Marcus und Daniela Deuring besuchen mit ihren Alpakas auch Kindergärten und Schulen. Foto: KS-Images.de

Die Bottwartal-Alpakas Bob, Ed, Felix, Jeff und Mato der Familie Deuring in Gronau können mehr als niedlich aussehen.

Oberstenfeld-Gronau - Alpakas sind wahre Herzensbrecher. Gegen den Charme von Bob, Ed, Felix, Jeff und Mato kann sich wohl keiner wehren, der einmal an ihrer Weide in Gronau stand. Ein Blick in ihre Knopfaugen und ein Griff in die flauschige Wolle reichen dafür aus. Doch plötzlich dreht Felix fast schon empört den Kopf zur Seite. „Nicht die Frisur zerwuscheln“, erklärt Besitzer Marcus Deuring mit einem Lachen: „Alpakas wollen nicht am Kopf angefasst werden.“ Also gut, dann gibt es eben eine Streicheleinheit am erst kürzlich geschorenen Rücken. Die Wolle ist passend zum wärmer werdenden Wetter im Mai gefallen. Jetzt warten insgesamt 13,5 Kilogramm im Haus der Familie in Tüten darauf, zu wattig-weichen Socken, Schals, Mützen und Co. zu werden. Aus dem Keratin werden Seifen gewonnen. Mit den Produkten geht es dann – sobald möglich – auf Märkte in der Region.

Diesen Donnerstag sind Marcus und Daniela Deuring aber nur im Teilort unterwegs. Es steht eine Wanderung mit den flauschigen Vierbeinern an. Ein Angebot, dass das Paar ursprünglich nicht auf dem Schirm hatte, wie Daniela Deuring erzählt: „Aber dann haben erst Bekannte und später auch Fremde angefragt.“ Mittlerweile sind die Alpakas gern gesehene Gäste auf Hochzeiten, Geburtstagen und Co. Und auch auf der Straße wird ihnen immer wieder gewunken. Alle Angebote gibt es aber natürlich nur in Maßen: „Die Tiere wollen nicht ständig unterwegs sein.“ Wenn sie aber auf Wanderschaft gehen, dann ist auch direkt klar, wer der Chef im Ring ist, so Marcus Deuring: „Die Tiere geben das Tempo vor.“ Und da wird im Zweifel auch den Hof hinab gerannt und im Gegenzug auf der Blumenwiese ganz gemächlich geschlendert – mit einem kleinen Imbiss inklusive.

Der dient auch als Proviant: „Alpakas sind Wiederkäuer und haben nur unten Zähne.“ Im Oberkiefer befindet sich dagegen eine Kauplatte. Eine weitere Besonderheit? Alpakas haben auch keine Hufe, sondern Pfoten mit Krallen, die regelmäßig nachgeschnitten werden müssen. Nicht jedes Mitglied der Bottwartaler Männer-Herde ist ein Fan der Pediküre. Da wird auch mal ein Tritt ausgeteilt, der aber zum Glück nicht sehr schmerzhaft ausfällt. Unangenehmer ist es, wenn aus Unmut die Spucke fliegt – da sind Alpakas ihren Verwandten den Lamas ähnlich. „Es wurde aber bisher kein Gast angespuckt“, weiß Marcus Deuring. Vielmehr werden auf diese Weise untereinander Konflikte geklärt. Worüber streiten sich Alpakas? „Rangfolge, Essen und Mädels.“ Der Chef im Gronauer Ring steht allerdings mit Bob unumstritten fest. Der hat seinen Namen übrigens von der frisurtechnischen Nähe zu Maler Bob Ross. Und wie auf ein Stichwort weist er Nesthäkchen Mato direkt in seine Schranken, als dieser ihm zu nah auf die Pelle rückt. Etwas bedröppelt steht der in Grün besprenkelt auf der Wiese – und mieft: „Es wird eine Mischung aus Speichel und vergorenem Gras gespuckt.“

Wenn Hengst Bob mit einer Gruppe unterwegs ist, übernimmt er auch hierbei die Aufpasserrolle: „Er geht aber nicht vornweg, sondern sichert die Gruppe von hinten ab.“ Felix übernimmt dafür die Vorhut, auch an diesem sonnigen Donnerstag geht er selbstbewusst voran.

