Eine Gruppe von Personen hat auf zwei Polizisten eingeschlagen und -getreten. Foto: dpa

Der Prozess gegen vier Männer, die in der Fußgängerzone zwei Streifenbeamte verprügelt haben sollen, ist am Freitag fortgesetzt worden.

Marbach - Als der Polizist vor Gericht die Tumulte schildert, bei denen er in der Marbacher Fußgängerzone geschlagen und getreten wurde und wegen denen jetzt vier junge Männer aus Marbach angeklagt sind, hält er plötzlich inne, bringt keinen Ton mehr heraus. Nach einem mehrsekündigen Moment der Stille fragt er mit wackeliger Stimme, ob er etwas trinken könne. Und erst nachdem er einen Schluck aus der Flasche genommen hat, findet er wieder Worte, berichtet weiter von der Tat aus der Nacht zum 1. Juli vergangenen Jahres. „Ich dachte, jetzt schlagen sie mich tot und musste an meine Familie denken“, erinnert sich der 39-Jährige.

Der Polizeihauptmeister beschreibt am zweiten Verhandlungstag vor dem Landgericht Heilbronn eindrücklich, wie er zusammengerollt in Schutzhaltung auf dem Boden lag, seine Hand schützend vors Gesicht und über den Hinterkopf hielt. Seinen Schlagstock hatte er da nicht mehr in der Hand – stattdessen spürte er „mindestens zwei Mal“, wie ein „metallener Gegenstand“ seinen Kopf traf. Es soll der 21-jährige Hauptangeklagte gewesen sein, der den Stock ergattert hatte und den Polizisten traktierte. Kumpels kamen ihm zur Hilfe. „Ich habe nur noch Schuhe um mich herfliegen sehen“, sagt der Polizist über die Tritte. Und seine Kollegin, mit der er in besagter Sommernacht als Streife unterwegs war, erklärt später: „Ich habe ihn gar nicht mehr sehen können. Er war von einem Menschenhaufen begraben.“

Der Polizist trägt eine Platzwunde davon, wird mit vier Stichen genäht. Schwerwiegender sind die weiteren Folgen: „Meine Frau kommt damit überhaupt nicht klar. Auch meine Gedanken kreisen immer wieder um diesen Fall. Marbach sehe ich seitdem nur noch als einen Ort zum Arbeiten an, ich möchte dort eigentlich niemandem begegnen.“ Im Außendienst wird er erst seit Kurzem wieder eingesetzt, und das nur tagsüber. Statt nachts Streife zu fahren, übernimmt er den Innendienst.

Dass seine Kollegin ihm in der Tatnacht nicht zur Hilfe kommen konnte, hatte laut Aussage beider Polizisten einen bestimmten Grund: Sie musste sich ein paar Meter entfernt mit dem 28-jährigen Angeklagten auseinandersetzen, der sie schlug. Sie zückte dabei ihren Schlagstock. „Es ging hin und her. Er hat sich geduckt, ich habe mich geduckt. Er hat mich geschlagen, ich habe ihn geschlagen“, beschreibt sie. Als sie schließlich ihre Schusswaffe zückte und auf ihren Gegenüber zielte, habe dieser erst nicht reagiert. Erst beim zweiten Mal, als sie laut geschrien habe „zurück oder ich schieße!“ habe er abgelassen und sei mit den übrigen Tätern durch den Torturm gerannt. „In über 25 Jahren war es das erste Mal, dass ich Angst hatte“, macht die Polizeihauptmeisterin deutlich. Und sie fügt an: „Ich bin verwitwet, habe zuhause drei Kinder zu versorgen. Ich war bereit zu schießen!“

Deutlich geworden sei ihr durch den Fall vor allem eines: „Man denkt immer, es trifft einen selbst nicht. Aber jede Situation kann eskalieren“, so die 42-Jährige. Zumal es nur um eine Ruhestörung gegangen war (wir berichteten). „Es war ein Nichts!“, so die Polizistin zum Grund. Allerdings sei ein „sichtlich angetrunkener“ Passant just im Moment vorbeigelaufen, als die Polizei eingetroffen war, und habe zur Gruppe gesagt, dass man seinen Ausweis nicht vorzeigen müsse. Das taten die jungen Männer dann auch nicht – ehe der jetzt Hauptangeklagte davonrannte, wodurch alles eskalierte. Möglich ist aber auch, dass die Männer ihre Personalien nicht preisgeben wollten, weil zwei von ihnen, wie sich später herausstellte, Betäubungsmittel bei sich hatten.

Der 21-Jährige, dem versuchter Totschlag vorgeworfen wird, entschuldigte sich nun bei den Polizisten. „Ich kann auch verstehen, wenn sie das nicht annehmen“, steht in der ausführlichen schriftlichen Stellungnahme, die sein Verteidiger vorlas. Der übergab im Namen seines Mandanten auch 3000 Euro Schmerzensgeld an den Beamten. „Ich habe die Situation erst nicht ernst genommen. Die Aussage, man müsse keinen Ausweis zeigen, kam mir gerade recht“, so der 21-Jährige. Es sei „kindisch und bescheuert von mir gewesen, aber ich wollte auf cool spielen“. Mit dem Schlagstock habe er nicht auf den Kopf gezielt. „Mir tut das unendlich Leid. Dass ich nicht einfach weggerannt bin, als der Polizist zu Boden kam, bereue ich zutiefst. Es war eine Mischung aus Alkohol und Adrenalin. Ich hatte auch niemals geglaubt, dabei jemanden töten zu können“, so der junge Mann. Sein 28-jähriger Mitangeklagter legte ein kurzes, eher schwammiges Geständnis ab, entschuldigte sich ebenfalls. Die beiden weiteren 21-jährigen Angeklagten machten bislang keine Aussage.

Am Mittwoch stehen weitere Zeugenaussagen an. Als letzter Verhandlungstag ist der 8. Mai angesetzt. Die Polizistin äußerte dafür einen Wunsch: „Hier sollte Klarheit geschaffen werden, das war ein No-Go und respektlos. Die Beteiligten müssen wissen, dass ein Ziel überschritten wurde. Wenn diese hier am Ende einfach rausspazieren sollten, ist das zu wenig.“