Bei diesem Idyll könnte man fast ins Träumen kommen. Doch die Schäferei macht nicht nur Freude, sondern auch viel Arbeit. Foto: KS-Images.de

Ohne den Landwirt Harald Streicher und seine Schafherde wäre von vielen der Baumwiesen rund um Winzerhausen vor lauter Wildwuchs kaum noch etwas zu erkennen. Die Schafe halten nicht nur Gras und Unkraut kurz, sie sorgen auch für natürliche Düngung.

Großbottwar-Winzerhausen - Sie sehen so aus, als seien sie schon immer dagewesen: die für Württemberg so typischen Streuobstwiesen, die es auch um Großbottwar und seine Teilorte noch reichlich gibt. Als ob mit ihnen ein Stück des Garten Eden direkt im Bottwartal gelandet wäre. Dass viel Arbeit dahintersteckt, sieht man ihnen nicht an. Doch so ein Stückle will gepflegt sein, vom fachgerechten Baumschnitt bis zum Kürzen des Grases und Entfernen von Buschwerk und kleinen Baumschösslingen.

Der Mann, der schon seit 35 Jahren rund um Winzerhausen dafür sorgt, dass die Obstwiesen nicht zuwuchern, ist Harald Streicher aus dem benachbarten Abstetterhof. Allerdings tut er das nicht alleine. Er hat dazu die Unterstützung einer ganzen Herde weiblicher Mitarbeiter. Und das mit der „Herde“ ist keineswegs despektierlich gemeint. Es handelt sich nämlich um eine Schafherde, die aktuell aus 300 weiblichen Tieren und 140 Lämmern besteht. Die Schafböcke hat er schon veräußert, wobei vor allem seine Zucht der weißgesichtigen „Ile de France“-Schafe gefragt ist; die hat er schon nach Lettland, Litauen, Serbien oder Bulgarien verkauft. Zu seinen Tieren gehören aber auch sogenannte deutsche schwarzgesichtige Fleischschafe.

Wolle liefern die Vierbeiner zwar auch, aber „die trägt nicht mal die Lohnkosten vom Scheren“, erklärt Streicher. Geschoren müssen werden sie trotzdem: „Das ist tierschutzrelevant.“ Zu der Landwirtschaft, die Harald Streicher zusammen mit seinem Sohn betreibt, gehören nicht nur Schafe, sondern auch Hühner sowie Ackerbau. „Wir produzieren unser Futter selbst“, betont der der Landwirt.

Die Schafe jedoch lassen sich das frische Grün rund um Winzerhausen schmecken. Dabei sind sie nicht allzu wählerisch. Doch Disteln oder die wilden Ausleger der Obstbäume lassen sie beim eifrigen Rupfen stehen. Wenn das dann überhand nimmt, wirft Harald Streicher die Mulchmaschine an: „Sonst würde das hier alles verbuschen.“

30 Hektar Baumwiesen und Restgrünland werden so von den vierbeinigen Rasenmähern und ihrem Chef bewirtschaftet, dazu 30 Hektar mähbare Grundstücke, auf denen Winterfutter gewonnen wird. Nach der Ernte dürfen die Schafe auch auf einige Äcker und lassen sich übrig gebliebene Maiskolben schmecken oder das, was an Körnern vom Getreide ausgefallen ist und schon wieder auswächst. „Das ist ein Leckerbissen für die Schafe“, weiß Streicher.

In die Obstwiesen geht er dagegen ab Ende September nicht mehr. „Die Leute mögen es nicht, wenn sie ihr Obst holen wollen und dann in die Schafbollen treten.“ Deshalb wolle auch nicht jeder Schafe auf seinem Grundstück haben. Doch andere sind froh über die tierische Pflegehilfe. Denn viele der Grundstücksbesitzer sind inzwischen zu alt, um sich noch darum zu kümmern, die Kinder leben oft weit weg oder haben kein Interesse daran. Andere Flächen sind maschinell kaum zu pflegen: „Wer will das mähen, mit dem Buckel?“ fragt Streicher und deutet auf einen steilen Hang. Und so würde ohne ihn und seine Schafe die jahrhundertealte Kulturlandschaft verschwinden.

Von Januar bis April bleiben die Schafe im Stall, erst dann geht es wieder nach draußen auf die Weiden. So ziehen Schäfer und Schafe im Lauf des Jahres durch das ganze Tal.

Wichtig sei, dass man mit der Beweidung nicht zu früh starte, damit die Pflanzen auch noch die Chance zum Blühen haben, erklärt der Schäfer, der auf Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft setzt. Deshalb kann er es auch nicht verstehen, dass Lammfleisch aus Neuseeland importiert wird: „Der Transport eines geschlachteten Lamms verbraucht 118 Liter Rohöl. Wer heimisches Lammfleisch verzehrt, schont nicht nur das Klima, sondern unterstützt auch die Pflege heimischer Landschaften“, betont er.

An diesem heißen Tag haben es sich die Schafe im Schatten eines großen Baums gemütlich gemacht und kauen gemächlich vor sich hin. Auf Streichers lang gezogenen Ruf „Kommkommkomm!“ hin setzt sich jedoch die ganze Herde in Bewegung. Die beiden Hunde Tina und Susi müssen dabei nur eingreifen, wenn eines der Lämmer noch nicht so richtig weiß, wo es langgeht. „Die Schafe sind es gewöhnt, zu kommen, weil sie glauben, dass es wieder auf eine neue Weide geht“, erklärt der Schäfer. Pro Tag weiden die Schafe etwa 50 Ar Fläche ab. Ist das Gras in dem eingezäunten Areal raspelkurz, geht es wieder ein Stück weiter.

Zweimal am Tag schaut Streicher nach seinen Tieren und bringt ihnen frisches Wasser, dazu gibt es Salz und Mineralfutter. Und er beobachtet genau, ob sich vielleicht irgendein Schaf anders verhält als sonst oder vielleicht gar einen kranken Eindruck macht: „Die Tiergesundheit steht an erster Stelle“, betont er.

Ein Wochenende gibt es für den Schäfer dabei nicht. „Man muss schon Idealist sein und voll dahinterstehen“, resümiert er. Er selber hat schon als Jugendlicher damit angefangen, einige Schafe zu halten. „Wenn man an ihnen erst einmal Gefallen gefunden hat, lassen sie einen nicht mehr los.“