13 500 Umdrehungen herausgekitzelt, das ist keine Maschine für Sonntagsfahrer! An Festtagen holte Wirth lieber seinen Original-Nachbau der allerersten Benz-Draisine aus dem Tabakschuppen, in dem das Pleidelsheimer Zweiradmuseum seit dem Jahr 2002 untergebracht ist. Mit 0,75 PS knatterte Wirth gerne zum Fliegerfest.

Das Fachsimpeln unter Gleichgesinnten, auch „Benzingespräch“ genannt, war dem im Juli 2014 im Alter von 72 Jahren verstorbenen Manfred Wirth immer wichtig. Als Rennfahrer hat er einige seiner Legenden behalten, andere hat er gekauft. Mitunter direkt an der Tankstelle. Ein gelber Renner aus DDR-Zeiten mit der Aufschrift „VEB-Tonfunk“ hat Wirth dem Fahrer Roland Hinz abgekauft, als der nach einem Rennen in Ungarn in den Westen geflohen ist. Mitsamt dem Rennwagen auf dem Anhänger. „Den kannte mein Mann vom Sachsenring und hat ihn an der Tankstelle wieder erkannt. Westgeld war für den Start nötig, da hat ihm mein Mann den Wagen einfach abgekauft“, erzählt Hedwig Wirth.

Leider wisse sie viel zu wenig von den ausgestellten Exponaten, und auch einige der Schilder seien nicht ganz korrekt gewesen. Nach einiger Bedenkzeit hat der46-jährige Sohn Rainer Wirth sich dazu entschlossen, das Museum mit 60 Motorrädern und einigen vierrädrigen Raritäten wieder zu eröffnen. Nur auf Anfrage und leider auch ohne Führung. Nach einem Unfall vor einigen Jahren kann Rainer Wirth nur undeutlich sprechen.

Aber genug, um begeistert von seinen Exponaten zu erzählen. Wie etwa über den 1939er gebauten Rolls-Royce Wraith, in dem Wirth seine Braut zur Hochzeit chauffiert hat. Der „kleine“ Rolls mit dem imposanten Kühlergrill ist eines der wenigen vierrädrigen Fahrzeuge in der Ausstellung, eine Daimler-Motorkutsche von 1886 ist wie die Benz-Draisine ein Nachbau.

Kernstück sind die Krauser-Rennmaschinen wie das vollverkleidete Motorrad-Gespann „Domani“, was „Morgen“ bedeutet. Von dem 200 Stundenkilometer schnellen Renner sind nur etwas über 100 Exemplare zwischen 1988 und 2004 gefertigt worden.

Das Pleidelsheimer Exemplar hat auch im Renn-Ruhestand noch aufregendes erlebt. Der Prototyp wurde vor einigen Jahren aus dem Museum gestohlen und tauchte dann ziemlich ramponiert auf einem Autobahnparkplatz wieder auf. Nun teilt sich das Prachtstück die Museumsfläche mit historischen Motorrädern von BMW, Adler, Triumph, Java, Ural, MZ, Zschopau und der Simson „Spatz“. Ein Gespann des russischen Militärs samt Bewaffnung ist ebenso zu sehen wie Raritäten von DKW, Mars und der Firma „Ardie“ aus Nürnberg, die von 1919 bis 1958 klassisch schöne Motorräder herstellte. Eine Triumph, Baujahr 1930, im Originalzustand weckt Sehnsüchte, eine Hercules Wankel 2000 aus dem Jahr 1975 mit dem „Staubsauger“ genannten Kreiskolbenmotor ist eher eine Kuriosität der Motorradgeschichte geblieben.

Dem Traum vom Fliegen ganz nah ist eine BMW K100 mit Stütz-Doppelturbo. Mit dem vollverkleideten Renner wollte Manfred Wirth den Geschwindigkeitsweltrekord für Motorräder knacken. Mit 250 PS bei 10000 Umdrehungen und noch einmal 50 Extra-PS durch die Lachgas-Einspritzung war die Maschine auf 350 Stundenkilometer angelegt. Der Versuch scheiterte an den Reifen. „Kein Hersteller wollte eine Garantie für derart hohe Geschwindigkeiten geben – was mir dann eigentlich ganz recht war“, erinnert sich Hedwig Wirth. Nun kann man den Beinahe-Weltrekordler im Pleidelsheimer Zweiradmuseum in aller Ruhe bewundern.