Vier Menschen in einem Raum – Sprachlosigkeit und Ängste schütteln sie. Foto: Werner Kuhnle

Das Theater 360 Grad zeigte, wie Sprechverbote Menschen verformen. Das Schauspiel, verfasst und geleitet von Alexander Ilic, war der Abschluss der zweiten Marbacher Theaterfestspiele im Schlosskeller.

Marbach - Vier Menschen, drei Frauen und ein Mann, existieren in einem geschlossenen Raum. Sie wissen nicht genau, warum sie dort sind, sie werden getrieben und durchgeschüttelt, zunächst von Sprachlosigkeit, dann von Ängsten. Diese Situation zeigte „Das Unsagbare“, eine Stückentwicklung des Stuttgarter Theaters 360 Grad. Das Schauspiel, verfasst und geleitet von Alexander Ilic, war der Abschluss der zweiten Marbacher Theaterfestspiele im Schlosskeller, veranstaltet vom Kulturverein „Südlich vom Ochsen“.Bewegt hat das Stück die Zuschauer durch die hohe Intensität des Spiels und die rätselvolle Atmosphäre. Vier Menschen auf einer Bühne, nur vier Sitzhocker, und eine Zeitlang fiel, trotz sichtbaren Sprechbewegungen, kein lautes, hörbares Wort. Angst vor dem „Unsagbaren“ hemmte sie: Thomas Brune war Klaus, der Älteste, der einzige Mann, meist zurückhaltend und leise. Katja Schermaul, die die Kathrin spielt, gab die Rationale, Vernünftige und schnell Entschlossene. Aynur Lovric war die offen Leidenschaftliche, die an der Trennung von ihrem geliebten Mann Werner litt. Anne Penkert wirbelte als Lotta herum, eine Frau mit überschießender Energie und starken Gefühlen, dann wieder entrückt und schwer durchschaubar.Diese Vier versuchten, mit ihrer Isolierung klarzukommen – dem Raum, in dem sie, wie Sheila ausgerechnet hatte, seit 254 Tagen lebten. Sie wussten nicht, warum sie dort sind, nicht einmal, wer sie dort hingebracht hat oder überwachte. Aber sie hatten Angst, Angst vor „Grenzen“, die sie nicht überschreiten durften. Eine dichte Reihe von hoch emotionalen, teils verwirrenden und doppeldeutigen Szenen: Auf Ausbrüche der Verzweiflung folgten Momente, in denen die Vier einander versicherten, sich zu lieben - „Du bist schön“ schwärmte Lotta jede an.

In Rückblenden wurden nur zwei der Biografien klarer: Kathrin entpuppte sich als phrasenhaft formulierende Politikerin, Klaus als Unternehmer, der seine Smart-Home-Security-Firma zum Weltmarktführer gemacht hat. Klaus, als Experte für Sicherheitstechnik enttarnt, bekam den Auftrag, herauszufinden, wie der Raum gesichert wird. Er begutachtete alles gründlich und fand – nichts.

Tiefes Misstrauen, jeder gegen jeden, machte sich in dem Raum breit wie ein Gift. „Was wäre, wenn das alles hier nur von Lotta erdacht ist? Oder von Sheila? Oder von diesem Werner, von dem sie immerzu schwärmt?“

Vier Menschen, gefangen in einem realen Gefängnis, oder doch in ihren eigenen Worten, Gedanken? Eine Auflösung gab es nicht. Alexander Ilic hat ein bewusst mehrdeutiges Spiel auf die Bühne gebracht, ohne plakative politische Aussage. Es blieb der beklemmende Eindruck, wie die Gefühle von Menschen unter Druck, in abgeschlossenen Räumen, entgleisen können.