Das Wellarium sowie die Bereiche Steinbeis- und Beethovenstraße könnten an das Wärmenetz angedockt werden. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Die Stadt arbeitet an einem Projekt zu einem Nahwärmenetz, das es so wohl noch nicht gegeben hat.

Steinheim - Die Nachrichten zum Coronavirus überlagern gerade nahezu alle anderen Themen. Das ist auch dem Steinheimer Bürgermeister Thomas Winterhalter bewusst. Darüber will er aber nicht aus dem Blick verlieren, dass nach Covid-19 eine andere Herausforderung nicht plötzlich aus der Welt verschwunden sein wird: der Klimawandel mit all seinen teils gravierenden Auswirkungen. Aus dem Grund will die Stadt auch in diesen schwierigen Zeiten ein Projekt forcieren, mit dem man mindestens in der hiesigen Raumschaft absolutes Neuland betritt und mit dem man den CO2-Ausstoß reduzieren könnte: Die Kommune strebt an, perspektivisch ganze Wohnquartiere von der Heizzentrale auf dem Schulcampus aus mit Wärme zu versorgen.

Idee entstand bei einem Ortstermin
Die Idee dazu entstand, als Winterhalter und Anselm Laube, der Geschäftsführer der Ludwigsburger Energieagentur (LEA), im vergangenen Sommer die Holzhackschnitzelanlage an der Riedhalle und das Wellarium unter die Lupe nahmen. Bei der Gelegenheit habe man sich gefragt, ob sich das Freibad und womöglich sogar bestehende Wohngebiete an die Heizzentrale andocken ließen, erzählt der Rathauschef. Hintergrund der Überlegungen war, dass beim Wellarium im Sommer zugeheizt werden muss. Und bei Quartieren, die schon einige Jahre auf dem Buckel haben, gehe es irgendwann darum, die Häuser zu sanieren. Dabei müssten die Vorgaben der Energieeinsparverordnung berücksichtigt werden, erklärt Winterhalter. Besitzer können dann unter anderem ihre Gebäude besser dämmen – oder aber künftig auf Nahwärme setzen. „Ich denke, das wäre hier eine attraktive Alternative“, sagt Thomas Winterhalter. Zumal man bei dieser Technik „weniger Platz im Haus braucht“ und zum Beispiel, falls vorhanden, auf einen Öltank verzichten und diesen ausbauen könne.

Die für das Projekt benötigte Wärme soll zum einen über die vorhandene Holzhackschnitzelanlage gewonnen werden, die vielleicht noch erweitert werden könnte, wie der Rathauschef erklärt. Zum anderen, und das ist der eigentliche Clou, will man auf so genannte Solarthermie-Kollektorfelder setzen. Dabei geht es darum, auf ohnehin schon versiegelten Flächen aufgeständerte Fotovoltaikzellen aufzustellen. „Dafür hätten wir diverse Flächen in dem Gebiet“, sagt der Bürgermeister und erinnert unter anderem an die Parkplätze an der Riedhalle oder beim Wellarium. Wobei die Stellmöglichkeiten nicht wegfallen. Sie werden stattdessen mit einer Konstruktion überbaut, auf der die Kollektoren aufgebracht werden können. Dadurch gelinge es nebenbei sogar, die Parkplätze zu beschatten, erläutert Winterhalter. Denkbar sei natürlich, weitere alternative Energiequellen zum Betrieb des Wärmenetzes einzuspannen.

Beheizt werden könnten darüber zunächst das Wellarium sowie die Bereiche an der Steinbeisstraße und der Beethovenstraße. Laut einer ersten Schätzung wäre es möglich, dabei theoretisch 350 Wohngebäude an das Netz anzudocken, berichtet Winterhalter. Man gehe derzeit von einer Anschlussquote von 65 Prozent aus. Weitere Areale könnten später nach und nach hinzukommen.

70 Prozent der Kosten sind förderfähig
Wann das erste Haus diese klimafreundliche Energie anzapfen kann, lasse sich nicht exakt prognostizieren, sagt der Bürgermeister. Ihm schwebt aber eine mittelfristige Umsetzung vor. In einem ersten Schritt müsste jedoch der Gemeinderat von all dem überzeugt werden. Von dem Gremium würde sich die Verwaltung in der Sitzung am Dienstag, 19.  Mai, gerne das grundsätzliche Okay holen. Außerdem wird der Runde vorgeschlagen, einen Förderantrag für das Projekt einzureichen. Die Grundlagen dafür soll die Energieagentur ausarbeiten, die auch schon für ein erstes Positionspapier zu dem Thema mit dem Namen „Solnet Steinheim“ verantwortlich zeichnet. Würde man die vertiefende Bewerbung im Sommer einreichen, sei in der zweiten Jahreshälfte mit einem Bescheid zu rechnen, sagt der Bürgermeister. „Das ist eine hochattraktive Förderkulisse“, betont er. Das bestätigt Anselm Laube, Geschäftsführer der LEA. 70 Prozent der Kosten seien förderfähig. Rund fünf Millionen Euro könnten damit nach Steinheim fließen. „Aber jetzt geht es nur um die Grundsatzentscheidung und den Beschluss, einen Förderantrag einzureichen. Das ist kein Baubeschluss“, betont Thomas Winterhalter.

Ein Projekt mit völlig neuem Ansatz
Solnet Steinheim heißt das Projekt, mit dem sich – so der Gemeinderat zustimmt – die Stadt auf Fördermittel vom Bund bewirbt. Etwa sieben Millionen Euro würde die Umsetzung kosten. Im Gegenzug winken Zuschüsse von rund fünf Millionen Euro. „Dafür muss man aber auch mit einem innovativen Projekt an den Start gehen, das es so noch nicht gibt“, erklärt Anselm Laube, Geschäftsführer der Ludwigsburger Energieagentur (LEA), die das Vorhaben betreut. „Es würde zum Beispiel nicht reichen, mit einem Kollektorenpark ins Rennen zu gehen. Damit hat Ludwigsburg schon erfolgreich am Vorgängerwettbewerb teilgenommen“, sagt der LEA-Chef.

Deshalb hat man sich für Steinheim einen ganz besonderen Ansatz überlegt, der aus drei Komponenten besteht. Ziel ist, vom Schulzentrum aus ein Nahwärmenetz aufzubauen, das sich zunächst dadurch auszeichnet, dass es über viele erneuerbare Energien betrieben wird: eine bestehende Holzhackschnitzelanlage, eine Wärmepumpe und eine Palette von Solarthermie-Kollektorfeldern, die auf bereits versiegelten Flächen entstehen sollen. Punkt zwei des Konzepts ist, dass die Temperatur in dem Netz vergleichsweise niedrig sein wird. Das ist zwar effizient, hat aber zur Folge, dass beim Abnehmer kein warmes Trinkwasser im großen Stil auf Vorrat warmgehalten werden kann.

Die Lösung sieht so aus, dass das benötigte heiße Wasser dann zur Verfügung gestellt wird, wenn es tatsächlich benötigt wird. Als dritten Baustein hat Anselm Laube ein Blockheizkraftwerk vorgesehen, in dem Strom nur dann produziert wird, wenn er auch gebraucht wird. Die anfallende Wärme wird nicht abgeleitet, sondern in Wassertanks gespeichert. „Diesen Ansatz hat es in der Kombination noch nicht gegeben“, sagt Laube.