Das Geburtshaus wird von der Organisation „Mother Health International“ in Atiak, einem Ort etwa 20 Kilometer zur Grenze zum Südsudan, betrieben. Foto: Adriana Titze

Adriana Titze hat drei Monate lang in einem Geburtshaus in Uganda gearbeitet.

Oberstenfeld - Drei Monate Uganda. Drei Monate fern ab der Heimat leben und arbeiten. Ein Abenteuer, das Adriana Titze nicht missen möchte. Denn die Zeit auf dem afrikanischen Kontinent hat das Leben der 25-Jährigen nicht nur bereichert, sondern auch verändert. Für sie, ebenso wie ihre Wegbegleiterinnen, steht fest: Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass sie als Hebamme dort Geburtshilfe geleistet hat.

Den Plan, nach der Ausbildung zur Hebamme, ins Ausland zu gehen, um Kinder auf die Welt zu bringen und andere Seiten als die klassische deutsche Schulmedizin kennenzulernen, hatte Adriana Titze zusammen mit zwei anderen jungen Frauen schon während ihrer Ausbildung zur Hebamme in Villingen-Schwenningen gefasst. Ein Projekt in Afrika sollte es sein. Als eine Bekannte der Oberstenfelderin und zwei Kolleginnen vom Ot Nywal Me Kuc, dem Haus der Geburt und des Friedens, das von der Organisation „Mother Health International“ in Atiak, einem Ort etwa 20 Kilometer an der Grenze zum Südsudan betrieben wird, erzählte, war für die Drei klar, wohin ihr Weg führen soll.

Seit Mitte Juli sind die jungen Hebammen zurück in Deutschland. Der Alltag hat sie längst wieder. Die eine arbeitet in Zürich, die andere im Schwarzwald und Adriana Titze am Klinikum Winnenden. Doch wirklich los lässt die Zeit in Uganda keine. „Mein Traum ist es, wieder dort hinzugehen“, sagt Adriana Titze und bekommt leuchtende Augen. „Ab und zu mal eine Woche dort arbeiten – das holt dich wieder auf den Boden zurück“, ist sie sich sicher. Und es rückt die Perspektive zurecht. „Die drei Monate haben uns Zeit gegeben, über das Leben hier nachzudenken und dann auch wahrzunehmen, in welch brutaler Konsumgesellschaft wir hier in Deutschland eigentlich leben.“

Vor dem Abflug von Stuttgart über Istanbul nach Kampala, der Hauptstadt Ugandas, haben sich Adriana Titze und ihre beiden Kolleginnen Gedanken gemacht, was sie an Nützlichem für das Geburtshaus mitnehmen könnten. Nabelklemmen, Absauger, ein Gerät, mit dem die Herztöne des Ungeborenen abgehört werden können, wurden eingepackt. „Außerdem sammelten wir Geldspenden. Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, 100 Euro zusammen zu bekommen“, erzählt die 25-Jährige. „Am Ende waren es ein paar tausend Euro.“ Derzeit hat das Geburtshaus fünf nur durch Vorhänge getrennte Räume. Die frisch gebackenen Mütter müssen das Haus allerdings 24 Stunden nach der Geburt wieder verlassen. Das soll sich durch den Bau eines Wochenbetthauses ändern.

Nach der Ankunft in der 1,5-Millionen-Einwohner-Stadt am Victoriasee, dem größten See Afrikas, haben sich die Drei erst einmal vier Tage lang in der Hauptstadt akklimatisiert. „Wir kamen in der Regenzeit an – es hatte eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit bei 20 bis 30 Grad.“ Acht Stunden dauerte die Busfahrt nach Atiak, der Stadt im Norden des Landes, in der das Geburtshaus steht. „Je mehr wir Richtung Südsudan kamen, desto ärmlicher wurde es“, erinnert sich Adriana Titze.

Am Haus des Friedens wurden die deutschen Kolleginnen sehnsüchtig erwartet und herzlich begrüßt. „Die Menschen dort sind an Gastfreundschaft nicht zu übertreffen.“ Kaum angekommen ging es dann auch gleich los mit der Arbeit. Drei fest angestellte ugandische Hebammen halten das Geburtshaus am Laufen. Ein Arzt? Fehlanzeige. „Die gibt es nur im Krankenhaus, das rund eineinhalb Stunden von Atiak entfernt ist.“

Jeden Samstag kommen so genannte traditionelle Hebammen aus den umliegenden Dörfern ins Geburtshaus, um sich von den drei Deutschen schulen zu lassen. Es ist ein für beide Seiten bereicherndes Miteinander. „In vielen afrikanischen Ländern dürfen die traditionellen Hebammen gar nicht arbeiten, aber in Uganda ist das anders und sie bringen auch viele Frauen aus den Dörfern ins Geburtshaus.“

29 Jungs und 21 Mädchen hat Adriana Titze in den drei Monaten auf die Welt gebracht. Jedes Kind bekommt eine ID-Nummer. „Es gab Tage, an denen kein Kind geboren wird, und dann gab es Tage an denen eins nach dem anderen kam.“ Ihr Beruf, sagt die Oberstenfelderin, sei einfach wundervoll. „Vor allem sahen wir hier, wie toll die Frauen instinktiv bei Geburt und beim Stillen handeln.“

Der Tod eines Kind beschäftigt die 25-Jährige noch heute – denn ausgerechnet an ihrem eigenen Geburtstag konnte sie ein Kind nicht retten. „Die Mutter war auf einem Moped auf dem Weg zu uns und brachte das Baby unterwegs zur Welt. Als sie ankam war es schon tot. Wir haben versucht, es zu reanimieren und fuhren in die Klinik, aber dort gibt es keine Geräte für Kinder zum Intubieren. Das Neugeborene, der kleine David, hatte keine Chance“, erzählt die 25-Jährige.

AuchAdriana Titze selbst machte kurz vor ihrer Abreise noch Bekanntschaft mit der medizinischen Versorgung im dortigen Krankenhaus. „In der letzten Woche sind zwei von uns sehr krank geworden“, erzählt sie. „Wir hatten uns Darmbakterien eingefangen und lagen mit 42 Grad Fieber drei Tage lang in der Klinik. Wir waren raus aus dem Leben.“ Die Freunde dort sind für die Drei zu Familie geworden. „Man ist nie alleine, gerade in den letzten Tagen, als wir krank wurden, kümmerten sich alle rührend um uns.“

Inzwischen sind sie alle wieder drin im Leben. Mittendrin. Und das soll sie möglichst bald wieder zurück nach Uganda führen. „Es war für mich bis jetzt die schönste Zeit meines Lebens.“