Honigbienen, Wildbienen, Schmetterlinge und Co. sind bedroht. Foto: Sabine Armbruster

Landwirte beklagen, dass sie als Hauptverursacher des Insektensterbens gesehen werden. Auch Politik und Verbraucher seien mit verantwortlich, sagen sie. Das jetzige Gesetz ändere nichts am Verschwinden der Insekten, gefährde aber die Existenz vieler Betriebe.

Marbach/Erdmannhausen - Keine Frage: Das Insektensterben hat dramatische Ausmaße angenommen. Und da hierzulande etwa 80 Prozent aller Pflanzen – Kulturpflanzen wie Obst und Gemüse, aber auch die für das Ökosystem wichtigen Wildpflanzen – auf die Bestäubung durch die kleinen Flieger und Krabbler angewiesen sind, ist Handeln dringend geboten.

Das Insektenschutzgesetz in der Form, wie es jetzt als Entwurf auf den Weg gebracht wurde, geht indes nicht nur den konventionell arbeitenden Landwirten, sondern auch ihren Ökokollegen zu weit. So sieht etwa der Erdmannhäuser Demeter-Landwirt Joachim Bay das Ganze aus mehreren Gründen kritisch. „Uns betrifft das zwar nicht so sehr, weil Obstbau, Weinbau und Spargel außen vor sind und unsere Flächen auch nicht in einem Naturschutzgebiet liegen.“ Doch betont er: „Wenn man, wie es das Gesetz vorsieht, auch keinen Schwefel mehr spritzen dürfte, wäre Obstbau nicht mehr möglich.“

Insgesamt glaubt er, dass das Gesetz für den Insektenschutz eher Nachteile als Vorteile bringe: „In der landwirtschaftlichen Fläche ändert sich ja nichts am Einsatz von Insektiziden, nur in Schutzgebieten, die ausgeweitet werden sollen.“ Vor allem jedoch, macht er deutlich, seien die Landwirte längst nicht allein verantwortlich für das Insektensterben: „Was durch Wohnbau und Gewerbegebiete verloren geht, das holt die Landwirtschaft auch nicht mehr ein.“ Hinzu kämen Aspekte wie die Lichtverschmutzung – Lichtquellen ziehen Insekten an, die dann verenden – und möglicherweise die Digitalisierung. Gefordert seien daher alle: Verbraucher, die auch höhere Preise zahlten, aber auch die Gemeinden, beispielsweise mit bienenfreundlichen Sträuchern oder Gräsern, die man erst nach der Blüte mähe.

Bay gibt jedoch auch zu bedenken: „Seit Ende der Neunzigerjahre werden Spritzmittel in der Landwirtschaft sehr gezielt eingesetzt, und es ist viel Biofläche dazugekommen. Am Rückgang der Insektenzahlen hat das aber bislang nichts geändert.“

Auch der Marbacher Landwirt Florian Petschl ist skeptisch: „Es kommt darauf an, ob das Gesetz so durchkommt wie geplant“, meint er. In diesem Fall steht für ihn jedoch fest: „Zuckerrüben und Gemüsearten wie Rote Bete sind dann nicht mehr produzierbar.“ Auch beim Weizen könnte man ohne Fungizide keine Qualität mehr liefern, betont Petschl und sieht darin einen klaren Wettbewerbsnachteil. So dürfe man im Ausland schon heute bessere Beizen – Pflanzenschutzmittel, mit denen schon das Saatgut behandelt wird – einsetzen.

Er selber sei nicht von dem geplanten Gesetz betroffen, da seine Flächen nicht direkt in einem Naturschutzgebiet lägen. Was er jedoch kritisiert, ist, dass von der Bundespolitik nun „ein Rundumschlag, der gegen alles geht“, geplant ist. „Wir haben hier in Baden-Württemberg dank entsprechender Förderprogramme schon viele Projekte umgesetzt, die gute Erfolge gezeigt haben“, betont er und nennt als Beispiel die Schutzgebiets- und Ausgleichs-Verordnung (SchALVO), die das Grundwasser schützen soll. Zudem gebe es hierzulande ohnehin eine ausgeglichene Naturlandschaft mit Streuobstwiesen.

Er und seine Kollegen verwehrten sich dem Insektenschutz auch nicht. So setze er selbst auf Blühstreifen und eine fünfgliedrige Fruchtfolge, was den Bedarf an Pflanzenschutzmitteln reduziere. Der Anbau von Leguminosen – unter anderem Hülsenfrüchte – sorge für natürliche Stickstoffdüngung. Daher zieht er das Fazit: „Wenn alle auf dem Niveau produzieren würden wie wir in Baden-Württemberg, hätten wir das Problem überhaupt nicht.“ Und er fordert, miteinander zu reden, statt bloß Verbote zu verhängen.

Florian Mayer, der im Vorstand der Marbacher Weingärtner sitzt, ist froh darüber, dass „Stand jetzt Steillagenweine als Sonderkultur ausgenommen sind.“ Denn die Steillagen seien ohnehin wegen des hohen Handarbeitsaufwands, den kaum noch jemand betreiben wolle oder könne, in ihrer Existenz bedroht. „Da wäre das Insektenschutzgesetz der letzte Dolchstoß, denn wenn man eh schon nicht viel damit verdient, darf nicht mehr viel kommen.“ Wenn man gegen Gräser kein Glyphosat mehr einsetzen dürfe, „wäre eine Motorsense die nächste Alternative, aber das wäre ein Mordsgeschäft. Und da muss man erst mal jemanden finden, der das macht.“ Es gehe also nicht nur um einen finanziellen Ausgleich. Streuobstwiesen, die als gesetzlich geschütztes Biotop gelten sollen, seien da besser dran. „Da kann man viel maschinell machen.“

Jürgen Häußermann, Geschäftsführer der landwirtschaftlichen Genossenschaft Labag in Marbach, sieht ebenfalls Probleme: „Ganz ohne Pflanzenschutz geht es auch bei Biolandwirten nicht.“ Denn Pilze, Insekten und Schadunkräuter werde es auch weiterhin geben. Durch das geplante Insektenschutzgesetz „muss man insgesamt den Agrarstandort Deutschland in Frage stellen. Dabei gibt es in keinem Land auf der Welt so gute Lebensmittel wie hier.“ Zudem mache man sich so vom Ausland abhängig, befürchtet er. „Und es ist die Frage, ob wir das wirklich wollen.“