Das Wohnen in Gewerbegebieten wie dem an der Lichtenberger Straße in Oberstenfeld (Bild aus dem Jahr 2015) ist eigentlich nur so lange möglich, wie es einem Betrieb und dessen Belangen konkret dient, wie es etwa bei einer Hausmeisterwohnung der Fall sein kann. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Das Landratsamt Ludwigsburg schreibt Bewohner von Betriebswohnungen in Oberstenfeld und Großbottwar an. Ihnen droht der Rausschmiss, weil die Wohnung im Gewerbegebiet nicht mehr einem Betrieb dient. Die Behörde will jedoch angemessen vorgehen.

Oberstenfeld/Großbottwar - Der Bauunternehmer Dietmar Deuring hat ein Problem. Die Firma seiner Eltern aus dem Jahr 1975 im Gewerbegebiet Lichtenberger Straße in Oberstenfeld gibt es schon lange nicht mehr. Nach dem Verkauf des Betriebs wohnte Deurings Mutter bis zum Tod noch einige Jahre in der Wohnung. „Das hätte sie schon eigentlich nicht gedurft, sie war ja keine Betriebsinhaberin mehr“, erzählt Deuring. Und schildert sein Problem: Er hat das Firmengelände verkauft, muss aber schauen, was er mit der alten Betriebswohnung macht – denn der neue Unternehmensinhaber wohnt in einem eigenen Haus an anderer Stelle.

Einen Plan B hat Deuring inzwischen gefunden: „Mir ist klar, dass ich das Gebäude als Bürofläche gewerblich vermieten muss.“ Aber damit gibt sich der Oberstenfelder, der früher für eine Liste im Gemeinderat saß und gewohnt ist, politisch zu denken, nicht zufrieden. „Eigentlich müssten die bestehenden Gesetze an die Bedürfnisse in solchen Gebieten angepasst werden“, sagt er. Längst wohnten auch in vielen anderen Betriebsgebäuden nicht mehr die Inhaber der früheren Firmen. Manche hätten ihr Unternehmen verkauft, würden aber weiter das Gebäude bewohnen. Auch würden Immobilien zum reinen Wohnen vermietet. Deuring selbst hat in der Betriebswohnung, in der früher seine Mutter lebte, eine alleinerziehende Sozialhilfeempfängerin mit zwei Kindern untergebracht. „Ich bekomme jeden Monat die Miete vom Landratsamt überwiesen, aber eigentlich dürfte das Amt das Wohnverhältnis gar nicht zulassen.“ Auch habe das Landratsamt in dem Gewerbegebiet eine Asylbewerberunterkunft in Betrieb genommen. Dort werde ebenfalls gewohnt.

Rechtlich ist das Wohnen in Gewerbegebieten klar geregelt. Das sogenannte „betriebsbedingte Wohnen“ müsse eine Ausnahme bleiben, heißt es in einer Stellungnahme des Landratsamtes Ludwigsburg. Das Wohnen sollte eigentlich nur wegen des jeweiligen Gewerbes notwendig sein. Mit anderen Worten: Während es auf dem großen Werksgelände eines Automobilkonzerns eine Hausmeisterwohnung geben darf, ist es in einem Gebäude mit einer kleinen Werkstatt für Retrofahrzeuge nicht nötig. Und auch das Ausmaß des Wohnens ist klar geregelt: Bei einer Grundfläche von beispielsweise 1000 Quadratmetern darf die Wohnung nicht mehr als 499 Quadratmeter groß sein – sie gilt dann rechtlich als „dem Gewerbebetrieb in Grundfläche und Baumasse untergeordnet“.

Theoretisch ist das Wohnen im Gewerbegebiet billiger als im Wohngebiet: So liegt der Bodenrichtwert für einen Quadratmeter gekauftes Bauland in einem Oberstenfelder Neubaugebiet derzeit bei 250 bis 285 Euro – dagegen kostet ein Quadratmeter in einem solchen Gewerbegebiet nur 100 bis 110 Euro.

Das Landratsamt Ludwigsburg achtet verstärkt darauf, dass diese Vorschriften eingehalten werden. „Wir müssen aber den Einzelfall betrachten und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten“, sagt Frank Wittmer, Pressesprecher des Landratsamtes. Zu Unrecht Wohnenden werde eine angemessene Frist eingeräumt. Klar sei: Wer etwa Monteure einquartiert hat, kann relativ kurzfristig gezwungen werden, dieses Mietverhältnis aufzugeben. Wohnt jedoch der langjährige Ex-Chef oder dessen Frau noch im ehemaligen Betriebsgebäude, werde dieser Person eine viel längere Frist eingeräumt. Oder die Behörde wartet, bis der ältere Bewohner etwa wegen seines gesundheitlichen Zustands zu Kindern oder ins Pflegeheim zieht.

Dass dies nicht nur Gedankenspiele sind, zeigt sich in einem derzeit laufenden Parallelverfahren in Großbottwar. Dort sind etwa zehn Nutzer von Betriebswohnungen gemeldet worden. Sie werden derzeit angehört.

„Im Unrecht gibt es keine Gleichheit“, sagt Frank Wittmer. „Wenn wir unberechtigtes Wohnen in einem Gewerbegebiet feststellen, greifen wir diese Fälle auf.“ Konkrete Ergebnisse seien jedoch nicht in kurzer Zeit möglich. Widersprüche und Rechtsschutz verhinderten dies in aller Regel. Auch haben Landratsämter oft nicht genügend Personal, um Missbräuche aus eigener Initiative aufzudecken.


Lesen Sie dazu den Kommentar unseres Redakteurs Oliver von Schaewen zum Thema https://www.marbacher-zeitung.de/inhalt.kommentar-zum-thema-wohnen-in-gewerbegebieten-konsequent-aber-mit-augenmass.1f0372d2-3252-49b1-aa09-297f7d846a04.html