Die Erzieherinnen nutzen die Zeit auch für die Verschönerung ihres Kindergartens. Foto:  

Die Notbetreuung im Kindergarten Sudetenstraße in Steinheim birgt Herausforderungen – und Chancen. Wo sonst bis zu 100 Kinder betreut werden, sind jetzt gerade einmal 23 Schützlinge.

Steinheim - Der erste Schritt in den Kindergarten Sudetenstraße in Steinheim lässt den Besucher verwundert umherblicken. Es ist nämlich auffallend ruhig in dem bunten, kreativ dekorierten Gebäudekomplex, der 2020 um einen großzügigen Neubau erweitert worden ist. Seitdem dürften jetzt eigentlich insgesamt 100 Kinder vor Ort betreut werden. Zuvor waren es nur 50. Es ist tatsächlich derzeit so ruhig, dass sich manch ein Kind, das derzeit die Notbetreuung besucht, offensichtlich längst an den niedrigen Geräuschpegel gewöhnt hat. Die kleine Thea jedenfalls stört sich durchaus an dem Geschrei einer ihrer Spielgefährten, die sich für einen Regenspaziergang rüsten, und ruft entschlossen: „Mir ist das zu laut.“

Der Alltag hat sich auf 23 Kinder reduziert

Den Erzieherinnen der Steinheimer Einrichtung aber fehlen trotz allem die übrigen Schützlinge, die an „normalen“ Tagen auf die Zahl 72 kommen. Doch normal ist in Pandemiezeiten gar nichts: Die Kita-Managerin Sandra Maus bekommt das täglich zu spüren. Seit dem 26. April hat die Notbetreuung im Lockdown die Oberhand gewonnen – und die hat ihre ganz eigenen Spielregeln.

Auf 23 Kinder, deren Eltern den Bedarf auf Betreuung nachweisen müssen, hat sich der Alltag reduziert, der ansonsten für ein lebhaftes und buntes Miteinander steht. Manche Anforderungen und vor allem auch die Kümmernisse haben dadurch heftig zugenommen.

Dreimal mussten Gruppen bislang in Quarantäne

„Es ist ein zweischneidiges Schwert“, erklärt Sandra Maus die Situation, die auch ohne Notbetreuung mit dem seit Monaten gültigen strengen Hygienekonzept, dem morgendlichen Fiebermessen und dem elternfreien Kontakt schon schwierig genug war. „Ich muss Sorge dafür tragen, dass sich das Personal nicht ansteckt“, betont Maus. Die Erzieher haben sich dazu entschieden, innerhalb der eigenen Gruppe ohne Maske zu arbeiten: „Der Kinder wegen, die auf die Mimik angewiesen sind.“ Dreimal hat die Leiterin es schon miterlebt, dass eine Gruppe plus Betreuer in Quarantäne musste. „Da hat sich die starre Aufteilung in aktuell drei Gruppen aber doch sehr bewährt“, hält Maus fest, die ansonsten beklagt, dass alle Planungen pandemiebedingt über Bord geworfen und komplett umstrukturiert werden mussten.

Sorge um gewisse Kinder

„Besonders tut uns in der Seele weh, dass die meisten unserer Schützlinge zuhause bleiben müssen, obwohl sie den Kindergarten vom zwischenmenschlichen Kontakt her so dringend bräuchten. Ich denke da insbesondere auch an unsere Migrantenkinder, allein schon wegen der Sprache“, führt die Leiterin aus. Manche Kinder hatten offensichtlich besonderes Pech: frisch in der Eingewöhnungsphase, mussten sie kurz darauf wieder zuhause bleiben: „Nach dem Lockdown kommen sie dann zum zweiten Mal in diese für sie schwierige Phase, sich erneut eingewöhnen zu müssen. Aber wir haben auch Kinder erlebt, die vorher Probleme hatten, nach der Pause aber gereift gerne in den Kindergarten gehen, weil sie gespürt haben, wie sehr sie ihre Freunde vermissen.“

Arbeit nicht mehr „Spitz auf Knopf“

Ein positiver Effekt der Notbetreuung aber sei, dass die Erzieherinnen nun Zeit für Dinge haben, die sonst eher an den Rand gedrängt werden. „Wir arbeiten ja meist Spitz auf Knopf“, sagt Sandra Maus, die den Kolleginnen Jana Knobloch und Laika Jungwirth dabei zuschaut, wie sie sich auf die Kinder einer vierten Gruppe, die sie ab September im Neubau betreuen werden, akribisch vorbereiten. „Momentan ist alles in dieser großen Kiste“, erklären die Erzieherinnen, die mit hübschen Bastelarbeiten auch „ein bisschen Leben in das neue, noch unbenutzte Bad bringen wollen“. Die neu gewonnene Zeit wurde obendrein dafür genutzt, um neue Möbel zu bestellen, Spielmaterial auszusuchen, Türschilder anzufertigen und Verkleidungssachen zu waschen.

Andere Kollegen sind beispielsweise damit beschäftigt, die Ich-Bücher auf Vordermann zu bringen. Ein Ich-Buch ist eine Art Portfolio für jedes Kind, das die Erzieherinnen schreiben – also ein steter Begleiter durch die Kindergartenzeit. Sorgsam aufgereiht stehen die Ordner, auf denen jeweils das Foto eines Kindes zu sehen ist, im Regal. Fakt ist zudem: die Kids, die jetzt da sind, erhalten natürlich auch eine intensive Förderung. Zudem tue einigen die Kleingruppe ziemlich gut: „Was aber fehlt, sind Elterngespräche, Gespräche am Runden Tisch sowie Nähe.“

Frust der Eltern entlädt sich am Personal

Sandra Maus ist trotz der widrigen Umstände, dazu zählen der gestiegene Verwaltungsaufwand, Umstrukturierungen und die Tatsache, dass „wir den Frust der Eltern abbekommen“, froh darüber, dass wenigstens der Notbetrieb aufrechterhalten bleibt. „Jeder von uns will ans Kind, das haben wir schließlich gelernt“, äußert sich Maus fast melancholisch. Doch noch ist Durchhalten angesagt: Drei Abholstationen sollen den Umgang mit den wartenden Eltern erleichtern. Zweimal pro Woche werden alle Anwesenden durchgetestet. Ein Austausch zwischen den einzelnen Gruppen findet nicht statt. Das bedeutet auch, dass jede Gruppe nicht nur einen eigenen Raum, sondern auch eine festgelegte Zeit hat, um in dem völlig neu gestalteten Garten spielen zu können. Die Toilettenräume weisen mit farblichen Zuordnungen darauf hin, welcher Klositz und welches Waschbecken von welchen Kindern benutzt werden darf.

Bei dem zweigeschossigen Neubau ist das zum Glück etwas unkomplizierter. Dort sind die Waschräume der beiden Gruppen ohnehin räumlich getrennt. Außerdem ist Gruppe Rot, die ab September Leben in die Bude bringen wird, noch nicht da. Bedauerlich ist für die Mannschaft aber entschieden eines: Bislang gab es noch keine offizielle Neueröffnung. Und auch andere Feierlichkeiten müssen bis auf Weiteres flachfallen.