Ein Hauch von Frankreich hat in der Schillerstadt Einzug gehalten. Foto: Werner Kuhnle

Französische Lebenskunst hat am Schillersonntag die Atmosphäre in Marbach geprägt.

Marbach - War das noch Marbach oder doch Paris? Am Sonntagnachmittag jedenfalls haben sich in der Schillerstadt eindeutig französisches Flair und mehr als ein Hauch von Montmartre ausgebreitet. Es roch nach Crêpes und frisch gebrühtem Kaffee, für die Ohren gab’s Musette-Walzer und französische Chansons, ein Pantomime brachte Kinder und Erwachsene zum Schmunzeln und stand auch gern für ein Selfie bereit. Dazu fertigte ein Luftballonkünstler allerhand lustige Tiere von der Schlange bis zum Hund, deren Schwimmfähigkeit gleich im nahegelegenen Marktbrunnen getestet wurde. Auch die Zahl der Baskenmützen in der Stadt war auffallend hoch.

Wer wollte, konnte sich kostenlos vor dem Eiffelturm ablichten lassen. Dazu stand man allerdings nicht auf dem Marsfeld, sondern auf dem Lugplätzle, der Eiffelturm als riesige Schwarzweißfotografie sorgte im Hintergrund aber für die perfekte Illusion. In der Galerie der Wendelinskapelle freuten sich viele über das auf einem Tisch aufgebaute Boulespiele, bei dem man wie sonst auf einem Platz im Freien versuchen konnte, dem „Schweinchen“ beim Werfen möglichst nahe zu kommen.

Das Hauptmerkmal für französisches Flair war aber eindeutig das entspannte Schlendern, mit dem sich die Besucher durch die Gassen und Straßen bewegten. Wo man sonst nach Feierabend oder am Samstagvormittag noch rasch etwas einkauft, hatten alle auf einmal reichlich Zeit und schienen die vielfältigen Angebote der Geschäfte zum ersten Mal wieder richtig wahrznnehmen. Die in der Marktstraße aufgestellten Stühle und Bierbänke waren dicht besetzt, und die Menschen genossen die angebotenen Speisen und Getränke. Wann kann man schon mal im November draußen sitzen und ein Eis schlecken oder in ein leckeres Crêpe beißen? Das geht sonst noch nicht mal in Paris, sondern nur in Südfrankreich.

Kein Wunder, dass sich in der Fußgängerzone, aber auch in der Güntterstraße so viele Menschen tummelten wie sonst höchstens an einem Samstag. In der Stadtbücherei konnte man nicht nur nach Herzenslust schmökern und ausleihen, sondern auch selber drucken, und die Museen der Schillerhöhe boten kostenlose Führungen und interessante Vorträge. Auch die Ladeninhaber nahmen sich viel Zeit für die Beratung und ein kleines Schwätzchen.„Die Leute sind heute total entspannt“, hat etwa Kerstin Dietle vom gleichnamigen Schuhhaus festgestellt. An verschiedenen Stationen gab es auch Lesungen.

So lauschten die Gäste im „Friedrich“ Schiller-Balladen, die Lorenz Obleser rezitierte, beispielsweise „Der Handschuh“. Darin fordert ein Edelfräulein ihren Verehrer heraus, indem sie ihren Handschuh in einen Raubtierzwinger wirft. „Ich sage immer, das ist die bekannteste Frauenfigur bei Schiller, diese blöde Kuh kennt wirklich jeder“, schmunzelte Inhaber Birger Laing.

Was zumindest die älteren Stadtbummler noch kannten, waren die „Enten“, die überall aufgestellt waren. Die Kultautos trugen das Motto „Auf nach Paris!“ auf an den Seitenscheiben befestigten Schildern. „Nach Paris wollte ich mit dem Auto aber nicht fahren“, kommentierte ein Mann. Muss er auch nicht – dafür gibt es ja schließlich den Schillersonntag!