Wenn es mit Vollgas über eine Kuppe geht, dann hebt der Mitsubishi Lancer Evo X von Marcus Leibbrandt und Angelika Hornung auch mal ab.Marcus Leibbrandt ist früher schon Rallye gefahren, für Angelika Hornung war das Ganze bis vor rund einem Jahr Neuland. Foto: Sascha Dörrenbächer

Marcus Leibbrandt und Angelika Hornung starten im zweiten Jahr beim DMSB-Rallye-Cup.

Murr - So „vier bis fünf Rennen“ wollten sie ursprünglich bestreiten, als sie vergangenes Jahr ins Rallye-Geschehen einstiegen. „Am Ende wurden es 14, Urlaub gab es dafür keinen. Das war vom Budget her einfach nicht drin“, erklärt der Murrer Marcus Leibbrandt, der mit seiner Beifahrerin und Lebenspartnerin Angelika Hornung am kommenden Wochenende in die zweite Saison im DMSB-Rallye-Cup (DRC) startet. Die Rallye Kempenich ist der Auftakt zu insgesamt sieben Rennen in der Region Süd, den Abschluss bildet der Endlauf im November in Hessen, bei dem die Teams aus den Regionen Nord und Süd an den Start gehen. „Der DRC ist so etwas wie die zweite Bundesliga im Rallye-Sport. Sie ist direkt unter der Deutschen Rallye-Meisterschaft angesiedelt, bei der es auch schon internationale Läufe gibt“, erklärt Marcus Leibbrandt, der nach dem fünften Gesamtrang im Vorjahr nun einen Platz unter den Top 3 im DRC anpeilt.

Der Murrer ist allerdings alles andere als ein Rallye-Neuling. Er hat nur eine sehr lange Pause eingelegt. „Ich habe mit 20 angefangen und bin dann durch einen glücklichen Zufall in die Peugeot-Nachwuchsförderung gerutscht und war dort drei Jahre unterwegs. Ich bin dann allerdings wieder rausgeflogen, weil ich zu viel Schrott fabriziert habe“, erinnert sich der 51-Jährige grinsend. Es folgten einige Jahre als Beifahrer im Mitropa-Cup. „Das ist die europäische Meisterschaft für Privatfahrer. Da waren wir Zweiter und Dritter.“ Doch als Marcus Leibbrandt 29 war, verstarb sein Vater. Der Sohn musste den Malerbetrieb übernehmen, „da hatte ich dann nicht mehr die Zeit fürs Rallyefahren und habe aufgehört. Doch den Bezug habe ich nie verloren und habe immer gesagt: Wenn ich 50 bin kaufe ich mir wieder ein Auto und fahre just for fun ein bisschen.“ So kam es 2018 zum Wiedereinstieg ins Geschehen.

Als Leibbrandt seiner Freundin von seinen Plänen erzählte, nahm diese das erst einmal zur Kenntnis. „Dann hat er mir aber gesagt, dass ich als Beifahrerin mit an Bord sein muss. Er hat mich dann ins Auto gesetzt, ich musste mitschreiben, und auf der Fahrt nach Höpfigheim und zurück wurde dann getestet, ob mir schlecht wird oder ich Angst bekomme. Es lief alles gut – und seither bin ich infiziert“, erinnert sich Angelika Hornung (45). So fuhren die beiden also die ersten drei Rennen „und waren plötzlich im DRC Zweiter der Region Süd. Da kam dann der Entschluss, die ganze Saison zu fahren. Am Ende waren wir Vierter in der Region Süd und wurden zum Endlauf in der Nähe von Hamburg eingeladen. Dort lagen wir bis zur letzten Wertungsprüfung auf dem dritten Gesamtrang gelegen.“ Doch vier Kilometer vor dem Ziel platzte ein Reifen. Das Murrer Paar landete schließlich „nur“ auf Platz fünf der Gesamtwertung. „Wir sprechen da von rund 180 Autos, die im DRC hier mitfahren“, erklärt Leibbrandt die Dimensionen.

