Das Virus in einer kolorierten Elektronenmikroskop-Aufnahme Foto: www.mauritius-images.com

Das Epstein-Barr-Virus (EBV) ist vor allem als Auslöser des Pfeifferschen Drüsenfiebers bekannt. Es kann aber auch manche Krebserkrankungen verursachen – möglicherweise sogar mehr als bislang bekannt.

Stuttgart - Wer schon einmal das Pfeiffersche Drüsenfieber hatte, kennt das Epstein-Barr-Virus (EBV). Husten, Niesen oder ein Kuss können reichen, um sich mit diesem Virus aus der Herpesfamilie zu infizieren. Rund 90 Virustypen gehören zu dieser Gruppe – eher harmlose wie der Lippenherpes, aber auch solche, die Genitalherpes, Windpocken, Gürtelrose oder das Pfeiffersche Drüsenfieber verursachen.

Die Epstein-Barr-Viren gelangen zunächst in den Rachenraum und befallen Zellen der Nasen- und Mundschleimhaut. In den Mandeln infizieren sie einen bestimmten Typ der weißen Blutkörperchen, die B-Lymphozyten, die zum lymphatischen System des Immunsystems gehören. Deren Aufgabe ist es, in den Körper eindringende Erreger zu erkennen und abzuwehren. Die Epstein-Barr-Viren haben die B-Lymphozyten fortan im Griff und veranlassen sie dazu, sich zu teilen und zu vermehren. Über die Blut- und Lymphbahn verteilen sich die infizierten und veränderten B-Lymphozyten im Körper, gelangen zu inneren Organen und Lymphknoten. Betroffene Organe wie die Milz können dann anschwellen.

„Während das Virus bei Jugendlichen und Erwachsenen die Kusskrankheit in ganz unterschiedlicher Schwere verursachen kann, läuft die Infektion mit EBV bei Kindern unbemerkt oder zumindest vergleichsweise harmlos ab, so dass sie als Erwachsene von ihrer Infektion gar nichts wissen“, so Thomas Mertens, Ärztlicher Direktor der Virologie des Universitätsklinikums Ulm. Fakt ist: Wir sind fast alle mit dem Epstein-Barr-Virus infiziert und tragen es als lebenslangen Begleiter in den B-Lymphozyten klingt reichlich harmlos. Das Virus kann aber auch bestimmte bösartige Tumoren verursachen.

Immunschwäche als Risikofaktor

Normalerweise wird dieses Tumorvirus vom Immunsystem in Schach gehalten. Nicht so bei einer Immunschwäche. „Bei Patienten mit einer Immunschwäche nach Organ- oder Stammzelltransplantation kann sich aus einer EBV-Infektion eine lebensbedrohliche Erkrankung des Lymphsystems entwickeln, die so genannte Post-transplant Lymphoproliferative Disorder“, erzählt der Krebsforscher Henri-Jacques Delecluse vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg.

Aber auch bei gesunden Personen kann EBV gefährlich werden: In Äquatorialafrika ist das Virus mit einer besonders aggressiven Form von Lymphdrüsenkrebs, dem Burkitt-Lymphom, und in Südostasien mit einem bösartigen Tumor des Nasen-Rachenraums, dem Nasopharynxkarzinom, assoziiert. „Auch bei der Entstehung des Hodgkin-Lymphoms, einem bösartigen Tumor des Lymphsystems, das sich durch schmerzlose, geschwollene Lymphknoten bemerkbar macht, ist EBV beteiligt“, so der Virologe Wolfgang Hammerschmidt vom Helmholtz Zentrum in München. Bei der Hälfte aller Hodgkin-Lymphome findet man die Erbsubstanz des Virus. „Tatsächlich erhöht ein vorausgegangenes Pfeiffersches Drüsenfieber das Risiko beträchtlich, in den folgenden Jahren an einem Hodgkin-Lymphom zu erkranken“, warnt der Wissenschaftler. Und auch bei fünf bis zehn Prozent der Fälle von Magenkrebs ist EBV im Tumorgewebe zu finden. Darüber hinaus gibt es laut Delecluse deutliche Hinweise, dass das Epstein-Barr-Virus bei der Entstehung bestimmter Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose und der Rheumatoiden Arthritis eine wichtige Rolle spielt. Unterm Strich ist das Virus aber nur für etwa 1,5 bis zwei Prozent aller Tumore verantwortlich. „Deshalb wird es oftmals als nicht besonders gefährlich wahrgenommen“, so Delecluse. Das könnte ein Irrtum sein.

