Foto: privat

Die Lehmwepse ist sehr selten. Im Wohngebiet Marbach-Süd hat ein Exemplar dieser Spezies jedoch ein Nest gebaut. Der Nachwuchs dürfte bald schlüpfen.

Marbach - Die Große Lehmwespe ist wegen ihrer grazilen Statur und ihrer imposanten Größe von rund fünf Zentimetern nicht nur ein echter Hingucker, sie ist in unseren Breiten auch eine ziemliche Rarität. „Im Vergleich zu anderen Hautflüglern kommt sie recht selten vor“, sagt der Biologe Lars Krogmann. Wenngleich Delta Unguiculata auch nicht hochgradig gefährdet sei, wie der Wissenschaftler vom Naturkundemuseum in Stuttgart hinzufügt. „Die kommt bei uns nicht häufig vor“, sagt auch Joachim Lösing, Vorsitzender des BUND Marbach-Bottwartal. Umso faszinierter sind Ute und Michael Oehler davon, dass die Große Lehmwespe, die zur Gruppe der Töpferwespen gehört, ausgerechnet auf ihrem Balkon in Marbach-Süd einen Bau gezimmert hat. Jetzt wartet das Ehepaar darauf, dass die Nachkommen schlüpfen. „Wir beobachten das täglich“, sagt Michael Oehler.

Allerdings müssen sich die beiden wohl noch etwas gedulden. Üblicherweise flögen die jungen Töpferwespen zwischen Juni und August aus, angesichts der aktuellen Witterung vielleicht aber auch schon im Mai, sagt der Biologe Joachim Lösing.

Gut zwölf Monate davor, während der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien, startete das majestätische Tier mit den Arbeiten an seinem Nest. Wobei die Oehlers zunächst nicht wussten, wer da eigentlich bei ihnen Unterschlupf suchte. „Wir sahen nur einen kleinen Tonbau und dachten uns, das muss irgendein Insekt sein“, berichtet Michael Oehler. „Ein Tier dazu haben wir aber nicht gesehen“, ergänzt seine Frau. Das änderte sich dann abends, als die Töpferwespe einschwebte und sich an der Höhle zu schaffen machte. Der erste Reflex von Ute Oehler war allzu menschlich: „Mach das weg“, bat sie ihren Mann. „Ich mag keine Spinnen und Wespen“, erklärt sie ihre Reaktion. Doch ihr Mann sträubte sich als Tierfreund dagegen, ihren Wunsch zu erfüllen. Schließlich freundete sich auch Ute Oehler mit dem surrenden Dauerbesucher an. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Lehmwespe im Gegensatz zu einigen ihrer Artgenossen keinerlei Aggressivität zeigte.

Über Recherchen im Internet erfuhren die Oehlers, dass die großen Fluginsekten auch sonst ziemlich einzigartig sind. So bilden diese Wespen anders als Bienen oder Ameisen keinen Staat, sondern machen lieber ihr eigenes Ding. Das gilt auch beim Nestbau. Die Insekten kleben ein töpfchenartiges Gebilde zusammen, in dem sie ein Ei ablegen. Zudem schaffen sie Schmetterlingslarven heran, an denen sich der Nachwuchs später laben kann. „Die werden nur betäubt, damit sie möglichst frisch verzehrt werden können“, sagt Fachmann Lars Krogmann. Sind Nahrung und Ei verstaut, werde die Höhle verschlossen. „Dann geht es mit dem nächsten Bau daneben weiter“, weiß Michael Oehler. Am Ende ergebe das eine Art Klops. „der ganz hart ist“. Und die fleißige Wespe, die das alles fabriziert hat, sterbe, ohne ihre Nachkommen je gesehen zu haben. „Irgendwann war sie weg“, sagt Michael Oehler.

Dass sie mitten in einem Wohnviertel ihre Zelte aufgeschlagen hat, ist indes nicht ungewöhnlich. „Das sind wärmeliebende Arten“, erklärt Lars Krogmann. Insofern seien Hauswände, die Hitze speichern, eigentlich ideal für die Tiere. Der Biologe weist zudem darauf hin, dass das Vorkommen der Lehmwespe eine Art Indikator für eine vergleichsweise intakte Umgebung sei. Denn diese Art kann sich nur in Gegenden ansiedeln, in denen sie ein entsprechendes Nahrungsangebot findet. Insbesondere habe es die Delta-Wespe auf große Schmetterlingsraupen abgesehen, erläutert Lars Krogmann. Er wirbt in dem Zusammenhang darum, die Gärten nicht vollständig steril zu halten und von jedem Unkraut zu befreien. „So kann jeder zur Artenvielfalt beitragen.“

Der Mann vom Naturkundemuseum bestätigt ferner die Einschätzung der Familie Oehler, wonach die Lehmwespe kein aggressives Verhalten zeige. „Die sind absolut harmlos“, betont er. Natürlich könne sie stechen – aber nur, wenn man sie beispielsweise in seiner Faust einschließe.