Foto: Laura Buschhaus

Hanns-Otto Oechsle erklärt auf YouTube schwäbische Begriffe.

Oberstenfeld - Das Stockwerk über der Bücherstube Oberstenfeld wirkt wie eine Kunsthandlung. An den Wänden hängen Aquarelle, Ölbilder und Dispersionen von der Umgebung, in der Mitte des Raumes stehen Schuber, in die ebenfalls Bilder eingeordnet sind. Auf ihnen sind Landschaften, Fachwerkhäuser, Blumen und Stillleben zu sehen. In einer Ecke stapeln sich Bücher. Und mittendrin: Hanns-Otto Oechsle. Der pensionierte Lehrer trägt ein kariertes Hemd und hat auf einem Hocker Platz genommen. Es ist eine Premiere: Normalerweise schreibt er schwäbische Kolumnen für die Marbacher Zeitung oder unterhält sein Publikum bei Lesungen. Nun beschreibt er zum ersten Mal in einem Video, was zum Beispiel ein „Eidechsavergrämer“ ist. Diese Videos erscheinen einmal im Monat auf der Internetseite und dem YouTube-Kanal der Marbacher Zeitung. Damit die Nutzer es zur Not auch in der Bahn ohne Ton anschauen können, ist es untertitelt.

Was genau ist ein Schbätzlesschwohb? Und in welcher Situation lässt jemand die Lella ra hänga? Oechsle wäre nicht Oechsle, wenn er diese Fragen mit einem Satz beantworten würde. Der gebürtige Cannstatter erzählt kleine Geschichten, die er irgendwann irgendwo aufgeschnappt hat oder die ihm in den Kopf gekommen sind. „Des isch a vellich ogregelds Vorgeha,” beschreibt er die Ideenfindung, „Mir send scho midda uff dr Audobahn Gschichda eigfalla. I ben noa hald an Rand noa gfahra ond hanmir Schdichwörer uff a Zeddele uffgschrieba.”

Am Anfang war die Indianergeschichte

Sein Erstlingswerk „Gold aus Oregon“ war damals noch von Karl May inspiriert und auf hochdeutsch verfasst. „Scho als Neijähriger han i en a Hefdle Indianer-gschichda gschrieba”, erzählt der heute 75-Jährige. Allerdings traute er sich noch nicht, auf schwäbisch zu schreiben. Mit 19 Jahren verfasste er erste Gedichte in der Mundart. Im Jahr 1996, mit Mitte 50, erschien sein erstes Buch mit schwäbischen Gedichten, von dem er auf Anhieb 1000 Stück verkaufte. Seine Eltern, schwäbische Kaufleute, freuten sich besonders, dass er in ihrem Dialekt schrieb.

Auch beim Videodreh ist Oechsle in seinem Element. Er schüttelt die Geschichten aus dem Ärmel, aus dem Stegreif fallen ihm sofort mehrere passende ein, die er ohne Versprecher und ohne lange nachzudenken, vorträgt. Als draußen auf der Straße undefinierbarer Lärm losgeht, bringt ihn auch das nicht aus der Ruhe.

Für die Enkel ist Oechsles Dialekt lustig

Das Schwäbische ist für Oechsle wie „Esperanto, weils ons Schwoaba vorbinded“. Aus diesem Grund findet er es auch sehr schade, dass sich viele Schwaben für ihren Dialekt schämen. Er geht zwar nicht so weit, zu sagen, dass das Schwäbische die schönste Mundart ist, aber „ois schtoad feschd, au Schiller hoad zerschd schwäbisch gschwätzd” und Wörter wie „lupfa“ (hochdeutsch: hochheben) machen für ihn den Reiz des Schwäbischen aus. Wenn er solche Begriffe benutzt, muss er sich von seinen Enkeln allerdings manchmal irritierte Blicke gefallen lassen, die sprechen nämlich überhaupt kein Schwäbisch und das sorgt selbst das „Honoratiorenschwäbisch“ ihres Großvaters manchmal für Belustigung.

Viel Frust über die Politik

Wenn Oechsle gerade keine Geschichten und Gedichte schreibt, Ausstellungen vorbereitet, malt oder Geschichtsinteressierte durchs Bottwartal führt, engagiert er sich im Oberstenfelder Gemeinderat. Seit 1987 sitzt er in dem Gremium, anfangs noch als Parteiloser, in den Neunzigern trat er als Protest gegen den Kultusminister Mayer-Vorfelder in die SPD ein und ist ihr bis heute treu geblieben: „An en Parteiausdridd han i niea denkd, weil von drenna meh ändera koasch als von draußa.“ In der letzten Zeit hat sich bei ihm aber dennoch viel Frust angesammelt: „D`Scher zwischa Arm ond Reich öffned sich emmr weider. Wenn i meine ehemalige Hauptschüler seh, die große Problem em Leba hen, machd mi des draurich!“ Auch die Argumentation der Politiker im sogenannten Dieselskandal und die Ablehnung von Ausländern machen ihn wütend. Um seinem Frust Luft zu machen, baut er nun öfters politische Themen in seine wöchentliche Kolumne in der Marbacher Zeitung ein. Und natürlich auch von Anfang an in seine neue Video-Serie.

Weitere Informationen über den Maler und Autor Hanns-Otto Oechsle gibt es auf seiner Internetseite.