Der WeinKulTourer nimmt Fahrgäste aus dem Bottwartal auf und bringt sie bis nach Besigheim und zurück. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Die Rad- und Wanderbusse im Landkreis Ludwigsburg ermöglichen Radlern und Wanderern zu interessanten Zielen zu gelangen.

Überfüllt sind die Rad- und Wanderbusse im nördlichen Landkreis Ludwigsburg auch nach der Einführung des 9-Euro-Tickets am 1. Juni nicht. Doch mit steigenden Fahrgastzahlen darf gerechnet werden. Die roten Busse mit Namen wie WeinKulTourer, Stromer oder Berg- und Talbus nehmen Tagestouristen an den S-Bahn-Stationen in Marbach, Bietigheim-Bissingen oder Backnang auf und bringen sie zum Wandern und Radeln ins Hinterland.

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Einen regelrechten Hype erlebt derzeit die Felsengartenkellerei in Hessigheim. Die Mischung aus Wandern, Wein und malerischer Aussicht zieht. „Die Busse werden ganz gut angenommen“, erklärt Joachim Kölz, Vorstandsvorsitzender der Felsengartenkellerei zum WeinKulTourer, der zwischen Marbach und Besigheim verkehrt. Es kämen zwar auch viele Gäste mit dem E-Bike oder dem Auto, doch halte er die Busse als eins von vielen Mobilitätsmitteln für nicht unwichtig. „Natürlich sieht man auch mal einen Anhänger mit wenig Rädern drauf“, sagt Kölz, doch komme es auf das Gesamtangebot an. Wer sich auf der Rückfahrt nach einer Weinprobe auf dem Fahrrad nicht mehr sicher fühle, könne den Bus nehmen.

Die Rad- und Wanderbusse nicht missen möchte Andrea Gerlach, Prokuristin im Vorstand der Stuttgart Tourist. Sie beobachte Nutzerzuwächse. „Wenn es etwas Gutes an der Pandemie gab, dann das, dass die Menschen ihre Heimat für den eigenen Urlaub wiederentdeckt haben.“ Burg Lichtenberg im Bottwartal statt Mallorca – dieser Trend spiele den Rad- und Wanderbussen in die Hände. „Die Leute wollen weg vom Auto.“ Überfüllte Busse drohten an den Wochenenden innerhalb der Region Stuttgart trotz ihrer 2,6 Millionen Einwohner aber nicht.

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Eingespielt hat sich der Betrieb der Rad- und Wanderbusse aus Sicht des Landratsamtes Ludwigsburg. Nach einem Probebetrieb bediene das Busunternehmen Friedrich Müller seit 2019 den WeinKulTourer auf eigenes wirtschaftliches Risiko, teilt LRA-Sprecher Andreas Fritz mit. Der Stromer zirkuliere seit 2018 zwischen Bietigheim-Bissingen und den Strombergen. Fahrgastzahlen würden im regulären Betrieb im Unterschied zur Testphase nicht erhoben, auch in den Pandemiejahren nicht. Das Landratsamt wolle aber das Angebot aufrechterhalten. Nur so könne es eine Alternative zum motorisierten Individualverkehr geben. Die Rad- und Wanderbusse ergänzten das ausgedünnte ÖPNV-Angebot am Wochenende.

Der ADFC wünscht eine bessere Vernetzung der Busse

Benutzen Touristen einen Rad- und Wanderbus für den Transport ihrer Räder? Oder kreieren sie lieber eine eigene freie Tour ohne Bus? Das hängt wohl von der jeweiligen Planung ab. Beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club in Marbach spiele der Rad- und Wanderbus eine untergeordnete Rolle, berichtet die Vorsitzende Waltraud Häfner. Das liege vor allem an den Pedelecs. „Auch unter unseren 150 Mitgliedern benutzt mittlerweile eine Mehrheit ein E-Bike – das hat sich in den vergangenen drei Jahren so durchgesetzt“, sagt Häfner.

Bei Ausflügen erweitere sich der Radius: Wo früher 30- oder 40 -Kilometer-Touren gefahren wurden, träten die meisten Radler nun auf 50 bis 60  Kilometern in die Pedale. Trotzdem halte sie Rad- und Wanderbusse für nötig. Was ihr allerdings fehle, sei eine bessere Vernetzung der Rad- und Wanderbusse. „Man wünscht sich natürlich eine Reise aus einem Guss.“ So wäre ein besserer Anschluss von Marbach nach Bietigheim-Bissingen, von wo aus der Stromer in die Stromberge startet, denkbar. „Eine Fahrt nach Häfnerhaslach ist klasse, aber wenn man erst mal von Marbach über Ludwigsburg mit der S-Bahn fahren und in Bietigheim noch mal umsteigen muss, ist das umständlich.“

Mountainbiker nutzen den Bus, um bergauf zu fahren

Über mögliche Verbesserungen denkt auch Alexander Wehinger, Inhaber des Fahrradladens Räderwerk in Marbach, nach. „Es ist noch zu wenig bekannt, dass Mountainbiker den Berg- und Talbus nutzen können, um nach einer Fahrt von Prevorst aus ins Tal wieder mit dem Bus nach oben zu fahren.“ Das praktizierten bereits viele Biker im Umfeld der Trailsurfers Baden-Württemberg – dem Verein, der die MTB-Strecken auf Beilsteiner und Oberstenfelder Gemarkung betreut. „Die Schnittstelle von WeinKulTourer und Berg- und Talbus zwischen Großbottwar und dem Lichtenberg sollte bekannter werden“, empfiehlt Wehinger, der auch an die Weiterfahrt am Marbacher S-Bahnhof denkt.

Deutsche Bahn: Bundesweit zehn Prozent mehr Fahrgäste in DB Regio

Inwieweit sich die Fahrgastzahlen der Rad- und Wanderbusse durch das 9-Euro-Ticket in den ersten Juni-Wochenenden erhöht haben, hat die Pressestelle der Deutschen Bahn für das Busunternehmen Müller nicht ermittelt und verweist auf die Landratsämter. Die DB hält den Start des preiswerten Tickets bundesweit für gelungen. Im Vergleich zu täglich 5,4 Millionen Reisenden vor der Coronapandemie seien an den Wochentagen vor und nach dem Pfingstwochenende rund zehn Prozent mehr Fahrgäste mit den Zügen und Bussen von DB Regio gefahren. Mehr Menschen stiegen auf den ÖPNV um.