Sylvia Rall und Dieter-Bernd Schnaidt setzen auf Wasserstoff-Antrieb. Foto: Schaewen

Sylvia Rall und ihr Mann Dieter-Bernd Schnaidt fahren bewusst mit einem Wasserstoffwagen.

Marbach - Mit einem Auto nachhaltig leben? Für Sylvia Rall, kaufmännische Geschäftsführerin bei Hainbuch in Marbach, ist das keine Frage. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Dieter-Bernd Schnaidt fährt sie einen Hyundai Nexo. Das Besondere an dem Wagen: Er wird mit Wasserstoff betrieben – und fährt damit ohne schädliche Kohlendioxid-Ausstöße. „Es ist für mich die absolute Zukunftstechnologie“, sagt Sylvia Rall, die allein schon aus unternehmerischer Sicht ein Interesse hat, den Anschluss nicht zu verlieren.

Das Schlüsselerlebnis war für die Marbacherin ein Besuch in China, den das Wirtschaftsministerium des Landes organisiert hatte. „Bei allen wichtigen Fahrzeugherstellern, wie etwa Geely, wird die Brennstoffzelle als Ziel gesehen“, erzählt Sylvia Rall. China importiere derzeit 80  Prozent seines Öls, wolle aber unabhängig werden. „Strom kann man aus allem machen: Wasserkraft, Sonne und Kohle – von all dem hat China genug.“ Da auch in Deutschland die Abkehr von fossilen Brennstoffen alternativlos sei, müsse Wasserstoff (H2) als vielversprechendster Energieträger und nahezu makelloser CO2 -Bilanz unbedingt gefördert werden, meint die Hainbuch-Chefin. Sie könne nicht verstehen, dass die deutsche Automobilindustrie gegenüber Japan und China weit im Hintertreffen liege. „Das regt mich auf“, sagt sie, schließlich lägen die Pläne für die Brennstoffzelle schon seit den 1990er-Jahren in den Schubladen der Autobauer. Erst kürzlich hätten drei große Konzerne auf einem Autogipfel verkündet, in den nächsten zehn Jahren nicht in die Brennstoffzelle zu investieren. Für Sylvia Rall eine klare Fehleinschätzung: „Die Chinesen wollen in den nächsten vier Jahren 4000 Wasserstoff-Tankstellen bauen.“ Dass Geely bei Daimler beteiligt sei, aber trotzdem beim Stuttgarter Konzern die Entwicklung nicht vorangetrieben werden solle, wirke auf sie widersprüchlich.

Sich auf E-Fahrzeuge mit Batterie zu versteifen – das wäre aus Sicht von Sylvia Ralls Mann Dieter-Bernd Schnaidt, Fertigungsleiter bei Hainbuch, ein Irrweg. „Mit der Batterie müssten Autos hunderte Kilos mit sich spazieren fahren – als Speicher ist Wasserstoff um ein Vielfaches effizienter.“ Was insbesondere bei Schwergewichten wie Bussen und Lastwagen, aber auch bei Flugzeugen entscheidend sei. Der Wasserstoff werde aus Stromüberschüssen aus regenerativen Energien gewonnen und als Wasserstoff zwischengespeichert. „Jeder hat dann sein eigenes kleines Kraftwerk im Auto oder im Haus“, prognostiziert Schnaidt. Das Stromnetz werde nicht überlastet, wenn E-Fahrzeughalter abends ihre Autos aufladen wollten und man müsste auch keine „sündhaft teuren“ Stromtrassen von Norden nach Süden der Republik bauen. Ein Vorteil, den die Japaner erkannt hätten: Sie gelten als Marktführer bei der Entwicklung der Brennstoffzelle und wollen bis zum Jahr 2030 rund 800 000 Brennstoffzellenwagen auf die eigenen Straßen bringen. Bei Immobilien soll der Anteil der Gebäude mit Brennstoffzellen für Strom und Heißwasser von 230 000 auf 5,3 Millionen steigen.

Wie aber kann es in Deutschland weitergehen? Noch fehlen Tankstellen, auch wenn es schon ein kleines Netz von H2-Anbietern gibt. Bisher müssen Sylvia Rall und Dieter-Bernd Schnaidt immer ins zwölf Kilometer entfernte Fellbach fahren. „Ich habe dort einen Yoga-Kurs und kann das damit koppeln“, erzählt Sylvia Rall. Schnaidt tankt, wenn er dienstlich unterwegs ist mithilfe einer App, die Tankstellen mit Wasserstoff anzeigt. Oder wenn er am Wochenende mal die Mutter in Tübingen besucht. „Wir kommen mit einer Ladung 600 Kilometer weit“, sagt er. Das Tanken gehe viel schneller als bei E-Fahrzeugen und dauere nur drei bis sechs Minuten. „Die Energiedichte eines Tanks mit Wasserstoff ist 100-mal größer als die einer Lithium-Ionen-Batterie.“ Zwar sei die Produktion von H2 energieaufwendig, doch schade der Mehrverbrauch von Sonnenenergie weder der Umwelt noch dem Klima.

Trotz dieser immensen Vorzüge der Brennstoffzelle räumt Schnaidt den batteriebetriebenen E-Fahrzeugen mit Kabelaufladung noch Bedeutung ein: „Für das Fahren in den Städten ergibt das Sinn – aber für Überlandfahrten, Lkw, Schiffe und Flugzeuge gehört die Zukunft der Brennstoffzelle.“ Bleibe aber das Problem der Batterieentsorgung. Sie sei komplex in der Herstellung – aber gerade deshalb sollten die Automobilzulieferer darauf ausgerichtet werden. „Das sind Arbeitsplätze, die sonst wegfallen würden.“ Es komme eben gesamtwirtschaftlich auf einen intelligenten Mix der Antriebsarten an.

Das Fahren mit dem Hyundai findet Sylvia Rall „einfach nur cool, es kommt hinten nur Wasserdampf aus dem Auspuff“. Tatsächlich filtert der Wagen die Luft der Umgebung sogar und vernichtet Feinstaub. Die Bremsenergie des 163 PS starken Fahrzeugs werde wie bei Hybrid-Fahrzeugen zwischengespeichert und wiederverwendet. Motorengeräusche sind nicht zu hören – damit die Außenwelt das Auto hört, können Geräusche simuliert werden. Die Konsole des 70 000 Euro teuren Wagens bietet viele Extras, lässt aber auch die Frage aufkommen, ob sich Normalverdiener einen solchen Wagen leisten können. „Man ist dabei, eine Golfklasse zu entwickeln“, weiß Sylvia Rall.