Der Angeklagte soll die Tabletten auch weiterverkauft haben. Foto: Archiv (dpa)

Ein Paar hat sich immer wieder mit gefälschten Unterschriften illegal Medikamente beschafft. Dafür suchten sie verschiedene Apotheken im Landkreis Ludwigsburg und in Stuttgart auf.

Marbach/Pleidelsheim - Das Amtsgericht Ludwigsburg hat einen Krankenpfleger-Azubi und eine angehende Verkäuferin der Urkundenfälschung und des Betruges schuldig gesprochen. Die beiden hatten mit gefälschten Rezepten in zahlreichen Apotheken, unter anderem in Marbach und Pleidelsheim, kostenfreies Pregabalin abgegriffen. Während der 23-Jährige zu einem Jahr Haft auf Bewährung sowie einer Geldstrafe von 1500 Euro zugunsten des Bewährungshilfevereins in Stuttgart verurteilt wurde, kam die 21-Jährige mit einer Zahlung von 750 Euro zu Gunsten des ambulanten Kinderhospizdienstes Ludwigsburg davon. Die 1968 Euro, um welche die Krankenkassen geschädigt worden waren, zieht kraft Urteils der Staat wieder für diese ein.

Bei ihren Rezeptfälschungen hatten es die beiden Angeklagten vor allem auf das verschreibungspflichtige Pregabalin abgesehen. Dieses Antiepileptikum macht abhängig und wird oft als Suchtmittel missbraucht – wie auch in diesem Fall. Der Betrug mit den Rezepten, auf denen Unterschriften von Ärzten des ganzen Kreisgebiet gefälscht wurden, ging lange gut. Aber eben auch nur so lange, bis eine Mitarbeiterin der Mylius-Apotheke in der Ludwigsburger Kirchstraße misstrauisch wurde. Sie hakte also kurzerhand bei dem betreffenden Arzt nach, der daraufhin die Polizei verständigte. Der Stuttgarter Staatsanwaltschaft zufolge war das Duo vom 20. März bis Ende August 2019 auch nicht alleine unterwegs, sondern mit zwei gesondert verfolgten Mittätern.

Auf den Rezepten tauchten schließlich allerhand gefälschte Unterschriften von Praxen im ganzen Kreis Ludwigsburg und in Stuttgart auf. Zum Beispiel die einer Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, bei der die zur Tatzeit in Ludwigsburg wohnhafte Angeklagte sogar selbst einmal wegen Depressionen in Behandlung war, oder von einem Internisten.

Das gewünschte Pregabalin bekamen die Angeklagten dann nach Vorlage ihrer gefälschten Dokumente in Apotheken in Neckarweihingen, Oßweil, Pleidelsheim, Kornwestheim, Freiberg, Asperg oder Marbach und Stuttgart sowie auch bei mehreren Apotheken im Ludwigsburger Stadtgebiet ausgehändigt. Zudem wurde dem 23-jährigen Krankenpfleger-Azubi auch noch legal Pregabalin in größeren Mengen verordnet. Doch diese Tabletten verkaufte er an unbekannte Abnehmer weiter, was ihm vor Gericht zusätzlich den Tatvorwurf des unerlaubten Handels mit Arzneimitteln einbrachte. Die angehende Verkäuferin legte vor Gericht in der Sache ein vollumfängliches Geständnis ab. Der Krankenpfleger-Azubi, zur Tatzeit mit der Mitangeklagten liiert, schloss sich deren Beispiel an, wollte aber ansonsten zur Sache keine weiteren Fragen beantworten.

Auf den 23-jährigen Angeklagten war bei der Polizei ein Hinweis eingegangen, wie einer der Beamten erklärte. Die Oma, bei welcher der Mann damals lebte, musste eine Wohnungsdurchsuchung über sich ergehen lassen, bei der ein Foto von einem der gefälschten Rezepte auf dem Handy ihres Enkels gefunden wurde.

Die Polizisten fragten anschließend bei der angegebenen Praxis nach, in welcher der Angeklagte gar nicht Patient war. Die Beamten fanden auch heraus, dass sich der junge Mann Rezepte für Pregabalin auf legalem Wege besorgt und viel zu viel davon konsumiert hatte. Einer der Ärzte hatte ihm etwa 300 Tabletten auf einen Schlag verschrieben. Zu seiner Vernehmung bei der Polizei kam der Angeklagte allerdings dann selbst nicht. Seine Mitangeklagte aus Neckarweihingen gab dabei an, sie hätten kein Pregabalin verkauft, sondern alles selber konsumiert.

Gegenüber der Vorsitzenden Richterin Franziska Scheffel beteuerte die junge Frau außerdem, sie habe das Arzneimittel auch ausschließlich in den beiden Jahren konsumiert, in welchen sie eben mit dem Mitangeklagten zusammen gewesen sei. Die Wirkung des Medikaments beschrieb sie vor Gericht folgendermaßen: „Es ist wie ein gutes Betrunkensein, man ist glücklich, motiviert, euphorisch.“ Der Kommentar der Richterin fiel trocken aus: „Wenn man sich da Ihren Bildungs- und Berufsweg so anschaut, ist das mit der Motivation eher nicht der Fall.“

Was ist Pregabalin?
Pregabalin ist das wohl am häufigsten verordnete Mittel bei  Angststörungen, Epilepsie und neuropathischen Schmerzzuständen. Der Wirkstoff ist etwa  in dem Präparat Lyrica enthalten, Pregabalin ist aber zugleich auch ein eigenständiger Medikamentenname.  Zunächst als Antikonvulsivum für Epileptiker entwickelt, wird Pregabalin mittlerweile auch bei chronischen Schmerzen verordnet. Das dritte häufige  Anwendungsgebiet sind Angststörungen, speziell die generalisierte Angststörung. Die meisten Patienten fühlen sich nach der Einnahme des Medikaments, als seien sie betrunken, wie es auch die Angeklagte  geschildert hat. Pregabalin macht abhängig und  wird  als Suchtmittel missbraucht. Es  muss nach dem Absetzen  unter ärztlicher Aufsicht ausgeschlichen werden, damit keine Entzugserscheinungen auftreten. Geschieht das nicht langsam genug, können epileptische Anfälle auftreten.