Der Forscher hat in Zusammenarbeit mit der Krebsforscherin Ingrid Hoffmann, ebenfalls vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, festgestellt, dass das Virus Körperzellen nicht nur dauerhaft, sondern auch latent infizieren kann. Während im ersten Fall das genetische Virusmaterial in den Zellen zu finden ist, ist es bei einer vorübergehenden Infektion nicht nachweisbar. Bei einer dauerhaften Infektion bindet sich das Virus an bestimmte Andockstellen auf der Außenseite der B-Lymphozyten und gelangt im weiteren Verlauf in sie hinein. Dort wird das Virus-Genmaterial dann in den Zellkern eingeschleust und eingebaut. So arbeiten die meisten Tumorviren. Wenn das Immunsystem schwächelt und die Viren nicht mehr in Schach halten kann, etwa infolge einer Organtransplantation, dann können diese B-Lymphozyten schnell wachsen und sich vermehren.

Viele unbeantwortete Fragen

Krebsforscher Delecluse und seine Kollegen konnten einen potenziellen weiteren Weg entschlüsseln über den das EBV Prozesse anstoßen könnte, die zu Krebs führen: Wenn eine sich teilende Zelle „latent“ in Kontakt mit dem Epstein-Barr-Virus kommt, dann führt ein bestimmtes Virus-Protein dazu, dass die Chromosomen im Zellkern nicht gleichmäßig auf die beiden Tochterzellen verteilt werden. „Das bedeutet ein erhöhtes Krebsrisiko“, sagt Delecluse. Was aufhorchen lässt, ist die Tatsache, dass die Forscher diese latente Infektion in Zellen gefunden haben, die nicht zu den B-Lymphozyten gehören. „Das bedeutet, dass es sich um andere Tumorarten handeln würde als die bislang mit dem Epstein-Barr-Virus assoziierten“, berichtet Delecluse. Das wären dann bösartige Tumore, die bis dato nicht mit EBV in Verbindung gebracht wurden, weil das Genmaterial des Virus auch nicht nachweisbar war. Viele Fragen sind noch unbeantwortet.

Vor diesem Hintergrund wäre es wünschenswert, einen Impfstoff zu haben, der eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus von vornherein verhindern könnte. Bislang gibt es aber keinen. „Einen Impfstoff gegen EBV zu entwickeln, ist ein sehr schwieriges Unterfangen. Zumal man nicht mit abgeschwächten Epstein-Barr-Viren arbeiten kann, da sie ja potenziell krebserregend sind“, sagt Delecluse. Das sei zu gefährlich. Die mögliche Lösung: Leere Virushüllen ohne genetisches Material sollen das EBV nachahmen und eine so starke Immunreaktion verursachen. Das Immunsystem soll auf diese Weise lernen, im Falle einer späteren EBV-Infektion mit dem Virus effizient gegen den Erreger vorgehen. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Bis dahin sollte man sich möglichst nicht mit EBV infizieren. Das ist allerdings nicht ganz einfach.

Pfeiffersches Drüsenfieber

Symptome Das Pfeiffersche Drüsenfieber – auch Infektiöse Mononuklose oder Kusskrankheit genannt – macht sich meist meist acht bis 21, teilweise auch erst bis zu 50 Tage nach der Ansteckung bemerkbar. Typische Symptome sind hohes Fieber, lang anhaltende Halsschmerzen sowie geschwollene Lymphknoten vor allem an Hals und Nacken. Zusätzlich können ausgeprägte Abgeschlagenheit und eine vergrößerte Milz auftreten.

Nachweis Eine genaue Diagnose erfordert den Nachweis spezifischer Antikörper gegen das Epstein-Barr-Virus (EBV) im Blut. Charakteristisch sind darüber hinaus aktivierte Lymphozyten im Blutausstrich und erhöhte Leberwerte.

Behandlung Körperliche Schonung und genügend Schlaf sind wichtig. Bei schweren Verläufen kommen Steroidhormone und andere Stoffe zum Einsatz, die die Aktivität des Immunsystems dämpfen. Bei der sehr selten auftretenden Luftnot kann es auch nötig sein, geschwollene Mandeln zu entfernen. Bei lebensbedrohlichen Verläufen der Mononukleose kommen Antikörper zum Einsatz, die EBV-infizierte B-Lymphozyten beseitigen. Präparate gegen die Vermehrung der Viren wie Ganciclovir und Aciclovir sind bei EBV-assoziierten Erkrankungen nur sehr begrenzt wirksam.