Heike Gfrereis hat viel vor – neue Konzepte beschäftigen sie. Foto: Werner Kuhnle

Die Museumsleiterin Heike Gfrereis tritt nach zweijähriger Pause wieder ihre Stelle an.

Marbach - Auf eigenen Wunsch hatte sich Heike Gfrereis beurlauben lassen – jetzt ist sie nach zweijähriger Pause zurück. Die Leiterin der Museen im Deutschen Literaturarchiv (DLA) in Marbach hat Kraft geschöpft. „Es hat sehr gut getan“, sagt sie, denn seit sie im Jahr 2001 kam, habe es sehr viel zu tun gegeben. Vor allem der Bau und die Konzeption des Literaturmuseums der Moderne im Jahr 2006 mit großen Wechselausstellungen und neuen digitalen und touristischen Angeboten habe sie stark gefordert. Nicht zu vergessen der millionenschwere Umbau des Schiller-Nationalmuseums im Jahr 2009. „Dieses ,sehr viel’ hat sich nie geändert“, blickt sie zurück – 120  große und kleine Wechselausstellungen sowie die Museumsbauprojekte hätten ihr mehr als nur volle Jahre beschert.

Auf null runterfahren – das ist jedoch nicht das Ding von Heike Gfrereis. Und so verbrachte sie ihr Sabbatical unter anderem damit, das zu tun, was sie besonders gut kann: Ausstellungsräume gestalten. „Es wurde von alleine sehr viel mehr“, sagt sie und erzählt davon, wie sie die Literaturhäuser in Stuttgart und München beraten hat oder die Leitausstellung zum 200. Geburtstag von Theodor Fontane in Neuruppin kuratierte, die am 30. März eröffnet wird. Auch habe sie selbst für Textreihen geschrieben, so etwa für P.M. History oder die wöchentlich erscheinende Kolumne „Kunststücke“ in unserer Zeitung.

Auf die Frage, ob Zerrüttungen im Umfeld des Institutsleiters Ulrich Raulff auch zu ihrer Pause geführt haben, gibt sie an, seit 2010 immer wieder pflichtbewusst Anfragen für Forschungsaufenthalte und Ausstellungsprojekte an andere Orten abgelehnt zu haben – „bis die Sehnsucht, andere Institutionen kennenzulernen und freie Aufträge wahrzunehmen, größer war“. Mit Raulff habe sie Ausstellungen kuratiert und dabei – etwa bei der Ausstellung „Der Wert des Originals“ im Jahr 2014 – positiv zusammengearbeitet: so sehr, „dass wir im Nachgang selbst nicht nachvollziehen konnten, welche Wege einzelne Ideen ursprünglich genommen hatten“.

Über die von der Kritik hochgelobte Arbeit ihrer ehemaligen engsten Mitarbeiterin und Vertreterin Ellen Strittmatter, die zwischenzeitlich wie Ulrich Raulff an das Institut für Auslandsbeziehungen (IfA) wechselte, freut sich Heike Gfrereis explizit. In Marbach gehe es gemeinsam mit der neuen DLA-Leiterin Sandra Richter nun um eine Neubestimmung: „Ausstellungen müssen im Jahr 2019 pluraler gedacht werden“, sagt sie. „Wir möchten unterschiedliche Stimmen sichtbar machen“, sagt sie und kündigt an, Ausstellungen in einer Zeit, in der die ästhetische Erfahrung von Literatur so wenig selbstverständlich sei wie der Unterschied zwischen Fakten und Fiktionen, künftig Ausstellungen als „soziales Modell“ zu entwickeln. Sprich: Ideen und Werte, Erfahrungen und Gefühle sowie gesellschaftliche und politische Entwicklungen sollen vielstimmig und offen diskutiert werden.

Mit Sandra Richter sei sie als Honorarprofessorin an deren Institut an der Uni Stuttgart bereits sehr verbunden, betont Heike Gfrereis. „Wir teilen die Neugier auf unsere Besucher und möchten sie sehr gern für experimentelle Methoden gewinnen, mit denen wir die ästhetische Erfahrung von Literatur genauer erforschen können.“ Dabei wollten sie Bereiche in den Vordergrund stellen, „in denen wir selbst noch etwas entdecken können: den Wechsel von der Literatur als Schrifterlebnis zur Literatur als Klang-, Ton- und Filmerfahrung etwa.“ Es gehe um Konzepte, die „nicht mehr kuratorisch-autoritär“ vorgegeben seien, sondern „improvisierend“ und „gemeinsam mit vielen Kollegen erarbeitet“ würden. Mit Sandra Richter habe sie bereits im Vorjahr Drittmittel für Projekte eingeworben.

Das erste dieser Projekte wird die Improvisationsausstellung „Lachen.Kabarett“ sein, die am 19. Mai eröffnet wird. Gäste wie Thomas Pigor und Benedikt Eichhorn werden sie kommentieren und Max Goldt zur Eröffnung lesen, berichtet Heike Gfrereis. Das Jahr weiter prägen werde von 19. September an eine Ausstellung zum Hölderlinjahr, in welcher der Philosoph Hegel und seine Leser erkundet werden. Selbst vor dem Schiller-Nationalmuseum macht der neue Geist nicht Halt. Die mittlerweile zehn Jahre alte Dauerausstellung werde abgebaut und die Räume von 2020 an „eine Zeit lang frei bespielt“. Ob ein Beitrag der Museen zu einem Literaturpark in Marbach wünschenswert sei? „Ja, unbedingt“, sagt Gfrereis – und das nicht nur für die Landesgartenschau. Eine Ausstellung, die sie 2018 für das Literaturhaus München kuratiert habe, trage den passenden Namen: „Ins Blaue! Natur in der Literatur“.