Jan Trost berichtet von verzweifelten Händlern. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Der Bürgermeister Jan Trost berichtet, welche Folgen die Corona-Krise für die Stadt und die heimische Wirtschaft hat.

Marbach - Die Corona-Krise ist nicht nur eine enorme Herausforderung für das Gesundheitssystem. Die Auswirkungen sind auch für die Wirtschaft verheerend. Betriebe melden Kurzarbeit an, Einzelhändler mussten ihre Läden schließen und bangen nun um ihre Existenz. Über kurz oder lang werden die Kommunen die Folgen ebenfalls zu spüren bekommen. Der Marbacher Bürgermeister Jan Trost betont, dass einige Posten sofort zusammengestrichen werden. Die Sanierung der Fußgängerzone wird aber wohl trotzdem kommen.

Herr Trost, die Wirtschaft befindet sich im Sinkflug, die Börsen spielen verrückt. Das Corona-Virus belastet also auch die Konjunktur. Wird das auch die Stadt Marbach zu spüren bekommen?

Was an den Börsen gerade passiert, gab es so noch nie nach Ende des Krieges. Die Kurse sind unterm Strich drastisch eingebrochen. Und alle Experten sagen, dass wir in Deutschland und weltweit massive wirtschaftliche Probleme bekommen werden. Momentan sind die stärksten Einbußen seit der großen Finanz- und Bankenkrise zu spüren. Das wird sich natürlich auch auf uns als Kommune auswirken. Wir haben darauf schon reagiert.

In welcher Form?

Wir haben uns verwaltungsintern zusammengesetzt und alle Ausgaben, die nicht absolut zwingend sind, um das System am Laufen zu halten, auf Eis gelegt.

Welche Posten sind das konkret?

Da geht es unter anderem um Aus- und Fortbildungen oder Unterhaltungsmaßnahmen von Gebäuden. Solche Dinge werden, wenn möglich, geschoben.

Reicht das? Oder müssen nicht auch irgendwelche Großprojekte auf die Streichliste?

Das lässt sich derzeit nur schwer abschätzen. Wir müssen die Situation sehr genau beobachten. Das hängt alles in starkem Maße davon ab, wie lange das öffentliche Leben ruht und wie lange die Verordnungen gelten müssen. Dann kommt es darauf an, wie schnell und in welchem Umfang sich die Wirtschaft erholt. Tatsache ist aber auch, dass sich manche Projekte gar nicht mehr stoppen lassen. Die Bauarbeiten im Bildungszentrum, die alles in allem 21 Millionen Euro kosten, laufen schon auf Hochtouren. Da hängen auch Fördermittel dran.

Wie schaut es mit der angedachten Verschönerung der Fußgängerzone aus? Lässt sich hier noch die Bremse einlegen? Viele Geschäftsleute sind doch jetzt schon gebeutelt. Wenn die Bagger schon im nächsten Jahr anrücken und der Zugang zu den Geschäften erschwert ist, könnte das unter Umständen für den einen oder anderen kaum noch zu verkraften sein.

Diese schwierige Gemengelage sehe ich auch. Das Problem ist, dass dieser Zug im Grunde schon längst aufs Gleis gesetzt ist und eng mit dem geplanten Fernwärmenetz verbunden ist. Die Arbeiten dazu müssen in diesem Jahr starten, 2021 wird es in der Marktstraße weitergehen, sodass die Sanierung der Fußgängerzone und die Verlegung der Leitungen in der Altstadt in einem Aufwasch vonstatten gehen können.

Und das alles lässt sich nicht um ein Jahr verschieben?

Das wird vermutlich nicht funktionieren. Die Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim als Betreiber des Fernwärmenetzes haben mit Abnehmern schon Verträge abgeschlossen. Der Zeitplan ist im Prinzip ebenfalls fix. Da haben wir gegenüber den Stadtwerken wenig Spielraum. Insofern wird es schwer, hier wieder rauszukommen.

Das klingt aber so, als würden Sie sich eine Verschiebung dieses Projekts wünschen?

Wenn wir die Folgen der Krise abschätzen können, müssen wir uns sicher mit dem Gemeinderat zusammensetzen und darüber diskutieren, wie die nächsten Schritte aussehen werden.

Die Mittel, die für solche Vorhaben wie die Sanierung der Fußgängerzone benötigt werden, sind das eine, die laufenden Kosten das andere. Kann da angesichts der momentane Lage auch eine Kommune in Zahlungsschwierigkeiten kommen?

Wenn wir alle nicht systemrelevanten Ausgaben schieben und die Krise in einem überschaubaren Zeitpunkt zu Ende ist, sind Zahlungsengpässe nicht zu befürchten. Bei uns wird die Flaute aber sicher auch zeitversetzt ankommen. Schon jetzt ist klar, dass wir beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer mit deutlichen Verlusten zu rechnen haben. Viele Menschen sind in Kurzarbeit oder haben ihren Job sogar verloren. Fest steht zudem, dass der Ansatz für die Gewerbesteuer von 5,5 Millionen Euro nicht zu halten sein wird. Die globale Krise trifft auch die Großunternehmen wie Daimler und BMW. Wenn diese Konzerne keine Autos produzieren, sind natürlich auch Zulieferer wie bei uns BBP betroffen. Hainbuch hat ebenfalls mit der einbrechenden Konjunktur zu kämpfen.

Das klingt schlimm. Gibt es irgendetwas Positives, das man aus der ganzen Entwicklung mitnehmen kann, weil beispielsweise Baupreise sinken und Projekte dadurch günstiger werden?

Die Auswirkungen sind so gravierend, dass ich momentan nichts Positives in der Situation erkennen kann. Wenn man zeitnah die Zahl der Infizierten in den Griff bekommt, geht es aber hoffentlich auch wirtschaftlich wieder aufwärts. Im Sinne aller kann ich nur immer wieder appellieren, sich an die Vorgaben zu halten und soziale Kontakte zu vermeiden.

Kann die Stadt den Firmen oder Einzelhändlern in irgendeiner Form unter die Arme greifen?

Das ist schwierig. Und die Verzweiflung bei den Händlern ist riesig. Wir haben aber sofort auf unserer Homepage auf die Fördermittel aus den Programmen von Bund und Land hingewiesen. Die Situation ist aber wirklich extrem. Insofern bin ich über unser gutes Netzwerk in Marbach sehr dankbar, das aktuell versucht, zu helfen, wo es geht. Die Marbacher Zeitung führt eine Übersicht der Erreichbarkeit der örtlichen Geschäfte, die Facebook-Gruppe „Die Marbacher“ hat ihre Plattform für Angebote des lokalen Handels geöffnet, und auch unsere Nachbarschaftshilfe trägt dazu bei, dass Einkäufe auch weiterhin in Marbach getätigt werden. Auch hier möchte ich die Gelegenheit nicht auslassen, nochmals alle Marbacherinnen und Marbacher darum zu bitten, diese Angebote zu nutzen. Wir werden auch weiterhin nach Wegen suchen, unsere Firmen und Einzelhändler zu unterstützen und sind für Anregungen offen.