Das Gelände von Werzalit mitten im Ort misst 10,6 Hektar – und ist deshalb unter anderem für Investoren interessant, die eine Wohnbebauung anstreben. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Die österreichische Unternehmer Martin Troyer übernimmt die Firma, aber die Produktion in Oberstenfeld wird stillgelegt.Die Zukunft des Werksgeländes ist offen.

Oberstenfeld - Der Jurist Jochen Sedlitz ist als Insolvenzverwalter der Stuttgarter Kanzlei Menold Bezler einiges gewohnt. Der Fall des Oberstenfelder Holzverarbeiters Werzalit hat ihn aber in den vergangenen Monaten besonders viele Nerven gekostet. „Ich bin sehr froh, dass der Verkauf gelungen und damit die Zukunft von rund 450 Mitarbeitern im In- und Ausland gesichert ist“, sagt er jetzt und informiert die Öffentlichkeit darüber, dass der österreichische Unternehmer Martin Troyer Werzalit erworben hat. Allerdings bedeutet der Verkauf des international aufgestellten Holzverarbeiters gleichzeitig das Aus für rund 120  Mitarbeiter am bisherigen Hauptstandort in Oberstenfeld.

Den Frust darüber kann Jochen Sedlitz verstehen. „Dass Mitarbeiter betroffen sind, die die letzten Monate treu zum Unternehmen gestanden und überhaupt dafür gesorgt haben, dass der Betrieb aufrecht erhalten bleibt, tut mir ganz besonders leid.“ In Oberstenfeld bleiben laut Sedlitz nur etwa 50 Mitarbeiter in der Verwaltung und im Betrieb. Troyer übernimmt außerdem den Standort im thüringischen Niederorschel mit 120 Mitarbeitern sowie die rumänische Fertigung mit etwa 220  Mitarbeitern. Der Standort in den USA habe ebenfalls gerettet werden und an einen US-Investor verkauft werden können. „Insgesamt gesehen ist dieser Verkauf ein Erfolg“, betont Jochen Sedlitz.

Die Produktion am Standort in Oberstenfeld mit rund 15 Einzelgesellschaften werde bis Ende April heruntergefahren, die weitere Belieferung der Kunden sei jedoch sichergestellt, teilt Sedlitz im Pressetext mit. Als Grund für das Aus von Werzalit in Oberstenfeld nennt er unter anderem, „dass das Betriebsgrundstück aufgrund der zentralen Lage und dem damit verbundenen Wert nicht an ein Produktionsunternehmen veräußerbar ist und eine Veränderungssperre durch die Gemeinde besteht.“ In Einklang mit den Vorstellungen der Gemeinde solle das Werzalit-Areal daher an einen Projektentwickler verkauft und danach neu beplant und neu gestaltet werden. Die Gemeinde selbst habe er nicht im Kreis der Interessenten, sagt Sedlitz auf Nachfrage.

Informiert über den Verkauf ist der Bürgermeister Markus Kleemann. „Wenn in Oberstenfeld Arbeitsplätze verloren gehen, bedauere ich das außerordentlich.“ Es hingen schließlich viele Familien daran. Die Gemeinde habe über das 10,6 Hektar große Gebiet eine Veränderungssperre verhängt, um mitreden zu können. Damit habe die Gemeinde aber nicht auch eine Produktion verhindern wollen, stellt Kleemann klar. „Wir waren offen und haben uns alles angehört.“ Ob auf dem Gelände mitten im Ort eine Wohnbebauung entstehen könnte oder etwa eine auch gewerblich orientierte Mischform, wollte Kleemann auf Nachfrage nicht verraten. Fakt ist: Die Fläche ist noch in Besitz des Insolvenzverwalters. „Ich verkaufe an den, der am meisten bietet.“ Er gehe davon aus, dass die Gemeinde vor allem Wohnbebauung will, sagt Sedlitz.

Monatelang hatte der Insolvenzverwalter nach einer Lösung für das Unternehmen gesucht. Dessen Geschäftsführer Jochen Werz hatte die Insolvenz anmelden müssen, nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) Erfurt das Outsourcing von 86  Mitarbeitern in die Fertigungsgesellschaft Holz und Kunststoff (FHK) höchstrichterlich als unrechtmäßig beurteilt hatte, was Forderungen in Millionenhöhe nach sich zog. Der Streit um Abfindungen für die Mitarbeiter in Oberstenfeld flammte zuletzt vor dem Arbeitsgericht Stuttgart auf, als rund 50 Mitarbeiter gegen den Insolvenzverwalter klagten. Jetzt steht fest: Durch den Verkauf des Unternehmens verlieren auch diese Mitarbeiter ihre Arbeit.

Praktisch mit leeren Händen sieht sich Werner Fischer, langjähriger Betriebsratsvorsitzender, mit seinen Kollegen dastehen, die vor dem BAG Recht bekamen. „Es ist alles ein bisschen makaber“, sagt er und bedauert, dass ein Teil der Mitarbeiter sich nicht mit einer Abfindung von 30 000 Euro arrangieren konnten und weiterklagte. Fischer hatte aus diesem Grund den Vorsitz an seinen Kollegen Erdal Ayar abgegeben. Jochen Sedlitz wiederum betont, er habe mit den Betriebsräten in Berlin und Niederorschel gute Lösungen gefunden.