Der Syrer Bilal Hassaf hält sein neues Leben in Deutschland mit der Kamera fest. Foto: Werner Kuhnle

Eine Kurz-Ausstellung im Marbacher Rathaus zeigt nicht nur Bilal Hassafs Bilder von Proben des Theaters unter der Dauseck für den Tell-Theaterspaziergang, sondern auch Fotos aus seiner Heimat Syrien und seiner Unterkunft in Deutschland.

Marbach - Das Thema „Freiheit“ steht im Mittelpunkt der Kurz-Ausstellung von Bilal Hassaf, die vom 3. bis zum 16. Juni im Marbacher Rathaus zu sehen ist. Der syrische Kurde, der im vergangenen September wie so viele andere aus seinem Heimatland fliehen musste, lebt nach einer langen Odyssee seit Herbst 2015 in einer Flüchtlingsunterkunft in Ludwigsburg. Die ehemalige Leiterin des Ludwigsburger Außenbüros der Stuttgarter Zeitung, Hilke Lorenz, portraitierte ihn in einer Serie „Neue Heimat Ludwigsburg“.

Auf diesem Weg wurde Bernd Schlegel, der Vorsitzende des Theatervereins unter der Dauseck, auch auf den Fotojournalisten aufmerksam und schlug ihm daraufhin vor, die Proben seines Ensembles für den neunten Tell-Theaterspaziergang, der am 1. Juli im Kraftwerk im Energie- und Technologiepark Marbach Premiere haben wird, dokumentarisch mit der Kamera zu begleiten. „Er war bei allen Proben dabei und hat keine einzige verpasst“, lobt Schlegel Bilal Hassaf.

Es war eine willkommene Abwechslung für den 22-Jährigen, der nach 20 Tagen auf der Flucht die vergangenen neun Monate in der Turnhalle der Carl-Schäfer-Schule in Ludwigsburg hauste – zusammen mit rund 300 anderen Flüchtlingen in einer Gemengelage aus Lärm, Gerüchen und Langweile. Erst einmal musste Schlegel jedoch über sein Theater-Netzwerk eine Kamera für Bilal Hassaf besorgen, seine eigene Ausrüstung hatte der Kurde auf der Flucht verloren. „Unser neun Meter langes Boot war mit rund 60 Personen überbesetzt und ist gekentert. Ich habe drei Stunden im Wasser ums Überleben gekämpft“, erzählt der 22-Jährige.

Bernd Schlegel besorgte aber nicht nur eine neue Kamera für Bilal Hassaf, sondern stellte auch den Kontakt zur Ludwigsburger Agentur Info & Idee her. Deren Geschäftsführer Jochen Faber organisierte für ihn einen Arbeitsplatz, damit er seine Fotos bearbeiten konnte. Die Ergebnisse sind nunmehr in den nächsten zwei Wochen im Marbacher Rathaus zu sehen, die Ausstellung wurde am Donnerstagabend mit einer Vernissage eröffnet. Zu sehen sind die Schauspieler nicht nur beim Proben, sondern auch beim Klettern und beim Gestalten der Kulissen.

Daneben sind aber auch Bilder aus Bilal Hassafs Heimat zu sehen: Fotos von ängstlichen und verträumten Kindern aus seinem Heimatort Qamischli, von einem alten Mann, dem er jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit begegnete, und der Grüße an alle freundlichen Menschen ausrichtet, denen Hassaf auf seinem Weg begegnet.

Es gibt aber auch Bilder, die die Schrecken des Krieges in seinem Heimatland dokumentieren: Das vom Schmerz gezeichnete Gesicht einer Mutter, deren Sohn beim Kampf gegen das Assad-Regime gefallen ist und der jetzt zu Grabe getragen werden muss. „Ich will Bilder nicht nur zeigen, sondern damit Emotionen wecken“, erklärt Bilal Hassaf, der sein Jurastudium wegen des Krieges abbrechen musste und nebenbei auch selbst Theater gespielt hat.

Marbachs Bürgermeister Jan Trost gefallen „die von der Stimmung her so unterschiedlichen Fotos“. Bernd Schlegel freut sich, dass die Ausstellung mit Bilal Hassaf auch eine sozial-integrative Komponente habe. Die Bilder würden dazu anregen, sich mit der Frage nach Freiheit und Glück auseinander zu setzen, was auch Thema des Tell-Dramas sei. „Meine syrische Geschichte und die von Wilhelm Tell, dem friedliebenden Schweizer, der sein Leben plötzlich von der Politik bestimmt sieht und zuletzt ein Attentat begeht, sind nicht dieselben. Aber man kann beide Geschichten nebeneinander betrachten – die Suche nach dem richtigen Handeln ist immer schwer und immer notwendig“, erläutert Bilal Hassaf.