Zu Gast in der Traube in Gronau Foto: Michael Raubold Photographie

Die Traube ist eine Gaststätte vom alten Schlag – und nur möglich, weil alle anpacken.

Oberstenfeld-Gronau - Das heiße Fett zischt in der Pfanne. Am Herd staut sich die Hitze bei gefühlten 50 Grad. Geschickt führt Anke Niederdorfer die panierten Schnitzel mit einer Gabel den Tellern entgegen. Die Köchin und Chefin des Gronauer Gasthauses Traube schaut noch mal kurz auf die Bestellbons an der Wand, wenig später sind die Gerichte weg. Tochter Lena hat die Schnitzel in die Wirtschaft gebracht.

Es ist ein emsiges Hin und Her, das keinen Stillstand duldet. Benutztes Geschirr wird schnell hereingetragen und verschwindet dank helfender Hände ebenso rasch in einer Spülmaschine. Der Kreislauf darf nicht stocken, an diesem Donnerstag gegen 19 Uhr heißt es in der Traube-Küche an allen Ecken und Enden anpacken. Es ist einer der letzten warmen Sommerabende im Gasthaus. Drinnen und draußen sind viele der insgesamt 120 Plätze belegt.

Was die Gäste an dem Wirtshaus mit der angegliederten Metzgerei an der Gronauer Hauptstraße finden, erzählen sie ganz freimütig. „Das Essen und die Bedienung sind gut“, meint Siegfried Göhring, ein Senior aus Winzerhausen, der mit Margot Wippert und Ottilie Brosi, einer Verwandten der Wirtsfamilie, an einem Tisch sitzt. „So Weinstuben sterben langsam aus“, sagt er und ist froh, dass es diesen Anlaufpunkt im Bottwartal gibt. „Was sollen wir auch mit diesen hypermodernen Dingern?“, fragt er und spielt damit auf piekfeine Restaurants an, in denen eine steife Atmosphäre vorherrscht. Auch ein heimeliger Besen mit Sauerkrautflair ist für die Drei keine Alternative: „So einen guten Rostbraten wie hier gibt es nirgends“, schwört Ottilie Brosi.

Die familiäre Atmosphäre in der Traube entsteht nicht von selbst. Es fällt auf, dass die Bedienungen trotz des Andrangs immer wieder ein freundliches Wort mit den Gästen wechseln und sich um die Tischgemeinschaften kümmern. „Es ist alles sehr persönlich hier“, sagt Rosita Rödemer, die mit ihrer Freundin Margarete Löschmann aus Beilstein herübergekommen ist und sogar ihren kleinen Hund unter dem Tisch ruhen lassen darf. „Die Jungen und Mädchen, die hier bedienen, sind sehr freundlich – da fehlt auch im Stress nicht das Danke oder Bitte“, erzählt Rosita Rödemer. Die beiden Frauen kommen eigentlich immer einmal, wenn das Gasthaus zehn Tage lang in einem Monat öffnet.

Die Beschränkung auf ein Drittel der Zeit ist für die Familie Niederdorfer ein Kompromiss. Sie betreibt nebenan eine Metzgerei und ist da schon voll gefordert. Warum sie sich den Stress antut, auch noch abends im Gasthaus zu arbeiten? „Es bedeutet uns einfach etwas, wenn die Leute sich freuen und sagen, dass wir ein gutes Essen für sie gemacht haben“, sagt Anke Niederdorfer in einer ihrer kurzen Pausen. Ihr Mann Harald Niederdorfer bestätigt: „Uns macht das einfach Spaß.“ Weil auch die drei Kinder Max (23), Lena (22) und Luisa (15) mitziehen und ihre Freunde zum Bedienen mitbringen, wird die Dorfwirtschaft zum Schmelztiegel des gemeinsamen Fleißes. „Wir lassen die Mama nicht hängen, wir sind schließlich eine Familie,“, bestätigt Luisa, die an diesem Abend frei hat und vom Papa zum Handballtraining nach Backnang gefahren wird.

Die Gemeinschaft mit den Gästen ist das, was für die langjährige Wirtin Valentine Brosi zählt. Die 83-Jährige nimmt sich viel Zeit, um ihrer Tochter im Wirtsraum den Rücken frei zu halten und in der Küche mit anzupacken. „Man muss es gerne machen“, sagt sie, die mit ihrem Mann Otto 1957 die Metzgerei eröffnet und 38 Jahre lang mit dem Wirtshaus betrieben hat. „Die Traube ist auch meiner Tochter ans Herz gewachsen, sonst hätte sie sie nicht übernommen“, sagt sie, die Wert darauf legt, „dass sich die Gäste a bissele wie dahoim“ fühlen. Da wurde es früher auch mal spät, wenn die Landwirte im Wirtsraum saßen und vor Feierabend noch die Geigel-Karten zückten. „Man muss die Gäste nicht lieben, aber man muss sie mögen“, sagt Valentine Brosi, die es nicht zu spät werden ließ, denn am Morgen rief ja immer auch noch die Arbeit in der Metzgerei.

Überaus dankbar für den Einsatz aller helfen Hände in ihrem Wirtshaus ist die Chefin Anke Niederdorfer, die den Job jetzt eineinhalb Jahre macht, nachdem das Lokal acht Jahre lang verpachtet war. „Kein Gast muss länger als eine halbe Stunde auf das Essen warten, selbst wenn es sehr voll ist“, erzählt sie. Das Vertrauen ihrer Kunden hat die Familie, auch weil das Fleisch aus der Metzgerei immer frisch komme. So gibt es an bestimmten Tagen bestimmte Gerichte: dienstags die Kalbsleber, mittwochs saure Nierle, donnerstags Fleischküchle und freitags Kalbshaxe. Wildgerichte und Vegetarisches kommen ebenso zum Zuge wie die schwäbischen Klassiker. Beim Wein kennt die Familie keinen Kompromiss. Harald Niederdorfer betont: „Die Weine kommen aus der Region – wir haben schließlich Freunde, die ein Weingut haben und bei uns auch ihr Fleisch kaufen.“