In der Niklastorstraße 12 hat Pauline Stiegler gewohnt. Foto: Phillip Weingand

Die Stadtverwaltung will das Gedenken an das NS-Opfer Pauline Stiegler pflegen. Der Verwaltungsausschuss entscheidet am Donnerstag.

Marbach - Marbach bekommt seinen ersten Stolperstein, sollte der Verwaltungsausschuss des Marbacher Gemeinderats am Donnerstag zustimmen. Eine kleine Messingplatte auf dem Gehweg vor der Niklastorstraße 12 erinnert dann an Pauline Stiegler. Die am 30. März 1906 geborene behinderte Frau lebte von 1917 bis 1926 in dem Haus. Anschließend war sie in der Landesfürsorgeanstalt in Markgröningen untergebracht. Von dort holten sie die Nazis 1940, um sie zu ermorden. Das taten sie im Rahmen der Euthanasie in der so genannten Landespflegeanstalt Grafeneck im Kreis Reutlingen. Dort kamen 10 654 behinderte Menschen, vor allem aus Bayern und Baden-Württemberg, ums Leben. Der Bürgermeister Jan Trost reagiert damit auf eine Anfrage der Stolperstein-Initiative Ludwigsburg. Marc Haiber, ein Pfleger des Landeskrankenhauses Markgröningen, hatte die Geschichten von Heimbewohnern recherchiert, die während der NS-Zeit umgebracht worden waren. „Die Niklastorstraße  12 war der letzte frei gewählte Wohnort Pauline Stieglers“, weiß der Bürgermeister. Vor diesen Wohnungen würden in der Regel die Stolpersteine angebracht. Für Trost sind die Mahnzeichen auch eine Erinnerung daran, „dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir heute in Frieden und Freiheit leben und keine Angst vor rassistischer Verfolgung haben müssen“.

Ähnlich denkt Christa Knorpp, die das Haus heute bewohnt. Ihr gehört das Grundstück. Die Stadtverwaltung bat sie um Erlaubnis, auch um sicher zu gehen, nachdem vor zwei Jahren im Stuttgarter Süden Hauseigentümer wegen angeblicher Wertminderung ihrer Immobilie vor Gericht gezogen waren. „Da zuzustimmen, ist für mich eine Selbstverständlichkeit“, sagt dagegen Christa Knorpp auf Anfrage unserer Zeitung und spricht von einem „großen Elend, was damals passiert ist“. Man sollte daran erinnern, dass so etwas Schlimmes getan worden sei. Sie selbst lebe seit 1961 in dem Haus ihres verstorbenen Mannes. Dessen Familie habe es 1911 erworben.

Diese Angaben decken sich mit dem Wissen des Marbacher Stadtarchivars Albrecht Gühring. Er forschte unter anderem im Standesamt und verglich die Daten mit den Angaben Marc Haibers, der Pauline Stieglers 1923 geborene Halbschwester Hedwig interviewt hatte. Demnach ist Pauline Stiegler als uneheliches Kind in Stuttgart geboren. Ihre Mutter Louise hatte im Jahr 1908 Eduard Entenmann geheiratet und mit der Familie erst in Benningen gewohnt, erzählt der Stadtarchivar. Mit Entenmann habe sie neun weitere Kinder bekommen, von denen aber vier bei oder kurz nach der Geburt starben. Als Vierjährige fiel Pauline Stiegler die Kellertreppe hinunter, berichtet Gühring. Sie sei erst nach Stunden aufgefunden worden, was zu ihrer geistigen Behinderung geführt habe. „Ihr Kopf war deformiert, sie konnte anfangs noch selbst essen und sich eigenständig anziehen – das ist aber im Laufe der Zeit nicht mehr möglich gewesen.“ Man habe sie schweren Herzens in die Klinik gegeben.