In der Gastronomie sind in den vergangenen Jahren Tausende neuer Jobs geschaffen worden – die Lockdowns machten es zunichte. Jetzt wird händeringend gesucht. Foto: dpa/Christoph Schmidt

Viele Service- und Küchenkräfte haben sich in der Coronazeit neu orientiert und fehlen nun in den Restaurants in der Region. Einige Gastgeber haben bereits Konsequenzen gezogen und Öffnungszeiten reduziert. Andere arbeiten am Limit.

Marbach/Bottwartal - Die einen klagen über fehlendes Personal, die anderen sind erleichtert darüber, dass sie ihre Kräfte zwar während der Corona-Pandemie haben halten können – allerdings gehen sie langsam auf dem Zahnfleisch, weil so viel los ist. Leicht sind die Gastronomen in den vergangenen Wochen nicht aus den Startlöcher gekommen. Und es scheint kein Ende in Sicht.

„Wenn das so weitergeht, muss ich noch einen Tag streichen, meine Mitarbeiter haben sonst alle zu viele Stunden“, sagt Regina Jäger, die Küchenchefin im Restaurant Jägers Schillerhöhe in Marbach. Inzwischen ist dort nur noch abends geöffnet, Montag und Dienstag sind Ruhetag. Nur sonntags empfangen Jäger und ihr Team auch schon mittags Gäste. Zwei Küchenkräfte und eine Servicekraft sind der Familie Jäger, die das Stadthallenrestaurant seit 2009 betreiben, über die Coronazeit „abhanden gekommen. Sie haben sich anders orientiert, und ich kann das verstehen“, sagt Regina Jäger. „Gastro ist Stress, das ist einfach so.“

Keine Chance, mittags aufzumachen

Und nun findet das Team keinen Ersatz. „Wir haben alle Kanäle angezapft, Anzeigen geschaltet, mit Leuten gesprochen“, berichtet Regina Jäger. „Aber es kommt nichts.“ Es gebe schlicht kein Personal für die Gastronomie. „Also habe ich nicht die Chance, wieder mittags aufzumachen“, klagt die Küchenchefin auf der Schillerhöhe. Dabei müsste sie das eigentlich, allein schon wegen der schieren Größe des Restaurants – und aus finanziellen Gründen sowieso.

Mit ihren Sorgen ist Regina Jäger nicht allein. Viele Wirte im Kreis macht die Frage nach dem Personal Kummer. Einer der wenigen, dem es anders geht, ist Frank Land, der in Besigheim die Marktwirtschaft betreibt. Sein Geheimnis: er schaut sich auch dann nach potenziellen Mitarbeitern um, wenn er eigentlich gar niemanden zusätzlich braucht. Dass viele seiner Kollegen in der Branche nicht so gut dastehen, weiß Land.

Schlechtes Image, schwierige Arbeitszeiten

Schlechte Bezahlung, generell ein schlechtes Image, schwierige Arbeitszeiten, die Tendenz, dass junge Leute lieber studieren gehen als eine Ausbildung zu machen – die Gründe, die Wirte nennen, um die Misere zu erklären, sind meistens dieselben.

Eberhard Lenz, der seit 39 Jahren die Bürgerschenke in Benningen betreibt, ist froh, dass er über die Coronazeit seine Leute hat halten können. Allerdings weiß auch er: „Neues, qualifiziertes Personal findet man nicht.“ Lenz und seine Frau werden die Bürgerschenke zum Jahresende abgeben und in den Ruhestand gehen. Und weil auch bis dahin keine Unterstützung in Sicht ist, „müssen mein Personal und ich jetzt eben mehr arbeiten“, sagt Lenz. Und das geht durchaus an die Substanz. Denn die Bürgerschenke ist ausgebucht. Lenz erklärt das damit, dass viele andere Restaurants geschlossen sind oder nicht mehr so oft offen haben. Dementsprechend rennen ihm die Gäste förmlich die Bude ein. Bereits jetzt sind alle Sonntage im November ausgebucht, auch an Weihnachten geht nichts mehr. „Worauf ich natürlich stolz bin“, sagt er. Dennoch sei es nicht schön, mehr Leuten ab- als zusagen zu können. Und letztlich ist er froh, dass zum Jahresende Schluss ist. „Ich bin ja hart im Nehmen. Aber noch ein Jahr ginge das nicht so.“

„Wo die alle hin sind, weiß ich nicht“

Ein Patentrezept, wie die Gastronomie Personal zurückgewinnen könnte, hat niemand. Die Suche über Arbeitsagenturen ist schwierig, auf Annoncen meldet sich selten jemand. „Wo die alle hin sind, weiß ich nicht“, sagt Eberhard Lenz. Zumal er auch vor Corona schon einen Personalmangel beobachtet hat, wie er berichtet. Das ist allerdings nur sein subjektives Empfinden, denn beim Blick auf das gesamt Gastgewerbe im Südwesten bietet sich ein anderes Bild.

Daniel Ohl, Sprecher des Deutschen Hotel und Gaststättenverband (Dehoga) im Land, sagt sogar: „In der Zeit von 2010 bis zwei 2019 war die Branche ein großer Jobmotor.“ Etwa 25 000 zusätzliche Stellen wurden in diesem Zeitraum neu geschaffen – trotz „gutem Arbeitsmarktumfeld“, betont Ohl. „Dass niemand im Gastgewerbe arbeiten möchte, stimmt also nicht.“ Allerdings: Was über Jahre gewachsen war, machte der Coronalockdown innerhalb von neun Monaten wieder zunichte. Rund 20 000 Voll- und Teilzeitkräfte haben bis zum März der Hotellerie und Gastronomie den Rücken gekehrt. Aktuellere Zahlen gibt es nicht. Im Bereich der Minijobber dürfte die Entwicklung nicht fundamental anders sein. Verwunderlich ist das nicht, denn die Gastronomie war mit der letzte Bereich, der wieder öffnen durfte.

Unsicherheit als Grund für den Schwund

„Dass Mitarbeiter in so einer Situation für andere Angebote empfänglich sind, kann man ihnen nicht verdenken“, sagt Ohl. Die Unsicherheit sei mit einer der Hauptgründe für den Personalschwund. Das wirke sich beispielsweise auch auf die Ausbildungszahlen aus. Ohl betont aber auch die Chancen, die sich derzeit bieten. So einfach wie in diesen Zeiten sei es wahrscheinlich noch nie gewesen, in der Branche Karriere zu machen. Bislang lockt diese Aussicht aber nur wenige.