Menschelt es rund um die Museen? Es scheint fast so. Foto: Werner Kuhnle

Sandra Richter reagiert auf anonyme Vorhaltungen aus dem Umfeld der Institute auf der Schillerhöhe.

Marbach - Ein Artikel der Ulmer Südwestpresse über Vorgänge bei der Deutschen Schiller-Gesellschaft (DSG) und dem Deutschen Literaturarchiv (DLA) Marbach schlägt Wellen, die für Unruhe sorgen. In dem Artikel werden Behauptungen aus Kreisen des etwa 260-köpfigen Personals des DLA laut, wonach es in der international renommierten Einrichtung mit der Führung hapern soll. So richtig aus der Deckung wagt sich aber kein Kritiker. Denn im Artikel lässt sich niemand mit Namen zitieren – und der DLA-Direktorin Sandra Richter wird keine Gelegenheit gegeben, auf Vorwürfe einzugehen.

Erstaunen ist folglich das, was Sandra Richter auf Nachfrage dieser Zeitung äußert. So habe sich laut Südwestpresse das Arbeitsklima auf der Schillerhöhe seit ihrer Amtsübernahme Anfang 2019 deutlich verschlechtert. Das sei bei einer Personalversammlung im frühen Frühjahr beklagt worden. Wie die Südwestpresse-Autorin Bettina Wieselmann berichtet, habe man dort mit Befremden aufgenommen, dass von der DLA-Führung niemand an der Versammlung teilgenommen habe. Marbach verlange intensive Präsenz, die eine Direktorin nicht leisten könne, die mit ihrer Familie ihren Hauptwohnsitz in Frankfurt habe und kaum da sei, werden „Marbach-Vertraute“ unter dem Schutz der Anonymität zitiert.

Aus Sicht von Sandra Richter stellt sich die Situation im Umfeld der Versammlung anders dar. „Kurz vor der Corona-bedingten Schließung des DLA und in Zusammenhang mit den Pandemiemaßnahmen gab es leider eine Fülle von kurzfristig anberaumten Terminen“, erklärt sie. Selbstverständlich sei ihr erstes Anliegen, für „eine offene und gute Betriebskultur“ zu sorgen. Kurz vor der Betriebsversammlung selbst habe eine außerordentliche Mitarbeiterversammlung stattgefunden, die sie selbst einberufen habe, um Fragen aller Kollegen aus dem DLA zu beantworten und über anstehende Maßnahmen im Haus zu informieren.

Grundsätzlich sieht Sandra Richter ihr Wirken an verschiedenen Orten nicht als Führungsschwäche. „Selbstverständlich bin ich regelmäßig in Marbach anwesend und habe dort auch eine Zweitwohnung.“ Es zähle aber zu ihren Aufgaben, die Bekanntheit des Deutschen Literaturarchivs zu stärken, sodass sie oft für das Haus unterwegs sei – national wie international. Das DLA werde von Bund und Land getragen, sie müsse häufig in der Bundeshauptstadt sein. „Erwähnt sei zudem, dass es uns nach der Corona-bedingten Schließung in kürzester Zeit gelungen ist, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mobiles Arbeiten zu ermöglichen.“

Mit den Widerfahrnissen der Corona-Zeit beschäftigt sich der Artikel der Südwestpresse jedoch nicht. Der Fokus liegt stattdessen auf der Nachfolge des scheidenden DSG-Präsidenten Peter André Alt, der in dem Artikel stark kritisiert wird. Alt wird nachlassender Eifer vorgehalten, sein Fehlen bei der Verabschiedung des Richter-Vorgängers Ulrich Raulff im Jahr 2018, „schlecht vorbereitete Kuratoriumssitzungen und absichtsvoll verkürzte Sitzungsprotokolle“ werden ebenso genannt wie die Abwesenheit von Ausstellungseröffnungen in Marbach. Auf diese Vorwürfe mag Sandra Richter im Einzelnen nicht eingehen. Sie bescheinigt Alt acht erfolgreiche Jahre. „Wir bedauern das Ausscheiden unseres allseits hoch angesehenen Präsidenten sehr und sind ihm dankbar für seinen großen Einsatz für die Deutsche Schiller-Gesellschaft.“

