Viele Lebensmittel müssen aus rechtlichen Gründen aussortiert werden. Das heißt aber nicht, dass sie nicht mehr genießbar wären. Foto:  

Infoveranstaltung zum Foodsharing stößt auf große Resonanz. Einige wollen gleich loslegen.

Marbach - Pro Sekunde werden alleine in Deutschland 313 Kilogramm Lebensmittel im Müll entsorgt. Mehr als die Hälfte davon könnte eigentlich noch verwendet werden. Und wäre die Nahrungsverschwendung ein Land, würde es weltweit zu den drei größten CO2-Emissären gehören. Zahlen und Fakten wie diese, die Eva Kissel am Freitag zum Infoabend über Foodsharing in die Räumlichkeiten der VHS mitgebracht hatte, sind traurig und ärgerlich – sollen aber nach dem Willen der Marbacherin nicht in Stein gemeißelt sein. Sie warb dafür, alte Verhaltensweisen über Bord zu werfen, sich in Kleingruppen zu organisieren und in solchen Netzwerken all das Essen, das man nicht mehr braucht, zu teilen. Allerdings machte der Infoabend auch deutlich, dass hierbei vor allem Eigeninitiative gefragt ist.

Begeistert von dem Ansatz, wollten nämlich gleich mehrere der rund 30 Besucher im knackevollen Saal am liebsten sofort loslegen. Nur: Sie wussten nicht so recht, wie das konkret funktioniert und wie die ersten Schritte aussehen müssten. Eva Kissel erklärte, dass es zwei Wege gebe, die jeweils einen gewissen eigenen Einsatz mit sich bringen. Zum einen könne man versuchen, in der Nachbarschaft eine Gruppe aufzubauen, in der übrig gebliebene Bananen, Äpfel und Co. angeboten werden, stets unentgeltlich wohlgemerkt. „Lokal ist die Zukunft“, sagte Kissel. Wobei der Austausch genausogut mit Geschäftskollegen oder innerhalb von Vereinen erfolgen könne. Zum anderen sei es möglich, die Route über den Verein Foodsharing einzuschlagen, dem Eva Kissel selbst angehört. Hier kann man sich nach einer Probephase als so genannter Foodsharer registrieren lassen, der von Partnergeschäften wie Kaufland abholt, was vom Tage übrig blieb und es weiterverteilt oder selbst verbraucht.

Dass all das keine graue Theorie oder irgendwelche unpraktikablen Fantasien sind, unterstrich Eva Kissel anhand eines Beispiels aus dem Hörnle. Dort wird das Lebensmittelteilen nämlich längst gelebt. Das Modell funktioniert hier auf zwei Ebenen, wie Andrea von Smercek am Rande der Veranstaltung erläuterte. In einer WhatsApp-Gruppe mit derzeit 34 Mitgliedern aus dem Stadtteil werde hineingestellt, was man gerade abzugeben hat, sagte von Smercek, die selbst im Hörnle wohnt, aber zugleich auch als städtische Beauftragte für bürgerschaftliches Engagement die Aktion unterstützt. Überdies komme Eva Kissel als Foodsharer regelmäßig mit einer Lieferung von Lebensmitteln vorbei. Die Güter werden im Hof der evangelischen Kirchengemeinde platziert, die Nachricht darüber per Internet verbreitet. „Das ist dann schnell verteilt“, sagte Andreas von Smercek. Die Garage, die die Christen als Lagerstätte angeboten hatten, müsse deshalb gar nicht in Anspruch genommen werden. „Das Prinzip ist immer: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“, erklärte sie. Und angestrebt werde, die Idee nun in anderen Stadtteilen wie Marbach-Süd zu etablieren – oder auch in Steinheim und Pleidelsheim. Aus diesen Kommunen waren nämlich ebenfalls Bürger zu dem Infoabend angereist, die Interesse an der Aktion zeigten.

Sie alle wollen dazu beitragen, die unnötig hohen Abfallberge an Lebensmitteln zu reduzieren. Zu den Zielen gehöre aber auch, Ideen und Wissen auszutauschen, betonte Eva Kissel. Wenn man sich schlaumache, wie dies und das länger haltbar gemacht werden kann, sei ebenfalls etwas gewonnen, weil weniger im Abfall entsorgt wird. Wer sich von der Wegwerfmentalität verabschiede, merke das zudem im Geldbeutel. Pro Person und Jahr ließen sich 235 Euro sparen. Obendrein werde weniger Anbaufläche benötigt, letztlich also Ressourcen und das Klima geschont.

Ein Anfang dafür konnte schon am Freitag bei der Kick-off-Veranstaltung zum Foodsharing gemacht werden. Jeder durfte zu der Veranstaltung zuhause ausrangierte Lebensmittel mitbringen und mitnehmen. Der zu Beginn dicht bepackte Tisch war am Ende nahezu leer. Produkte, die sonst im Müll verschwunden wären, landen damit dort, wo sie hingehören: im Magen.