Marleen Klar Foto: Werner Kuhnle

Marleen Klar hat seit Jahren beruflich immer wieder mit Krebspatienten zu tun. Nun hat sie sich zur Onkolotsin fortbilden lassen. Mit ihrer Praxis in Affalterbach ist sie damit etwas Besonderes. Denn in Baden-Württemberg gibt es gerade einmal vier Onkolotsen.

Im Dienste der Gesundheit ist Marleen Klar ihr gesamtes berufliches Leben unterwegs. Sie begann als Arzthelferin bei einem Internisten, bildete sich zur Fachwirtin für ambulante medizinische Versorgung und Medizinprodukteberaterin fort und spezialisierte sich in Bereichen wie Onkologie, Palliativmedizin und Schmerztherapie. Kontakt mit Krebspatienten hatte die 42-Jährige in ihrer beruflichen Laufbahn und auch privat immer wieder – und regelmäßig sah sie die Hilflosigkeit von Menschen, die mit der niederschmetternden Diagnose einer Tumorerkrankung konfrontiert wurden. „Es fehlt nicht an der medizinischen Versorgung, aber das große Ganze hat keiner im Blick. Bei vielen Fragen fühlen sich Krebskranke allein gelassen“, lautet ihr Fazit aus jahrelanger Erfahrung.

Das neue Berufsbild soll Betroffenen helfen

Dem will sie von nun an etwas entgegensetzen – als so genannte Onkolotsin. Dieses neue Berufsbild, ein Projekt der sächsischen Krebsgesellschaft, soll Betroffene im Dschungel der Erkrankung ohne Zeitdruck beim Umgang mit Bürokratie und Emotionen unterstützen. „Ich kann ganz zielorientiert beraten, wofür Ärzten und Krankenhausmitarbeitern oft die Zeit und der richtige Blick fehlt“, erklärt die Mutter von vier volljährigen Kindern. Es sei eine Aufgabe, an der ihr Herz hänge und die ihre bisherige Arbeit bestätige.

Allerdings war eine gehörige Portion Zufall im Spiel, die Marleen Klar zu dieser Herzensangelegenheit gebracht hat. Anfang Februar sah sie im Frühstücksfernsehen einen Beitrag über Onkolotsen in Schleswig-Holstein und kam mit ihrer Krankengymnastin bei einer Behandlung ins Gespräch. „Sie hatte die Sendung auch gesehen und mir auf den Kopf zugesagt, dass das doch etwas für mich sei“, weiß Marleen Klar noch gut.

Marleen Klar betreibt eine Praxis in Affalterbach

Ein paar Internetrecherchen später stieß sie auf das Projekt der sächsischen Krebsgesellschaft und eine Vollzeit-Ausbildung, für die sie sich nur wenige Tage später anmeldete. „Das hat mich sofort angesprochen, sodass ich mir den nötigen Freiraum dafür geschaffen habe“, erzählt die 42-Jährige, die in Affalterbach eine Praxis betreibt. Vier Wochen lang jeweils vier Tage standen weniger ein medizinischer Überblick über Tumorerkrankungen im Fokus, sondern viele „soft skills“ wie Gesprächsführung, Beratungskompetenz und Netzwerkbildung – mit schriftlicher und mündlicher Prüfung zum Abschluss.

Marleen Klar kann nun Hilfestellungen geben bei Fragen, von denen Krebspatienten nicht wissen, wem sie sie überhaupt stellen sollen. „Die wenigsten Patienten würden ihrem Arzt offenbaren, dass sie finanzielle Probleme haben“, nennt Marleen Klar ein Beispiel. Sie weiß nun, dass unter Umständen bestimmte Versicherungen einspringen können und dass es einen Härtefonds der Deutschen Krebshilfe gibt. „Viele wissen auch nicht, dass man sich bei Krebskompetenzzentren eine Zweitmeinung einholen kann, dass sie Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis haben oder auf eine Haushaltshilfe, wenn Kinder im Spiel sind“, führt die 42-Jährige weiter aus.

„Onkolotsen kann man nicht genug haben“, findet sie

„In jeder Phase kommt Krebspatienten ein anderer Stein dazwischen“, weiß Marleen Klar nur zu gut. Sie bemüht sich, Pflegedienste und Sanitätshäuser bei Lösungen einzubinden, schaut danach, ob den Patienten Sport, Malen oder Musik guttut, kümmert sich um Familienangehörige und Freunde und arbeitet in Gesprächen die eigentlichen, tiefer liegenden Probleme heraus. Und wenn es sein muss, ist sie auch noch über den Tod eines Menschen hinaus für die Angehörigen da.

„Onkolotsen kann man nicht genug haben, in jeder Klinik sollte einer sein“, findet die 42-Jährige. Derzeit gibt es in ganz Deutschland rund 200 Onkolotsen, in Baden-Württemberg vier. „Zwei sind an Kliniken, eine Kollegin aus Biberach macht seit Jahren Yoga mit Krebspatienten“, erzählt Marleen Klar.

Krebsberatungsstellen könnten diese Arbeit nicht leisten. „Zum einen gibt es solche im ländlichen Raum gar nicht, zum anderen sind das Institutionen, die zwar beraten, aber nicht zu den Krebspatienten kommen“, zeigt die 42-Jährige die Unterschiede auf. Bei Hausbesuchen bekomme man einen ganz anderen Blick auf das Umfeld und sehe die Dinge in einem größeren Zusammenhang. „Da erkenne ich zum Beispiel, dass es Enkel gibt, oder dass der Patient früher Motorrad gefahren ist, wenn entsprechende Bilder an der Wand hängen“, erläutert Marleen Klar.

Umsonst ist der Dienst der Onkolotsen zwar nicht. Die Kosten sollen aber zukünftig über die so genannten niedrigschwelligen Entlastungsleistungen von der Pflegekasse erstattet werden. „In einigen Bundesländern ist das schon möglich, in Baden-Württemberg läuft noch ein Verfahren dazu“, erzählt Marleen Klar – eine Lotsin, die auch in stürmischen Zeiten für Krebspatienten den Überblick behält.