Auch in der Alt-Nachfolge hält sich die DLA-Direktorin bedeckt. Laut Südwestpresse gebe es im 20-köpfigen Kuratorium der DSG eine große Zustimmung für den Sparkassen-Direktor Kai Uwe Peter als gut vernetztem, engagiertem Vorstandsmitglied des Freundeskreises und dem DLA zugewandtem Geisteswissenschaftler aus dem Ländle. Zur möglichen Kandidatur Peters wollte sich Sandra Richter – wie auch der angefragte Peter selbst – ebenso wenig äußern wie zu der im Artikel angesprochenen Personalie der Verwaltungsleiterin Dagmar Janson, von der sich das Haus „auf rüde Art“ getrennt habe. Der Behauptung, ihr „inzwischen alleiniger, seit vielen Jahren nicht unumstrittener Vize Roland Kamzelak“ fülle das von Richter verursachte Vakuum im Innern des Literaturarchivs aus, tritt sie insofern entgegen, als dass sie in ihrer Stellungnahme die „vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Roland Kamzelak“ betont, „der dem Haus seit vielen Jahren verpflichtet ist und keine Mühe scheut, es auch für die nächsten Entwicklungsschritte vorzubereiten“.

Und auch der Museumsleiterin Heike Gfrereis, laut Artikel der Südwestpresse „zu Raulffs Zeiten vom DSG-Vorstand einstimmig wegen Fehlverhaltens für zweieinhalb Jahre beurlaubt worden“ und bei einer Rückkehr „ohne Aussicht auf Führungsverantwortung“, bescheinigt Sandra Richter „eine einzigartige Persönlichkeit im Bereich Literaturausstellungen, und so sind wir froh, dass sie frühzeitig von ihrem Ausflug ins Fontanejahr nach Marbach zurückgekehrt ist, um auch im Bereich der Ausstellungen mehr Digitalität zu denken und umzusetzen“.

Immerhin rechnen die anonymen Kritiker es der DLA-Direktorin Sandra Richter an, bei Bund und Land vier Millionen Euro extra für die Digitalisierung und die räumliche Erweiterung der weltweit anerkannten Einrichtung eingeholt zu haben – freilich nicht ohne die Begründung des Stuttgarter Wissenschaftsministeriums anzuführen, es fehle noch an einer deutlichen Konkretisierung, weshalb man sich nur mit 1,5 Millionen Euro, nicht aber wie der Bund mit 2,5 Millionen Euro beteilige. Sandra Richter sieht sich dagegen auf einem guten Weg: „Bund und Land unterstützen unsere Vorhaben in herausragender Weise, und ich bin sehr dankbar dafür.“ Zu den nächsten Schritten gehörten eine Organisationsanalyse und das Vorantreiben der Bauplanung. „Schon deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass sich auch das Land entsprechend an den Maßnahmen beteiligen wird, die es dem DLA erlauben, auch im digitalen Bereich zu einer Spitzeneinrichtung zu werden und sich räumlich weiterzuentwickeln.“

Das Hauptaugenmerk der Direktorin gilt aktuell hauptsächlich der Wahl des neuen Präsidenten für die Schiller-Gesellschaft als solcher, denn in Corona-Zeiten bedarf es einer mindestens 50-prozentigen Teilnahme, damit eine solche Wahl ohne eine ordentliche Mitgliederversammlung überhaupt gültig ist. Da die Corona-Pandemie eine solche Versammlung verhindert, müssten die rund 2000  Mitglieder per Brief abstimmen. „Jede Stimme zählt“, appelliert Sandra Richter und bittet um Unterstützung. Lediglich das Kuratorium und der Vorstand der Deutschen Schiller-Gesellschaft könnten Corona-bedingt am 19. Juni tagen. Wichtig sei, dass die Wahlberechtigten ihr Votum bis zum 16. Juni einschickten. Vorschläge für einen Kandidaten dürften die Mitglieder der Deutschen Schiller-Gesellschaft noch bis zum 26.  Mai unterbreiten.