Aus der Traum: Die Felder bleiben Felder. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Gremium legt Ausweisung auf Eis, weil Verhandlungen mit Bauträgern gescheitert sind.

Marbach - Hinter den Kulissen wurde lange gerungen. Speziell das Thema, möglichst viel Wohnraum zu schaffen, den sich auch Normalverdiener wie Krankenschwestern oder Facharbeiter leisten können, wurde heiß diskutiert. Doch am Ende kamen Stadt und Bauträger, die sich einen Großteil der Grundstücke in den Kreuzäckern gesichert hatten, nicht zusammen. Deshalb zog der Gemeinderat am Donnerstag größtenteils zähneknirschend die Reißleine. Das Gremium votierte einmütig dafür, das anvisierte Neubaugebiet an der Affalterbacher Straße auf Eis zu legen. Doch das muss nicht das letzte Wort für alle Zeiten sein. Die Fraktionen räumten schließlich ein, im Vorfeld strategische Fehler begangen zu haben – aus denen für die Zukunft gelernt werden soll, um dann vielleicht unter anderen Voraussetzungen einen neuen Anlauf unternehmen zu können.

So müsse sich die Stadt ankreiden lassen, eventuell zu ungeduldig gewesen zu sein, monierte Dr. Michael Herzog von den Freien Wählern. Mit einem längeren Atem hätte man die Flurstücke vielleicht selbst erwerben können. Stattdessen „haben wir den Verkauf des Ackerlandes dem Markt überlassen, und das zu einer Zeit, in der die Baupreise auf dem überhitzten Markt in astronomische Höhen gestiegen sind“. Deshalb sei Bauland entstanden, „das vermutlich einen vierstelligen Betrag pro Quadratmeter kosten“ werde. Letztlich könne somit kein bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden – was man sich eigentlich auf die Fahne geschrieben habe. Die Freien Wähler forderten deshalb einen Stopp des Ganzen mit späterem Neustart. Aber dann aus der Position desjenigen, der über den Grund und Boden verfügt und damit Herr des Geschehens ist.

Heike Breitenbücher von der CDU machte sich ebenfalls für eine gründliche Fehleranalyse stark. Womöglich könne ein neues Baugebiet tatsächlich nur entwickelt werden, wenn die Stadt „vorab die Möglichkeit hat, alle Grundstücke zu erwerben“. Fakt sei jedenfalls, dass man sich von dem Ziel entfernt habe, „preisgünstigen Wohnraum für junge Familien bieten zu können“. Und man sollte sich nicht den Kräften des freien Marktes unterwerfen müssen. Wobei sie weder Grundstückseigentümern noch Wohnbaufirmen einen Vorwurf machen wollte. „Geld verdienen ist keine Untugend“, betonte Heike Breitenbücher.

Die Bauträger dürften aber auch nicht so tun, als wäre der Wunsch nach bezahlbarem Wohnraum in diesem Gebiet aus heiterem Himmel gekommen, stellte Ernst Morlock von der SPD klar. Das sei von Anfang an so kommuniziert worden. Aber letztlich habe man sich nicht über die Zahl der vergünstigten Wohnungen, „die Laufdauer dieser Vergünstigung und die Höhe der Vergünstigung gegenüber dem örtlichen Mietspiegel“ einigen können. Die Stadt habe den Fehler gemacht, nicht selbst Bauland zu erwerben. Die Karte Vorkaufsrecht habe nicht gestochen. „Wir wurden von der Höhe der vertraglich vereinbarten Preise kalt erwischt“, sagte Ernst Morlock. Die Kommune habe bei den aufgerufenen Summen nicht mitgehen können. Nun müsse man die Lehren ziehen und künftig gleich hervorheben, welche Quoten, Laufzeiten und Mietpreisminderungen der Stadt vorschweben. Oder man gehe Baugebiete nur noch an, wenn alle Grundstücke sowieso im Besitz der Kommune sind.

Barbara Eßlinger von den Grünen würde aus ökologischen Gründen dazu raten, gar nicht auf Neubaugebiete zu setzen. „Ich bin also froh, dass wir davon ablassen“, betonte sie. Zumal dort kein bezahlbarer Wohnraum entstanden wäre. Sinnvoller sei es nun, über andere Instrumente der Wohnraumvermehrung nachzudenken wie Aufstockungen, das Anheben der Bauhöhen oder den Tausch von Immobilien – je nach Bedarf von klein nach groß und umgekehrt. Ihr Fraktionskollege Sebastian Engelmann denkt hingegen, dass der Innenentwicklung Grenzen gesetzt sind. Man brauche auch grüne Inseln in Siedlungen, gerade wegen des Klimas. Insofern habe er sich einst für das Neubaugebiet ausgesprochen. Doch man habe in Aussicht gestellt, dort jungen Familien ein Zuhause anzubieten. Ein Versprechen, das man bei Quadratmeterpreisen jenseits der 1000 Euro nicht halten könne – weshalb auch Engelmann dafür plädierte, die Sache auf Eis zu legen.

Hendrik Lüdke von Puls prangerte an, dass die Angelegenheit falsch angepackt worden sei. „Bevor überhaupt ein Planverfahren auf den Weg gebracht wird, hätten wir sämtliche Grundstücke aufkaufen müssen. Nur so wären wir Herr der Lage geblieben“, betonte er. Den Besitzern hätte man die Botschaft mitgeben müssen: Entweder ihr verkauft an die Stadt oder die Flächen bleiben Ackerland. Grundsätzlich sei er wegen der Versiegelung des Grunds zwar ohnehin gegen das Neubaugebiet gewesen, aber traurig stimme ihn, dass das Vorhaben gescheitert sei, weil kein preiswerter Wohnraum geschaffen wird.

Bedauert wird die ganze Entwicklung auch von der Firma Layher, einem der Bauträger, der offenkundig Aktien in dem Areal hatte und nun seine Karten nicht ausspielen kann. „Trotz mehrfachen und innovativen Lösungsansätzen ist es leider letztlich zu keinem Einvernehmen gekommen“, heißt es vonseiten des Besigheimer Unternehmens. Was für Ansätze das gewesen sind, dazu möchte Layher aus Gründen der Diskretion nicht näher eingehen. Dafür stellt die Firma fest, dass es sich beim Thema bezahlbarer Wohnraum um „ein übergeordnetes, sozialpolitisches Problem“ handele, das nicht „von Bauträgern alleine gelöst werden kann“.