Unabhängig von der Rasse kann für jeden „Beißer“ Maulkorb und Leinenzwang angeordnet werden. Bernhard Sinn, Monika Spieck-Kächele Foto: dpa

Nach der Bissattacke besteht das Bedürfnis nach Austausch und Information.

Oberstenfeld/Beilstein - Nach der Bissattacke, bei der ein Kleinkind schwer verletzt worden ist (wir berichteten), haben Beilstein und Oberstenfeld eine Informationsveranstaltung zu „Hundehaltung und gefährliche Hunde“ angeboten. Rund 80 Zuhörer waren am Mittwoch in den Oberstenfelder Stiftskeller gekommen. „Die zahlreiche Teilnahme ist ein Zeichen dafür, dass ein Bedürfnis nach Austausch und Information bestehen“, so der Beilsteiner Bürgermeister Patrick Holl.

„Wir wollen nicht, dass Menschen Angst vor Hunden haben müssen, wir wollen aber auch nicht alle Hundehalter unter Generalverdacht stellen“, begrüßte der Oberstenfelder Kollege Markus Kleemann die Runde aus Hundehaltern und „normalen“ Menschen. Nach der informativen Einführung von Bernhard Sinn, dem Leiter der Polizeihundeführerstaffel Ludwigsburg, wurde rege diskutiert, wobei auch die Leiterin des Veterinäramtes Ludwigsburg Monika Spieck-Kächele und der Oberstenfelder Hundetrainer Benjamin Merx viele Fragen beantworteten.

Zum aktuellen Fall könne er keine weiteren Auskünfte geben, so Polizeikommissar Alexander Fleischmann, da der Fall an die Staatsanwaltschaft gegangen sei. Man habe aber nicht gewusst, ging Holl auf eine Frage ein, dass der Hund schon einmal zugebissen habe. Man könne nur reagieren, wenn die Haltung eines Kampfhundes bekannt sei. „Daher ist es gut, wenn Sie uns informieren, wenn Ihnen etwas auffällt.“

Die „Kampfhundeverordnung“ sei etwas willkürlich, gab Sinn zu bedenken. In Bayern werde der Rottweiler aufgeführt, hier im Ländle nicht. „Jeder Hund kann gefährlich werden. Es ist der Mensch, der den Hund aggressiv macht. Auch ein Schäferhund kann extrem zubeißen.“ Problematisch seien die Hundehalter, die ein Problem mit ihrem „männlichen Ego“ haben. „Die melden ihren Hund nicht an und scheren sich auch nicht drum, ob andere Angst haben. In den falschen Händen kann jeder Hund zur Waffe werden.“

Verantwortungsvolle Hundehalter, davon waren einige auch aus umliegenden Gemeinde gekommen, würden ihr Tier erziehen und darauf achten, dass es niemanden gefährlich nahe kommt. Die Vorsitzende des Boxerclubs auf dem Lichtenberg Ina Wiedmann lud alle Hundehalter zum Training ein.

Beim Wesenstest würden die Reizschwelle der Hunde mit fuchtelnden Regenschirmen und vorbeifahrenden Radfahrern getestet, erklärte Monika Spieck-Kächele. Ein verbindlicher „Hundeführerschein“ würde helfen, auch die artgerechte Haltung zu prüfen.

Ein Zuhörer meinte: „Ich habe Angst, und ich kenne viele, denen es auch so geht.“ Wenn einem ein Hund entgegenkomme, wisse man ja nicht, ob der Halter ein Training absolviert habe. Hanns-Otto Oechsle plädierte für einen Leinenzwang in hoch frequentierten Gebieten und appellierte an die Hundehalter, Bereiche mit vielen Kindern wie rund ums Freibad generell zu meiden.

Bianca Konz aus Erdmannhausen wünschte sich Schulungen für die Behördenmitarbeiter, damit diese zwischen echten Kampfhunden und harmlosen Vertretern unterscheiden lernen. „Wir verantwortungsvollen Halter müssen aushalten, was andere verbocken“, für diese Aussage bekam sie viel Applaus. Es sei riskant, einen Hund aus dem Tierheim zu holen, ohne genau über die Rasse Bescheid zu wissen, berichtete eine andere Hundehalterin. „Viele wissen nicht, auf was sie sich da einlassen.“

Ulrike Kemmer, Leiterin der Lichtenbergschule, meinte: „Angst ist ein schlechter Ratgeber.“ Mit dem Schulhund lernen Kinder den richtigen Umgang mit den Vierbeinern. „Eltern sollten ihren Kindern beibringen, nicht wahllos auf Hunde zuzugehen“, ergänzte Hundetrainer Benjamin Merx. Und sollte ein Hund tatsächlich angreifen, dürfe man sich selbstverständlich wehren, stellte Polizist Bernhard Sinn klar.