Im Krimi mag es der Autor Oliver von Schaewen manchmal düster, öfter aber humorvoll. Foto: Dominik Thewes

Oliver von Schaewen veröffentlicht im Gmeiner-Verlag seinen vierten Roman, der an ein Werk von Friedrich Schiller anknüpft.

Marbach - Als Redakteur dieser Zeitung ist Oliver von Schaewen seit 23 Jahren dem Lokaljournalismus verpflichtet. Nebenbei schreibt er Krimis – und wie könnte es in Marbach anders sein: Friedrich Schiller ist sein Komplize. Warum von Schaewen sich jedes Mal ein anderes Werk des Dichters vornimmt und worin im neuen Krimi für ihn die Herausforderung bestand, erzählt er im Interview.

Um was geht es in Ihrem neuen Krimi?

Es geht um die Liebe. Die große Liebe - so wie in Schillers „Kabale und Liebe“, als Ferdinand und Luise versuchten, über Standesgrenzen hinaus zu heiraten, aber scheiterten.

Wo liegen heute die Standesgrenzen?

Juristisch gibt es heutzutage diese Grenzen zwischen Adel und Bürgertum nicht mehr. Pech für mich, aber gut für die Gesellschaft (von Schaewen schmunzelt). Standesgrenzen verlaufen heute anders: Wie sieht es etwa aus, wenn ein Geflüchteter in eine schwäbische Sippe oder gar in eine Industriellenfamilie einheiraten will? Diese Frage war der Ausgangspunkt zu meinem Krimi.

Und wer wird umgebracht?

Damit möchte ich Sie nicht belasten.

Okay - aber ein bisschen was können Sie doch verraten. Wie geht es Ihrem Kommissar, Peter Struve?

Der ist immer noch ein Querkopf und Außenseiter. Jetzt ist er auch noch bei der Polizei rausgeflogen und muss sich in einer Shopping-Mall als Ladendetektiv verdingen.

Warum dieser Niedergang?

Struve ist schon immer jemand gewesen, der aneckt. Warum ist er geflogen? Eine der vielen Fragen, die beim Lesen hoffentlich wach halten. Da gibt es aber natürlich noch mehr: Warum erinnert sich Struve immer wieder an seine türkische Jugendliebe Sengül? Warum läuft der alte Narr so zweifelnd-verkopft hinter der Buchhändlerin Carina her? Und warum mischt Struve aus der Tiefgarage heraus die Belegschaft des Einkaufszentrums auf? Das sind die zentralen Fragen.

Passiert im Ludwigsburger Einkaufszentrum auch der Mord?

Da passiert einiges. Struve mutiert zu einer Art Klassenkämpfer wider Willen. Er setzt sich für ausgebeutete Verkäuferinnen ein und bietet dem Zentrumsmanagement die Stirn, indem er einen Betriebsrat gründen will. Es geht also rund – und ja, dort ereignet sich auch der Mord.

Klingt ja mehr nach Karl Marx als nach Friedrich Schiller.

Sie hatten mich nach Standesgrenzen gefragt . . . aber es gibt auch jede Menge Schiller im Krimi. Zum Beispiel versucht eine Gruppe Flüchtlinge, „Kabale und Liebe“ aufzuführen. Und der Leser darf bei den Proben Mäuschen spielen.

Muss man „Kabale und Liebe“ gelesen haben, um Ihren Krimi zu verstehen?

Nein. „Kabale und Liebe“ haben zwar viele in der Schule gelesen, aber „Liebestrug“ ist ohne Vorwissen verständlich. Allerdings wird man vermutlich auch auf „Kabale und Liebe“ neugierig werden.

Wie schwer ist es, einen Krimi und ein Drama zusammenzubringen?

Es sind zwei völlig verschiedene Literaturgattungen. Drama ist Dichtung, Poesie in strengen Formen – wenn Sie so wollen, ein klassischer langsamer Walzer. Ein Krimi dagegen ist wie Rock-Musik: wilder und freier. Ich will mit meinen Krimis keine belletristischen Schönheitspreise gewinnen, eher mit Mitteln wie Tempo, überraschenden Wendungen und einer interessant aufgebauten Story den Leser fesseln. Effekthascherische Sex-and-Crime-Szenen sind nicht mein Ding, dafür vielleicht eher ausbalancierte Wechsel von Erzählperspektiven.

Sie haben mit „Schillerhöhe“ im Jahr 2009 angefangen – wie kam es dazu?

Ich hatte ein starkes Erlebnis, als ich 2004 als Journalist bei einer Lesung in Marbach Christa Wolf kennenlernte. Wir tranken ein Glas Wein zusammen, sie war komplett vernagelt und interviewte eigentlich mich, vielleicht, weil sie wegen ihrer Vergangenheit in der DDR schlechte Erfahrungen mit Medien gesammelt oder ein Stasi-Trauma hatte. Im durchaus angenehmen Gespräch ermutigte sie mich, nicht nur journalistisch zu schreiben.

Und das hat Ihnen dann keine Ruhe gelassen?

Natürlich nicht. Ich bemerkte 2007, dass sich Marbach aufs Schillerjahr zwei Jahre später vorbereitete und wollte mit einem Krimi einen Beitrag leisten. Da war der 20.  Jahrestag des Mauerfalls am 9. November und Schillers 200. Geburtstag nur einen Tag später am 10. November. Meine Frage an meinen Roman lautete: „Was würde Schiller zur wiedergewonnenen Freiheit der Deutschen sagen?“ und so kam ich zum Tyrannensturz und Schillers „Wilhelm Tell“.

Welche Ideen führten drei Jahre später zu „Räuberblut“?

Mir schwebte eine moderne Fassung möglichst als exakte Parallelhandlung zu Schillers Räubern vor. Die Ludwigsburger Schlösser sind zwar schön, erinnern aber auch an den unmenschlichen Absolutismus der damaligen Zeit – und im Residenzschloss durfte der ehemalige NS-Marinerichter und 1978 zurückgetretene Ministerpräsident Hans Filbinger im Jahr 2003 zu seinem 90. Geburtstag einen Empfang geben, der sehr umstritten war.

In Ihrem dritten Krimi „Glockenstille“, der 2014 erschien, wird ein Pfarrer im Glockenturm der Alexanderkirche aufgehängt.

Das ließ sich leider nicht vermeiden (schmunzelt). Hintergrund dieses Romans waren Erfahrungen mit der katholischen Kirche. In dem trashigen Krimi treiben militante Christuskriegerinnen ihr Unwesen – ein ironisches Gegenbild zur immer noch nicht realisierten Gleichberechtigung der Frau in der katholischen Kirche.

Haben Sie schon Pläne für einen neuen Schiller-Krimi?

Nein. Es ist gut, sich Zeit zu lassen und auch neue Formen auszuprobieren.

Die beiden  Lesungen bei den Weingärtnern Marbach am 12. und 26. September sind ausgebucht. Es gibt  einen dritten Termin am Freitag, 30. Oktober, um 19 Uhr, diesmal mit der Musikerin Sally Grayson. Einlass ist um 18 Uhr bei freiem Eintritt.  Die Weingärtner bewirten. Eine telefonische Anmeldung wegen begrenzter Platzzahl ist unter der Nummer 071 44 / 64 19 erforderlich.