Selma Braunbeck ist wie eine richtige Oma für die beiden Kinder. Foto: Michael Raubold Photographie

Selma Braunbeck ist Leihoma – und aus der Familie Zent gar nicht mehr wegzudenken.

Marbach - Durch die an diesem warmen Frühlingsnachmittag gekippten Fenster dringt fröhliches Kinderlachen. Kein Wunder, dass sich der vierjährige Eliya freut. Denn heute ist Oma-Tag. Selma Braunbeck ist zu Besuch gekommen und nimmt den Jungen liebevoll auf den Schoß. „Jetzt wird es wärmer, da gehen wir bald wieder die Enten besuchen“, verspricht sie, und der Kleine strahlt. Man spürt das enge Verhältnis der beiden zueinander.

Kaum zu glauben, dass Selma Braunbeck nicht die richtige Oma ist, sondern eine Leihoma. Julia Zent, die Mutter von Eliya, hatte sich ans Elternforum Marbach gewandt und gefragt, ob nicht jemand den Kleinen vom Kindergarten abholen und nach Hause bringen könne, während sie noch bei der Arbeit war.

Selma Braunbeck konnte und wollte. Und die Chemie zwischen der Familie Zent und der Leihoma hat auf Anhieb gestimmt. „Es gab überhaupt keine Berührungsängste, wir haben gleich einen guten Draht zueinander gehabt“, erzählt die jugendlich wirkende Seniorin. Sie selber habe zwar erwachsene Kinder, aber leider keine Enkel. Die Familie Zent wiederum hat nur eine richtige Oma, und die lebt in Frankfurt. Im Wirtschaftsdeutsch würde man so etwas als „Win-win-Situation“ bezeichnen, mit der alle glücklich sind – allen voran Eliya, der weiß, dass man mit Oma Selma auch ein wenig toben kann.

Gerade hat er entdeckt, dass es Spaß macht, an der Oma nach oben zu klettern und, von ihren Händen sicher gehalten, einen Rückwärtssalto zu machen. „Kriegsch koin Drehwurm?“ fragt die lachend und freut sich, wie der Kleine jauchzt. Doch die Mama mahnt: „Das reicht, das wird sonst zu viel für die Oma.“ Also kommt das nächste, ruhigere Spiel, das Selma Braunbeck ihrem „Enkel“ beigebracht hat: „Es kommt ein Mann die Treppe rauf . . .“

„Wir waren auch schon zusammen schwimmen“, berichtet Julia Zent. „Die Oma macht alles mit, sogar die Rutsche.“ Gemeinsame Spaziergänge und Ausflüge stehen ebenfalls auf dem Programm, Basteln oder auch mal ein ruhigeres Spiel wie „Memory“. Und die beiden Frauen tauschen Rezepte aus, kochen miteinander und lernen voneinander. „Selma ist eine richtige Bezugsperson geworden, sie gehört mit zur Familie“, betont die Jüngere.

Die Familie besteht außer aus Julia Zent, ihrem Mann Alexej und Eliya noch aus den beiden größeren Jungs Alessandro und Leon, die die Ganztagesschule besuchen, und der einjährigen Isabella. Auch die Zehn- und Achtjährigen akzeptieren Selma Braunbeck als ihre Oma, „obwohl sie schon verstehen, dass sie nicht die richtige Oma ist“, meint Julia Zent.

Und dann sind da noch die beiden Katzen Chanel und Murka, die sich gerade auch am Spiel beteiligen, indem sie Teile der Holzuhr, die zusammengesetzt werden muss, stibitzen. „Oma, da fehlt was!“, ruft Eliya empört und will der Katze ihre Beute entreißen. Die jedoch wehrt sich mit einem schnellen Tatzenhieb, und bei dem Jungen fließen die Tränen. Diese sind aber schnell versiegt, als die Oma ihn tröstet und ihn mit dem gemeinsamen Spiel von dem kleinen Kratzer ablenkt.

„Wir könnten noch viel mehr Leihomas und Leihopas brauchen“, berichtet Selma Braunbeck. Denn die Nachfrage nach den geliehenen Großeltern sei sehr groß. Selma Braunbeck jedenfalls freut sich sehr, dass sie nun doch noch Enkelkinder bekommen hat. Und die Familie Zent ist glücklich, dass sie eine liebevolle Oma ganz in der Nähe gefunden hat, die ihre Aufgabe ernst nimmt. Denn: „Leihoma sollte man nicht nur kurzfristig machen. Für Eliya wäre es schwierig, wenn die Oma fehlen würde“, betont Julia Zent.