Ob und inwieweit der junge Mann für seine Foto: unitypix/ / Fotolia

Das Landgericht Heilbronn vernimmt die ersten Zeugen im Fall eines 26-Jährigen, der wegen zehn Gewaltdelikten angeklagt ist. An diesem zweiten Verhandlungstag wird auf einige dieser Delikte näher eingegangen.

Marbach - Es ist der zweite Verhandlungstag, und erneut sitzt an diesem Donnerstagmorgen eine Riege Polizisten in der ersten Zuschauerreihe des großen Saals im Landgericht Heilbronn. Bewusste Präsenz? Oder eine Vorsichtsmaßnahme? Fest steht: Sollte das alles zutreffen, was die ersten von insgesamt 39 Zeugen des Prozesses später über den 26-Jährigen aussagen, dürfte dessen Aggressionspotenzial erheblich sein.

Eine ganze Reihe von Körperverletzungen und Sachbeschädigungen wird dem in Deutschland geborenen Sohn libanesischer Flüchtlinge vorgeworfen (wir berichteten). Zehn unkontrollierte Gewaltausbrüche verzeichnet die Anklageschrift. Das Gericht beleuchtete einige von ihnen an diesem Verhandlungstag.

Zunächst hatte der Angeklagte selbst das Wort. „Ich wurde vom Vater geschlagen und in eine Besenkammer gesperrt“, sagte der 26-Jährige, als ihn der Richter bat, von sich zu erzählen. Er lebe bei seinem Vater in Marbach, wolle wegen seines täglichen Drogenkonsums mit „Gras und Opiaten“ eine Drogentherapie absolvieren – durch den aktuellen Entzug während seiner Untersuchungshaft habe er von 125  auf 160 Kilo zugenommen, worunter er leide. Später erwähnte er, auch schon mal 258  Kilo gewogen und deshalb als Arbeitsloser tagsüber viel Sport getrieben zu haben. Er wolle seine Verlobte, die er vor Gericht als „Alkoholikerin“ bezeichnete, heiraten – es ist die Frau, die er im Februar 2019 mehrfach mit der Faust ins Gesicht geschlagen, gewürgt und in seiner Wohnung festgehalten haben soll.

Die Ex-Freundin hat nach der Tat Anzeige erstattet

Die Frau mit osteuropäischer Herkunft bestritt auf Nachfrage des Richters, den 26-Jährigen heiraten zu wollen. Sie hatte nach der Tat Anzeige erstattet: „Er ist einfach ausgerastet auf der Straße, hat herumgeschrien und mich geschubst.“ Auf der Treppe im Haus habe er dann zugeschlagen. Dabei habe er ihr die Nase gebrochen. Warum sie dann bei ihm übernachtet habe, fragte der verblüffte Richter. „Ich hatte Angst, dass er mir wieder etwas antut.“ Sie hätten Sex gehabt. An die bei der Polizei zu Protokoll gegebene Drohung „,Du gehst hier nicht lebendig raus.’ Er gehe sowieso in den Knast und gelte als behindert“ – wollte sich die Zeugin nicht erinnern, wobei sie auf Nachfrage gestand, dass ihr der 26-Jährige fehle. Angesichts des gewichtigen Tatvorwurfs riet ihr der Richter, sich noch einmal genau zu überlegen, was sie vor Gericht aussagen wolle. Er werde sie als Zeugin notfalls noch mehrere Male vorladen, um der Wahrheit näher zu kommen.

Sauer reagierte der Vorsitzende Richter auch auf das Ausbleiben mehrerer jüngerer Zeugen, die den 26-Jährigen gesehen haben sollen, als er im Mai auf dem Parkdeck Solitude in Ludwigsburg einen Mann angegriffen und ihn gegen den Kopf getreten haben soll. Gegen sie verhängte er ein Ordnungsgeld von jeweils 150 Euro und drohte eine Ordnungshaft an. Ein an den Tatort gerufener Polizist erinnerte sich vor Gericht deutlich an den Satz „Ich habe ihm jetzt mal zwei Fäuste gegeben“, die der Angeklagte quasi im Vorbeigehen von sich gegeben habe. „Ich hatte den Eindruck, es war selbstverständlich für ihn oder er war stolz darauf.“

Der Angeklagte hat dem Arzt ins Gesicht geschlagen

Getänzelt haben soll der 26-Jährige, als er dem Oberarzt der Station in der psychiatrischen Klinik den zweiten Faustschlag ins Gesicht verpasste – diesen Eindruck gab der Mediziner vor Gericht wieder. Dabei wollte der Arzt ihn schon am nächsten Tag entlassen, was aber den Zorn des jungen Mannes erregte, der sich wegen Depressionen und Suizidgedanken dort freiwillig eingefunden hatte.„Ich wollte Kontakt aufnehmen und deeskalieren“, sagte der Oberarzt. In seinem Wutanfall habe der Patient die Worte fallen lassen „Dann bringe ich euch um“. Während seiner Attacke schlug er noch einen Arzt und einen Pfleger, die beide vor Gericht aussagten.

Vor Gericht zur Sprache kam auch der Vorfall zwei Tage später in Marbach. Der 26-Jährige rastete im Rathaus aus, nachdem er dort als Sozialhilfeempfänger drei Tage zu früh dran war und kein Taschengeld erhalten hatte. Hintergrund waren Schulden durch seinen Drogenkonsum. Dabei zertrümmerte er Scheiben an Aufzug und Eingangstür. Zu Hause verletzte er sich mit einem Messerstich in den Bauch und griff danach Notarzt, Sanitäter und Polizisten an, wobei er mutmaßlich auch eine Waffe an sich reißen wollte. „Ich war frustriert und wusste nicht, was ich machen sollte“, sagte der Angeklagte zu seiner Selbstverletzung. Nach eigenen Angaben höre er regelmäßig eine weibliche Stimme, die ihm befehle, sich oder anderen etwas anzutun. Allerdings hätte das keine Rolle bei den Taten gespielt, sagte der 26-Jährige, als ihn der Gerichtspsychologe zu jedem Vorfall einzeln befragte.