Nun ist der Rallyesport in Deutschland seit den Zeiten von Walter Röhrl in den 1980er-Jahren aus der öffentlichen Wahrnehmung ja nahezu komplett verschwunden. Während hierzulande jedes Kind weiß, dass ein Fußballspiel 90 Minuten dauert, weiß der Normalbürger über eine Rallye lediglich, dass auf vier Rädern mit hoher Geschwindigkeit über Straßen und Schotterpisten geheizt wird. „Eine Rallye besteht aus Wertungsprüfungen, die auf Bestzeit gefahren werden, und Verbindungsetappen. Bei Letzteren bewegt man sich im normalen Verkehr und muss sich an die Straßenverkehrsordnung halten. Daher müssen die Autos auch alle eine TÜV-Zulassung haben. Bei den Verbindungsetappen gibt es zwar Zeitlimits, aber die sind problemlos zu schaffen“, erläutert Marcus Leibbrandt. Nur auf den Wertungsprüfungen auf abgesperrten Strecken wird dann Vollgas gegeben. „Da fährt man am Limit.“

„Für die Verbindungsetappen gibt es genaue Vorgaben, wo man langzufahren hat“, erklärt Angelika Hornung, die auf diesen Strecken also das Navi ersetzt. Doch noch wichtiger werden ihre Dienste auf den Wertungsprüfungen. Diese Strecken dürfen im Vorfeld zweimal abgefahren werden. Beim ersten Mal diktiert der Pilot seiner Beifahrerin, wie die Streckenabfolge ist. „30 links voll“, lautet zum Beispiel eine Ansage. „Das bedeutet, dass nach 30 Metern eine Linkskurve kommt, die man mit Vollgas fahren kann“, übersetzt Hornung. Verschiedene Kurven haben verschiedene Kürzel. „Das System hat Walter Röhrl entwickelt. Deswegen war er auf der Rallye Monte Carlo mal im Nebel vier Minuten schneller als die anderen“, sagt Leibbrandt.

Auf die Ansagen, die seine Beifahrerin ihm während der Wertungsprüfungen macht, muss er sich blind verlassen können. „Man fährt da mit 180 bis 200 km/h auf einem 2,50 Meter breiten Feldweg. Da muss alles stimmen. Letztes Jahr sind wir bei einem Rennen die letzte Prüfung im Dunkeln und bei Nebel gefahren. Sichtweite 30 Meter – wenn da der Aufschrieb nicht stimmt, macht man einen Abflug.“ Als bei einer Rallye mal die Gegensprechanlage in den Helmen des Murrer Duos ausgefallen ist, wurde die Sache schon knifflig. „Da musste ich schon richtig schreien“, erinnert sich Hornung.

Ganz ungefährlich ist der Spaß natürlich nicht. „Angst darf man keine haben. Aber das Risiko fährt immer mit, dessen muss man sich bewusst sein“, sagt Marcus Leibbrandt. „Wobei unser Auto eines der sichersten dieser Klasse ist. Wir haben eine Löschanlage eingebaut, die teuersten Helme, Top-Sitze und -Gurte“, zählt er auf. Der rund 300 PS starke Mitsubishi Lancer Evo X hat allerdings eine Schwachstelle im Getriebe. Über den Winter wurde das Auto quasi komplett zerlegt und überholt. Leibbrandts Vetter Andreas Link mit seinem Autohaus in Pleidelsheim ist da eine große Hilfe, ob logistisch oder als Quelle für günstige Ersatzteile. Kürzlich gab zum Beispiel die Kupplung den Geist auf, „mitten in der vorletzten Wertungsprüfung“, berichtet Angelika Hornung. Die komplette Woche stand der Wagen in Pleidelsheim, damit er am Wochenende drauf wieder einsatzfähig war.

Doch trotz familiärer Hilfe ist der Rallyesport für einen Privatfahrer eine teure Angelegenheit. „Beim DRC zahlt man pro Rennen 250 bis 300 Euro Startgeld. Dazu kommen Übernachtungen, Benzin, Reifen – wir kaufen zum Beispiel von den Top-Teams immer die gebrauchten Reifen auf. Was die weggeben, damit fahren wir noch zwei- bis dreimal“, sagt Leibbrandt. „Wenn nichts kaputt geht, kostet ein Rennen 1200 bis 1500 Euro. Das zu holende Preisgeld kann das nicht kompensieren.“ Kein Wunder, dass das Murrer Paar für jeden potenziellen Sponsor offen ist. Zumal das Ziel ist, nächstes Jahr die Deutsche Rallye Meisterschaft zu fahren.

Marcus Leibbrandt und Angelika Hornung opfern viel Zeit und Geld für ihr Hobby. Die Faszination des Rallyesports beschreibt Leibbrandt so: „Es ist zum einen das Gefühl, das Auto im Grenzbereich zu bewegen. Zum anderen ist nach einem Rennen der Kopf einmal auf null gestellt. Da belasten einen keine Alltagssorgen mehr. Es ist, als hätte man den Reset-Knopf gedrückt.“ Entsprechend ergänzt Angelika Hornung: „Für mich ist so ein Rennen vom Effekt her wie ein Wellness-Wochenende.“