Das Lugplätzle soll zur Wein-Lese-Laube werden. Wann genau, ist aber jetzt wieder offen. Foto: Baldauf Architekten und Stadtplaner

Der Planer hat dem Marbacher Gemeinderat seine Ergebnisse für die Gestaltung der Fußgängerzone vorgestellt – doch der Fahrplan des Großprojekts wackelt.

Marbach - Gebetsmühlenartig wurde im Marbacher Gemeinderat darauf hingewiesen, dass die Fußgängerzone dringend ein Facelifting braucht, besser heute als morgen. Deshalb wurde auch an einem ehrgeizigen Zeitplan gestrickt, wonach die gute Stube der Stadt vom kommenden Jahr an herausgeputzt werden sollte. Dahinter steht seit Donnerstag allerdings ein dickes Fragezeichen. Der Gemeinderat gab da in einer fast vierstündigen Marathonsitzung und nach intensiven Diskussionen zwar im Grundsatz grünes Licht für den Vorentwurf des zuständigen Planers Christof Weigel vom Büro Baldauf Architekten in Stuttgart. Allerdings wollte das Gremium ohne vorherige Rücksprache mit dem Stadtmarketingverein noch nicht an alle wesentlichen Punkte einen Knopf machen. Damit kann es passieren, dass sich das ganze Projekt so weit verzögert, dass die Bagger doch nicht im kommenden Jahr anrücken können.

Alles war nämlich darauf ausgerichtet, bei der nächsten Zusammenkunft des Gremiums am 19. November die endgültige Planung zu verabschieden und den Baubeschluss zu fassen. Sollte Christof Weigel nun allerdings nach der Intervention des Stadtmarketingvereins in elementare Bausteine seines Konzepts eingreifen müssen, kann er eine überarbeitete Planung bis zum vorgesehen Termin nicht liefern. Das machte der Fachmann unmissverständlich klar. „Wir können nicht alles offenhalten“, betonte er. Vieles baue aufeinander auf. So seien die Standorte der Straßenleuchten mit der Platzierung der Bäume abgestimmt. Auch die Anordnung der angedachten Anziehungspunkte, an denen man beispielsweise mit einem Fernrohr im Geiste Tobias Mayers mit Winkeln und Entfernungsberechnungen auf Entdeckungsreise gehen könnte, sei nicht nach dem Zufallsprinzip erfolgt, sondern in Anlehnung an die Bepflanzung. Davon, was wo ist, hänge auch ab, wo Leitungen verlaufen. „Man kann über einzelne Baumsorten diskutieren oder die Anziehungspunkte anders bestücken. Es geht aber darum, nicht das ganze Gefüge zu verändern“, erklärte Weigel.

Wird das aber je gewünscht, können die Würfel endgültig erst im Dezember fallen. Anschließend müsse die Ausschreibung vorbereitet werden und die Arbeiten vergeben werden, erklärte Bauamtsleiter Dieter Wanner am Rande der Sitzung. Bis es dann schließlich losgehen könne, rücke man schon so weit an die kalte Jahreszeit heran, dass sich ein Aufreißen der Fußgängerzone 2021 schon kaum noch lohne. Anders bei einem Beschluss im November. Da hätte es gerade so gereicht, dass der Spatenstich für die gut zweijährige Sanierung vonstatten gehen könnte.

Dieser Konsequenz waren sich die Räte bewusst. Dennoch wollten sie lieber nochmals eine Runde durch die Gremien drehen, statt jetzt schon zu allem Ja und Amen zu sagen. „Wir haben Bürgerbeteiligungsprozesse, und diese Entscheidungsprozesse sollten wir bei einer Entscheidung, die Jahrzehnte halten muss, sauber führen“, sagte Jochen Biesinger von der CDU. Man wolle deshalb zunächst die Meinung des Stadtmarketingvereins (SSM) hören. Außerdem sollten die Ergebnisse der parallel laufenden Entwicklung eines neuen Marketingkonzepts eingeflochten werden. Barbara Eßlinger von den Grünen empfahl ebenfalls, sich bei diesem wegweisenden Projekt nicht „wegen vier Wochen unter Druck“ setzen zu lassen. Zumal ja durchaus noch Veränderungen ins Haus stehen könnten, die eine Modifizierung der Planung heraufbeschwören würden. In dem Zusammenhang erinnerte sie insbesondere an die Anzahl der Bäume.