Mato interessiert sich mehr für den Fotografen, der mit Küsschen und Kuscheleinheiten bedacht wird. Und so ein Bart und Objektive sind auch spannend! Tatsächlich ein untypisches Verhalten für Alpakas, weiß Marcus Deuring: „Mato schlägt aus der Art. Er ist fast krankhaft neugierig und ein richtiger Frechdachs.“ So habe jedes Tier seinen ganz eigenen Charakter. Ed ist eher schüchtern und muss erst auftauen. Jeff dagegen ist die „Laberbacke“ der Truppe und summt vor sich hin. Vorstellen kann man sich das Geräusch wie ein leicht resignierendes „Hmmmm“ – in mehreren Tonfällen. Summt eine große Herde von Alpakas gemeinsam, hat das einen eigenen Effekt, wie Marcus Deuring festgestellt hat: „Das Grundsummen hat etwas Meditatives und Beruhigendes.“

Tatsächlich werden Alpakas auch als Therapie-Tiere eingesetzt, da sie feine Antennen für die Befindlichkeiten von Menschen haben, erklärt Daniela Deuring: „Wenn ein Besucher angespannt ist, hält die Herde eher Abstand.“ Eine Erfahrung, die auch die Redakteurin an diesem Tag macht. Zum Start des Spaziergangs tanzt Felix aus der Reihe. Er rennt den Gehweg entlang, zieht an seinem Halfter und drängelt. Kaum auf dem Wanderweg angekommen, spaziert er seelenruhig. Seine Besitzerin kennt den Grund: „Du warst beim Start etwas nervös aber fernab der Straße ist es entspannter und Felix merkt das.“ Das kennt auch das Ehepaar selbst von täglichen Besuchen bei der Herde.

War der Arbeitstag anstrengend, ist Abstand angesagt: „Die Tiere helfen uns dann, einen Ausgleich zu haben.“ Wie so oft im Leben hat auch hier alles seinen Anfang im Kleinen genommen. „Meine Frau ist Schuld“, betont Marcus Deuring. Sie hatte ihm zum 40. Geburtstag eine Alpaka-Wanderung geschenkt – und er sei den Vierbeinern sofort verfallen. Seine Frau sei erst skeptisch gewesen, ob sie sich selbst eine Herde zulegen sollen. Also habe er ein überzeugendes Portfolio mit Pro- und Kontra-Gründen angefertigt. Gemeinsam ging es nach einiger Zeit des Selbststudiums zu einem Züchter – und kurz darauf hatten sie ihr Herz an Bob, Felix und Jeff verschenkt. Die mussten aber erst ein halbes Jahr dort alleine unter Artgenossen bleiben, um eine Fehlprägung auf den Menschen zu vermeiden. Sonst wird der als Artgenosse und Kontrahent gesehen. Später kamen dann noch Ed und Mato mit zur Herde dazu. Die ist aber erst einmal vollständig, so Marcus Deuring: „Wir arbeiten beide in Vollzeit.“

Der Terminplan ist auch so gut gefüllt. Neben den Wanderungen werden auch Kindergärten und Schulen besucht, um den Kindern die Tiere näherzubringen. Die Touren für Besucher finden dagegen nur in Kleingruppen statt: „Wir wollen die Wanderung familiär gestalten.“ Denn es gehe nicht nur darum, Unterhaltung zu bieten, sondern die Besucher sollen auch etwas über die Tiere lernen können. Wie zum Beispiel, dass sie eine feste Toilette auf ihrer Weide aussuchen – und dass die Kötteln der beste Dünger überhaupt sind. So ein Alpaka ist nämlich von Kopf bis Fuß ein echtes Allround-Talent.

Mehr Infos zu den Bottwartal-Alpakas und die Möglichkeit zur Buchung von Touren gibt es unter www.bottwartal-alpakas.de.