Das ehemalige Volksbank-Gebäude mit Lager (unten rechts im Bild) soll neuen Mehrfamilienhäusern weichen. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Anstelle der alten Volksbank sollen in Winzerhausen neue Wohnhäuser im Zentrum entstehen. Die sind den Nachbarn allerdings zu groß gedacht. Auch was die Anzahl der Parkplätze angeht, gibt es noch offene Fragen.

Hinter dem Schuppen wuchern die Disteln, die Türen der Bankfiliale sind längst geschlossen: Mitten im Ortskern von Winzerhausen wartet einen Gebäudekomplex auf seinen Abriss, der einst zu einem der Dreh- und Angelpunkte des Dorfes gehörte: Sonntags ging man in die Kirche um die Ecke, werktags die Kinder in die Schule daneben und die Bauern lieferten in dem Lagerhaus neben der Bank in der Raiffeisenstraße ihre Apfelernte ab, erzählt Reiner Stark. Seiner Familie gehört ein Großteil des Areals hinter der Volksbank, der Rest gehört der Familie von Michael Boltz.

„Die Nachbarn werden zu 100 Prozent gehört werden“

Dass die Neubauten den dörflichen Charakter Winzerhausens zerstören, die künftig das Geldhaus und das Lager ersetzen sollen, diese Sorge treibt die Anlieger um. Seit gut einem Dreivierteljahr putzen die Familien nun Klinken: Beim Ortsvorsteher, beim Bürgermeister, im Ortschaftsrat, beim voraussichtlichen Bauträger. Nicht überall stoßen sie nach eigener Wahrnehmung auf offene Ohren und sie erhalten nicht überall Antworten auf die entscheidenden Fragen: Wie hoch sollen die Neubauten werden und auf wie vielen Plätzen werden die neuen Nachbarn parken können? Deshalb machen Boltz und Stark ihre Bedenken nun öffentlich und sammeln Unterschriften. Auf 50 bis 100 Unterstützer unter den gut 1430 Einwohnern hoffen sie in einem ersten Schritt.

Aus Sicht des Bürgermeisters von Großbottwar sind sie damit schlicht zu früh dran. „Die Nachbarn werden zu 100 Prozent gehört werden“, versichert Ralf Zimmermann. Es gebe aber zu dem Projekt keinen neuen Sachstand. „Bis jetzt wurde kein Baugesuch eingereicht.“ Erst wenn die tatsächlichen Pläne bekannt seien, könne man auch näher darüber sprechen. Das sehen Boltz und Stark jedoch anders. Sie bezweifeln, dass die Pläne noch unkonkret sind.

Weniger Stockwerke und dafür mehr Parkplätze

Eine Konzeptstudie sei Bestandteil des Kaufvertrags gewesen. Diese war 2021 im Ortschaftsrat präsentiert worden. Und sie sehe ein Zwölffamilienhaus mit insgesamt vier unterbrochenen Giebeln vor bei einer Gesamthöhe von 14 bis 16 Metern und zwölf ebenerdigen Parkplätzen. Erstellt habe das Konzept die Volksbank, die erst selbst bauen wollte. Weil die Stadt einen Grünstreifen hinter dem Schuppen mit verkaufte, gehen die Anlieger davon aus, dass diese Studie als Teil des Kaufvertrags verbindlich ist. So habe sich auch der voraussichtliche Bauträger ihnen gegenüber geäußert: Er könne von dem Konzept nur minimal abweichen.

„Es ist doch besser, sich zu melden, bevor es losgeht“, sagt Boltz. Die Bedenken von vornherein zu berücksichtigen, könne allen Beteiligten Zeit, Mühe und Kosten ersparen. „Wenn es erst juristisch wird, wird es auch teuer.“ Sie verlangen, von den vier bis fünf geplanten Stockwerken um ein bis zwei herunterzugehen und etwa die Parkplätze in eine Tiefgarage zu verlegen. „Sonst ist nur noch die Kirche hier im Ort höher als diese Häuser“, sagt Stark. Und sie fordern zwei Parkplätze pro Wohnung, weil die Straßen rund um den Dorfkern ohnehin schon immer zugeparkt würden.

Nahrung erhalten ihre Befürchtungen durch drei Neubauten in unmittelbarer Nachbarschaft. Schon diese überragen mit bis zu 14 Metern Höhe alle anderen Gebäude deutlich – und deren Bewohner finden schon heute nicht ausreichend Parkplätze auf den Grundstücken vor. „Jeder im Ort sagt, diese Häuser sind zu hoch“, berichtet Stark. Auch wenn es schöner aussehe als vorher, als dort noch verfallene Scheunen standen.

Einflussmöglichkeit über das Sanierungsgebiet

Da die Stadt für den Dorfkern keinen Bebauungsplan erlassen hat, gelte Paragraf 34 Baugesetzbuch, dass sich Bauwerke in die Umgebung einfügen müssen, berichtet Boltz. Dieser Standard müssten die bisher vorhandenen Ein- und Zweifamilienhäuser sein, nicht die bereits zu hohen Neubauten, verlangen er und Stark. Bürgermeister Ralf Zimmermann sieht auch ohne Bebauungsplan Möglichkeiten, auf die Gestaltung einzuwirken: Wer im Ortskern von Winzerhausen baue oder saniere, bekomme eine Förderung des Landes, da es sich um ein Sanierungsgebiet handelt. Weil im Keller der Volksbank ein „sehr imposanter“ Tresor aus Spezialbeton verbaut sei, müsse der Investor mit der Stadt eine sanierungsrechtliche Vereinbarung schließen, um an Fördergelder zu kommen, die er brauche, um diesen Schutzraum abreißen zu können. In dieser Vereinbarung könne man weitere Punkte regeln. Auch die Platzfrage sieht er weniger kritisch: Die Stadt habe vor, die Raiffeisenstraße neu zu gestalten. Dort könnten zusätzliche Parkplätze entstehen. So lange man aber nicht wisse, wie viele Wohneinheiten entstehen, könne man auch nicht abschätzen, wie viele Parkplätze nötig sind.

Zwar träten derartige Nachteile bei einer Entwicklung im Ortskern oft auf. „Aber wir sind uns einig, dass wir Wohnungen dort wollen, das ist erklärtes Ziel von Gemeinde- und Ortschaftsrat“, sagt Zimmermann. Dem stimmen auch die Familien Boltz und Stark zu. Aber über die Frage, wie viele, stehen Winzerhausen noch Diskussionen bevor.

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