Dieses Thema könnte tatsächlich zum alles entscheidenden Knackpunkt werden. Denn Nicole Schmidt, Beisitzerin im SSM, verdeutlichte, dass es in der Hinsicht noch Redebedarf gebe, sie also jetzt keine Haken hinter die Standorte machen könne – womit die Kuh vom Eis gewesen wäre und Christof Weigel auf der bisherigen Basis hätte bis November weiterplanen können. „Wir wollen uns sicher sein, dass es nur so funktioniert“, sagte Schmidt zu den Baumstandorten. Man habe sich intern gefragt, ob acht Gewächse in Zeiten des Klimawandels nicht etwas dürftig sind.

Allerdings waren auch die Räte nicht restlos überzeugt von dem Konzept, das Weigel ihnen vorgelegt hatte. Ihre Befürchtung war vor allem, dass vielleicht zu viel in die Fußgängerzone hineingepackt wird. „Weniger ist mehr“, sagte Sebastian Engelmann von den Grünen, für den das Ganze auch mit den verstreut eingeplanten Spielgeräten zu überfrachtet wirkte. „Wir brauchen etwas aus einem Guss“, pflichtete Dr. Michael Herzog von den Freien Wählern bei. Man dürfe nicht alles zustellen und brauche Platz für Veranstaltungen. Das Auge dürfe nicht überfrachtet werden, empfahl auch Ulrich Frech von der CDU. Christof Weigel betonte jedoch auf diese Einwände hin, dass er das ganz genauso sehe und deshalb nur drei größere Anziehungspunkte wie das Lugplätzle als Wein-Lese-Laube geplant seien. Und gestalterische Elemente wie die geplanten Pflanzentröge seien beweglich. Die Sitzbänke könnten bei Bedarf abmontiert werden. Ernst Morlock von der SPD sprang dem Planer dann auch zur Seite und gab zu bedenken, dass dieser quasi die Quadratur des Kreises hinbekommen müsse angesichts der unterschiedlichen Vorschläge und Vorstellungen, die von allen Seiten auf ihn einprasseln.

Welche Ideen der Stadtmarketingverein noch im Köcher hat und wie er einzelne Eckpunkte sowie Details sieht, die ihm zur Prüfung überlassen wurden, wird man in den nächsten Tagen sehen. Dann soll ein Gespräch mit den Verantwortlichen anberaumt werden, sagt Bürgermeister Jan Trost auf Nachfrage. Sich vorher ein Stimmungsbild von dieser Seite einzuholen, sei nicht möglich gewesen. Mit dem Lockdown habe sich der SSM auf die Aktion „Marbach handelt“ fokussiert. Zudem musste sich erst eine neue Spitze finden, nachdem sich Simon Wurm aus dem Vorstand zurückgezogen hatte. „Nachdem nun der Vorstand seit letzten Freitag wieder komplett ist, hat der SSM das Thema Fußgängerzone aufgegriffen und mit einer Mail am Montag, 12. Oktober, die Verwaltung und den Gemeinderat darum gebeten, sich noch in die Planung einbringen zu dürfen“, berichtet der Rathauschef. Und diese Bitte habe man natürlich nicht ausschlagen wollen, da im Verein etliche kreative Köpfe säßen. Wie von den Räten gefordert, werde man auch die Ergebnisse aus der Marketingstudie noch in das Konzept einfließen lassen. Und Trost hält es auch nicht für völlig ausgeschlossen, dass selbst bei einem Baubeschluss im Dezember ein Spatenstich in 2021 möglich ist. Denkbar wäre das womöglich, wenn man im Sommer eine Sondersitzung einbaue, in der die Arbeiten vergeben werden.