Im Gewerbegebiet wird eine Grünfläche versiegelt. Dafür muss es an anderer Stelle Verbesserungen für die Natur geben. Foto: Werner Kuhnle

Die Stadt Marbach will das Industriegebiet am Neckar vergrößern. Die Eingriffe in die Natur müssen aber ausgeglichen werden. Das gelingt der Kommune nur mit einem besonderen Kniff.

Marbach - Der Grundsatz ist vergleichsweise simpel: Wenn eine Kommune Flächen frisch versiegelt und damit in die Natur eingreift, muss sie in der Regel für einen ökologischen Ausgleich sorgen. In der Praxis kann sich das aber als recht kompliziertes Unterfangen entpuppen. Das zeigt sich aktuell in Marbach, wo der Energie- und Technologiepark am Neckar erweitert werden soll. In erster Linie, damit die Firma Leopold nach Jahren des Wartens endlich eine zusätzliche Produktionsstätte errichten kann. Im Rahmen der anhängigen und notwendigen Bebauungsplanänderung hat sich die Stadt nun äußerst schwergetan, genügend Einzelprojekte zu finden, über die das ins Minus rutschende Ökokonto wieder auf null gestellt werden kann. Gelungen ist das letztlich nur, weil man sich quasi bei Vorhaben in anderen Kommunen einkauft. Ein Vorgehen, das jetzt im Ausschuss für Umwelt und Technik nicht nur auf Gegenliebe stieß.

Die Fachplanerin Irene Höfle führte zunächst aus, dass man durchaus das eine oder andere im direkten Umfeld des Plangebiets erreichen konnte. So wurden im vergangenen Jahr als Vorgriff schon 120 Wechselkröten umgesiedelt. Für die Amphibien waren eigens Teiche aus Beton angelegt worden. Zudem seien beispielsweise Zauneidechsen eingesammelt und in einem neuen Biotop wieder ausgesetzt worden, sagte Höfle. Dann musste der Blick aber schon geweitet werden. Um den Eingriff in die Umwelt zu kompensieren, sollen 2022 am Rielingshäuser Sulzbach Nasswiesen wiederhergestellt werden, also eine Renaturierung erfolgen. Doch selbst das wird nicht reichen, wie Höfle erklärte, sodass man sich nun bei Grünprojekten andernorts beteiligt – was über eine Flächenagentur ermöglicht wird. Zum einen forciert man die Anlage von Streuobstwiesen in Schwieberdingen. Zum anderen steigt man in Burgstetten in ein bereits realisiertes Vorhaben ein. Dabei war es ebenfalls darum gegangen, auf Ackerland Streuobstwiesen zu entwickeln.

All das trug das Gremium bei drei Enthaltungen sowie einer Gegenstimme von Puls-Vertreter Benjamin Flaig am Ende auch mit, doch Jochen Biesinger von der CDU machte deutlich, dass ihm ein Ausgleich an Ort und Stelle oder wenigstens auf eigener Gemarkung deutlich lieber gewesen wäre. „Wir können hier nochmal mitgehen, weil der Zeitdruck groß war. Aber für die Zukunft möchten wir diesen Weg nicht mehr als Automatismus sehen“, erklärte Biesinger. Er erinnerte in dem Zusammenhang daran, dass vonseiten der Landwirte sogar ein Vorschlag unterbreitet worden sei, wie künftig in Marbach selbst Ökopunkte gesammelt werden könnten: über das Anlegen von Blühstreifen am Ackerrand. Dem Bauamtsleiter Dieter Wanner ist diese Idee bekannt. Und es sei auf Dauer auch keinesfalls das Ziel der Stadt, die eigenen Probleme auf anderen Gemarkungen zu lösen. Man brauche für solche Projekte aber eine längere Vorlaufzeit und müsse bei den Grundstückseigentümern Überzeugungsarbeit leisten. Und auf die Schnelle habe man es jetzt nicht geschafft, die Eingriffe komplett auf eigenem Terrain auszugleichen, sagte er.

Jürgen Waser von den Grünen war es aber ähnlich wichtig wie Jochen Biesinger, fortan zu vermeiden, sich in der Nachbarschaft nach Grünprojekten umschauen zu müssen. Er regte an, den Beirat für Landschaftspflege zu reanimieren. „Dann könnten wir überlegen, was wir in Marbach selbst gestalten könnten. Ich denke, wir würden das hinkriegen. Wir könnten auch selbst Streuobstwiesen pflanzen oder pflanzen lassen, wenn wir die Stämme ausgeben“, meinte Waser. Martin Mistele von den Freien Wählern hatte indes kein Problem damit, wenn der Ausgleich nicht aus eigener Kraft bewerkstelligt werden könnte, wunderte sich aber darüber, dass ausgerechnet am Neckar Beton für die Amphibienteiche verbaut werden müsse. Ein Tümpel müsse dort doch bei entsprechender Tiefe eigentlich natürlich nass gehalten werden können. Mit den künstlichen Biotopen hatte auch der BUND Probleme. „Sie sind naturfern in der Flussaue“, monierten die Umweltschützer in ihrer offiziellen Stellungnahme zu dem Bebauungsplan. Benjamin Flaig von Puls wunderte sich zudem wie Barbara Eßlinger von den Grünen, dass die Verwaltung in ihrer Replik auf den Einwand behaupte, der BUND habe das Konzept bei einer Vorbesprechung goutiert. Wie es zu diesem Widerspruch kommen konnte, werde man bis zur nächsten Gemeinderatssitzung aufarbeiten, versicherte Bürgermeister Jan Trost. Michael Fuchs vom zuständigen Planungsbüro betonte allerdings schon im Ausschuss, dass man keine andere Wahl bei der Ausführung hatte. Es habe sich im Grunde um eine Auflage vom Regierungspräsidium gehandelt.

Joachim Lösing, Vorsitzender des BUND Marbach-Bottwartal, erklärt auf Nachfrage, dass man das Konzept im Grundsatz in der Tat abgesegnet habe. Man habe anerkannt, dass die Stadt sich bemüht hatte, einiges zum Ausgleich des Natureingriffs auf die Beine zu stellen. Die Projekte seien zudem ohnehin mit den übergeordneten Behörden bereits abgestimmt gewesen. Vor dem Hintergrund habe der BUND kein Fass aufmachen wollen und gesagt: Angesichts der Kürze der Zeit, in der hier agiert wurde, ist das okay. Allerdings habe man damals keine Detailpläne gesehen und erst bei der Umsetzung festgestellt, dass die Teiche mit Beton ausgekleidet sind. Richtig gewurmt habe ihn schließlich die „Schönfärberei“ der Verwaltung, durch deren Formulierungen man den Eindruck gewinnen könne, es sei alles Bestens und der BUND stehe komplett hinter dem Vorgehen, sagt Lösing.