Der Andrang in den Wahllokalen wie hier in Marbach war relativ groß. Foto: Werner Kuhnle

Bei der Europawahl lassen die großen Parteien auch im Raum Marbach Federn.

Marbach - Schon als kurz nach 18 Uhr die ersten Prognosen über den Fernsehschirm flimmern, zeichnet sich ab, dass die Europawahl bundesweit ein geradezu verheerendes Ergebnis für die etablierten Großparteien CDU und SPD bringen würde. Und dieser Trend verdichtete sich mit jeder weiteren Hochrechnung zusehends zur Gewissheit. Die Konservativen sackten wie die Genossen gleich mehrere Prozentpunkte in den Keller, die Sozialdemokraten sogar im zweistelligen Bereich. Strahlende Gewinner waren hingegen die Grünen, die die 20-Prozent-Marke knackten. Die AfD konnte ebenfalls zulegen, jedoch nur leicht.

Auch in Marbach mussten CDU und SPD bei der Europawahl im großen Stil Federn lassen. Die Christdemokraten konnten sich mit 25,55 Prozent nur knapp vor den Grünen als stärkste Kraft behaupten. Die Ökopartei überzeugte 24,31 Prozent der Marbacher Wähler von ihrem Programm. Die Genossen erlebten mit 16,59 Prozent hingegen ein Debakel. Unter dem Bundestrend blieb die AfD mit 9,08 Prozent. Die FDP kam auf 5,73 Prozent, die Linke musste sich mit 3,87 Prozent begnügen. „Das bestätigt den bundesweiten Trend. Die großen Parteien haben verloren, die Grünen sind die Gewinner“, resümiert der Bürgermeister Jan Trost. Der Rathauschef sieht darin einen Fingerzeig für die Zukunft. Die Themen Mobilität und Nachhaltigkeit seien die Felder, die die Menschen bewegten. Die SPD habe andere Akzente gesetzt – und damit auf das falsche Pferd gesetzt.

In Steinheim ist das Bild ähnlich. Die CDU verzeichnet 30,84 Prozent der Stimmen, die SPD muss sich mit 14,49 Prozent begnügen. Die Grünen lassen mit 19,73 Prozent die Muskeln spielen, die FDP kommt auf 6,79 Prozent, die Linke auf 2,78, die AfD schafft 10,41 Prozent und damit nur ein überschaubares Plus von rund zwei Prozent. „Das finde ich absolut positiv, dass der rechte Flügel nicht erstarkt ist“, sagt der Bürgermeister Thomas Winterhalter, der sich über die hohe Wahlbeteiligung freut, die in der Urmenschstadt bei 67,9 Prozent lag. „Das ist positiv zu bewerten“, stellt er fest. Ansonsten bewege man sich mit dem Ergebnis ungefähr im bundesweiten Trend. Verloren hat die CDU auch in Oberstenfeld, wobei sie dort nur von 41,05 auf 36,3 Prozent fiel. Härter traf es die SPD, die von 21,6 auf 12,1 abstürzte, während die Grünen von 9,6 auf 16,6 Prozent kletterten. „Mir ist wichtig, dass die Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen“, kommentiert der Bürgermeister Markus Kleemann, der die hohe Beteiligung von 71,27 Prozent „sehr positiv“ findet.

Ähnlich hoch war die Beteiligung in Murr mit 71 Prozent, berichtet der Bürgermeister Torsten Bartzsch. „Die CDU (31,55 Prozent) ist mit Abstand stärkste Partei, danach die Grünen (18,33) knapp vor der SPD (15,4), dann die AfD (11,13)“, fasste er am Abend das Ergebnis im Ort zusammen.

Landesweit fiel das Ergebnis ähnlich aus wie in Murr, Oberstenfeld oder Marbach – was natürlich ganz nach dem Geschmack von Jürgen Walter, Ludwigsburger Landtags-Abgeordneter der Grünen, ist. „Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Es zeichnet sich ab, dass die jungen Menschen sich eine andere Politik wünschen, die mehr auf den Klimaschutz setzt“, sagt er. Mit den Gewinnen für die Grünen in Baden-Württemberg habe er nicht in dem Maße gerechnet. In Stuttgart sei massive Stimmung gegen die Grünen gemacht worden wegen des Fahrverbot-Themas, „das ganze Gehetze hat der CDU nichts gebracht“, konstatiert Walter.

„Natürlich ist das ein ärgerliches Ergebnis für uns, keine Frage. Es ist im Moment eben so, dass die Volksparteien eine schlechte Phase haben und die Grünen als modern gelten“, sagt Macit Karaahmetoglu, SPD-Kreisvorsitzender. Er glaube aber, dass bei den Grünen mehr Schein als Sein herrsche – und das sei ein Ansatz, „mit dem wir als SPD arbeiten können“. Er sei sich aber nicht sicher, dass die Probleme mit der Vorsitzenden Andrea Nahles zusammenhängen. „Ich glaube, der Grundfehler war eher, überhaupt in die Regierung zu gehen“, findet Karaahmetoglu.

Der Gerlinger Europaabgeordnete Rainer Wieland, zugleich Spitzenkandidat der CDU im Land, hofft darauf, dass die Union weiterhin sechs Europaabgeordnete aus Baden-Württemberg stellt. „Das Ergebnis ist nicht berauschend, wir sind aber klar stärkste Kraft geworden“, erklärt er. Als Ursache für die Verluste der CDU und Gewinne der Grünen hat er die Debatte um Urheberrechte ausgemacht: „Ich habe dazu fast 20 000 Mails erhalten, habe aber meine klare Position beibehalten, dass wir das geistige Eigentum schützen müssen.“

Stefanie Knecht, die Vorsitzende der FDP im Kreis Ludwigsburg, bewertet das Abschneiden ihrer Partei mit gemischten Gefühlen. „Bundesweit ist das Ergebnis schon enttäuschend“, sagt sie. Da hätte sie mehr erwartet. Zufrieden ist sie hingegen mit dem Resultat im Land. „Da liegen wir über dem Trend. Das ist erfreulich für uns“, sagt Stefanie Knecht.

„Ich hätte mir mehr gewünscht. Das ist sicher kein Ergebnis, mit dem die Welt für Die Linke untergeht – aber eines, bei dem wir überlegen müssen, warum wir in so einer Situation nicht zulegen“, erklärt der Linken-Kreisrat Hans-Jürgen Kemmerle. Als positiv bewertet er, dass die AfD nicht so zulegt, „dass man sich Sorge um eine rechte Welle machen müsste“.

„Im Rahmen der Erwartungen“ sei das bundesweite Ergebnis der AfD, sagt der Ludwigsburger Kreisvorsitzende Michael Mayer. Sicherlich habe der FPÖ-Skandal in Österreich der AfD zwei bis drei Prozent gekostet, aber mit dem zweistelligen Ergebnis könne die Partei zufrieden sein. Pluspunkte habe die AfD dadurch erzielt, dass sie die EZB-Geldpolitik ebenso kritisiert habe wie „die überbordende Politik der EU mit ihren Regelungen“ und die Migrationspolitik.