Die Bürger leiden unter dem Verkehr, doch der Beschluss zum Bebauungsplan muss nochmals gefasst werden. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Über den Bebauungsplan zur Affalterbacher Ortsumgehung muss neu beschlossen werden.

Affalterbach - Nach neun Jahren dauernden Vorgesprächen, Diskussionen und Verhandlungen hat am Donnerstag ein Meilenstein auf der Tagesordnung des Affalterbacher Gemeinderats gestanden: der Beschluss zum Bau der Ortsentlastungsstraße (OES). Doch der Meilenstein ist unerwartet zum juristischen Stolperstein geworden. Denn zwei der Gemeinderäte, Richard Häußermann (ULA) und Sven Harder (SPD), haben sich erst nach der Beratung für befangen erklärt und die Runde verlassen. Damit ist der mit deutlicher Mehrheit gefasste Beschluss für den Bau der Straße rechtswidrig,.

Häußermann erklärte auf Nachfrage dieser Zeitung, warum er sich nicht früher für befangen erklärt habe: „Das hätte der Bürgermeister sagen müssen, er weiß es ja.“ Und betonte: „Wenn ich’s nicht gesagt hätte, hätte es gar keiner gemacht.“ Er war es auch, der darauf hinwies, dass nicht nur er, sondern ebenso Harder befangen sei. Dieser sagte auf Anfrage: „Im Prinzip ist mir das mit der Befangenheit bekannt, aber ich hatte da irgendwie einen Blackout und habe einen Fehler gemacht.“

Laut Gemeindeordnung ist es so, dass laut Paragraf 18 Absatz 4 Gemeindeordnung der ehrenamtlich tätige Bürger, bei dem Befangenheit gegeben sein könnte, dies vor Beginn der Beratung über diesen Gegenstand dem Bürgermeister mitteilen muss, erklärt Andreas Fritz, Pressesprecher des Landratsamts. Bürgermeister Steffen Döttinger hat nun dem Beschluss am Freitagmittag in einem Schreiben an den Gemeinderat offiziell widersprochen und gleichzeitig eine erneute Sitzung zum selben Thema am 9. Juli einberufen.

In der Sitzung vom Donnerstag waren zunächst die bei der letzte Offenlegung erneut eingegangenen Einwände gegen den Straßenneubau vorgestellt und dargelegt worden, dass und warum die Einwände unbegründet sind. Die Gemeinderätin Claudia Koch hatte für die ULA deren bereits bekannte Einwände gegen die Umgehungsstraße – von Naturschutzgründen über Existenzgefährdung von Landwirten bis hin zu Zweifeln an der Notwendigkeit – wiederholt.

Bürgermeister Steffen Döttinger erklärte daraufhin, man sei sich des Eingriffs in die Natur durchaus bewusst, aber: „Das ist wie bei Corona – eines muss man einschränken, wenn man etwas anderes erreichen möchte.“ Die prognostizierte Entlastung von 66 Prozent beim Verkehr im Ort sei enorm. „Das ist es uns wert, die Straße zu planen und Geld dafür auszugeben.“ Im Übrigen erklärte er, einige Aussagen der ULA seien unrichtig.

Rudolf Häußermann (Freie Wähler) sagte, er vermisse bei der Diskussion einen Hinweis darauf, dass die Affalterbacher Bürger die Leidtragenden des Verkehrs seien. Der Ort werde von den Straßen, die man bei Einkauf oder Schulweg immer wieder überqueren müsse, in drei Teile zerschnitten. Andreas Fürst (CDU) verwies darauf, dass die Straßen im Dorf so eng seien, dass Lkw nicht aneinander vorbei kämen, ohne auf den Gehweg auszuweichen. Und Sonja Bänsch (Freie Wähler) erinnerte daran, dass man während der baubedingten Sperrung der Marbacher Straße gemerkt habe, wie „schön und beschaulich es im Ort sein kann – das hätte ich gerne wieder.“

Sven Harder (SPD) griff einige Argumente Kochs auf und betonte, dass auch Elektroautos noch Verkehr seien. Und falls es, wie von der ULA angeführt, in Zukunft eine Querspange von Backnang nach Mundelsheim und damit automatisch weniger Verkehr im Ort gebe, müsse man sich bewusst sein, dass auch die zu Flächenverbrauch führe. „Ich fand es schade, dass von den Punkten, die Sie in Ihrem Vortrag genannt haben, vieles für teures Geld untersucht wurde und trotzdem wieder zur Sprache kam“, meinte er.

Stefan Hinner (SPD) bekundete seinen Respekt für die Haltung Kochs und die aufwendige Arbeit der ULA, wies aber darauf hin, dass in deren Vorschlägen „viel Konjunktiv“ enthalten gewesen sei. „Ich halte es für eine gute Variante, zweigleisig zu fahren. Aus heutiger Sicht braucht man die OES, bei deren Planung gute Gedanken der ULA berücksichtigt wurden, und man sollte die Straße umwelttechnisch so gut wie möglich machen.“ Und Helmut Rikker (Freie Wähler) meinte, man habe dieselben Argumente schon über Jahre ausgetauscht und solle die Energie nun darauf verwenden, „die Straße jetzt gut zu bauen“.

Wenn beim nächsten Mal ein rechtsgültiger Beschluss zur Umgehungsstraße gefasst wird, habe man damit einen wichtigen Meilenstein erreicht, aber es gebe noch viele Baustellen, erklärte der Rathauschef auf Nachfrage dieser Zeitung. „Zunächst einmal werden wir dann die Gespräche zur Flurneuordnung und zu Förderanträgen intensivieren.“ Zum Zeitrahmen könne man nichts sagen, weil der Bebauungsplan, wenn er beschlossen sei, auch noch angefochten werden könne.