Die Familie Hiller mit einem Huhn der Rasse Wyandotten vor dem größeren der beiden Hühnermobile Foto: Laura Buschhaus

Die Familie Hiller hält seit knapp einem Jahr Hühner auf ihrem Wiesengrundstück.

Marbach - Mit gestrecktem Hals und geschwellter Brust stolziert Paula vor ihrem „Haus“ auf und ab. Sie scheint satt und zufrieden zu sein. Beides ist kein Wunder. Die abendliche Fütterung mit Gemüseresten liegt nur ein paar Minuten zurück und in Ermangelung eines Hahnes hat das Brahma-Huhn in der Hackordnung den ersten Platz übernommen. Das heißt, sie darf sich den gemütlichsten Schlafplatz aussuchen und als Erste fressen.

Ihre besondere Stellung wird noch dadurch unterstrichen, dass Paula einen Namen bekommen hat. Diese Ehre wird sonst nur noch einem weiteren Huhn zu Teil: der frechen Fopsi, eine Kreuzung der Rassen Brahma und Wyandotten. Die anderen 13 Hühner der Familie Hiller haben keinen Namen bekommen. „Damit der Abschied irgendwann einmal nicht so schwer fällt“, erklärt Gerlinde Hiller die praktischen Gründe.

Der Bau des Hühnermobils hat mehr als zwei Jahre gedauert

Doch vom Ableben der Tiere keine Spur, energiegeladen „rennen“ die acht Wyandotten und Vorwerk-Hühner, Paula und Fopsi durch die Außenanlage ihres Hühnermobils in Marbach, das Henning Hiller in mühevoller Handwerksarbeit zweieinhalb Jahre lang gebaut hat. Der mobile Hühnerstall sieht aus wie ein kleiner Bauwagen. Über eine schmale, steile Leiter und eine kleine Öffnung an der Seitenwand können die Hennen selbstständig ins Innere gelangen. Dort gibt es mehrere Fächer, in die sie sich zurückziehen können, Heu zum Verstecken und Spielen und ein erhöhtes Brett zum Sitzen. Ein knappes Jahr ist es nun her, seitdem die Familie Hiller, das sind neben den Eltern Henning und Gerlinde noch die zwölfjährige Simona und der zehnjährige Samuel, das Geflügel halten.

„Bekannte von uns hatten Hühner. Die Idee, Eier von den eigenen Tieren zu essen, hat uns schon immer gefallen“, berichtet Henning Hiller von den Anfängen. „Der Gedanke der Nachhaltigkeit hat durchaus eine Rolle gespielt“, fügt Gerlinde Hiller hinzu. „Wir können uns sicher sein, dass unsere Eier richtige Bio-Eier sind und die Tiere ein gutes Leben haben.“

Viel Ahnung von Geflügel hätten der Ingenieur und seine Frau, die als Zahnarzthelferin arbeitet, damals nicht gehabt. Für die Realisierung taten sie sich mit einer anderen Familie zusammen. Nachdem Henning Hiller sich das „Okay“ von seinen Nachbarn geholt, den Hühnerwagen gezimmert und ihn auf seinem Wiesengrundstück aufgestellt hatte, kaufte die Familie beim Kleintierzuchtverein Hühner. Ihre späteren Artgenossen kamen dann sowohl von einem Kleinanzeigenportal als auch direkt von einem Züchter. Auf einen Hahn haben die Familien verzichtet, um die Nachbarn nicht gegen sich aufzubringen, wenn das Tier morgens kräht.

Zwei Hennen starben gleich zu Beginn

In der Anfangszeit mussten die Hillers und die andere Familie viel lernen. Gleich am Anfang starben zwei Hennen an einem Infekt. Die zarten Wyandotten legten lange keine Eier, was dann auch der Grund war, weshalb sich die Familie doch noch vier Legehennen anschaffte, die aus Platzgründen nun in einem zweiten, kleineren Hühnerstall leben. Durch die verlässliche Eierproduktion der vier Hennen, von denen jede ein Ei pro Tag legt, liegt die Ausbeute der Hühnerhalter nun bei fünf bis sechs Eiern pro Tag – im Winter sind es weniger, da sind die Hennen nicht so aktiv. Ein Problem waren am Anfang Spaziergänger, die Essensreste über den Zaun in das Gehege kippten – von Äpfeln über Brot bis hin zu Pizzaresten war alles dabei. Seit ein Schild am Zaun hängt, kommt das aber nicht mehr vor, berichtet Gerlinde Hiller.

„Ich wusste nicht, wie viel Arbeit dahintersteckt“

Mittlerweile kann die Familie die Zeichen der Hühner viel besser erkennen. „Wenn ein Huhn ein Ei legt, ist der Kamm aufgerichtet, rot und straff“, erklärt Gerlinde Hiller. Auch Simona konnte schon von ihren Hühnerkenntnissen bei einem Referat in der Schule profitieren. Ihr Einsatz für die Tiere hat sich gelohnt. „Ich wusste früher nicht, wie viel Arbeit dahintersteckt“, gibt die Schülerin zu, „aber ich mag unsere Hühner sehr, ich bringe ihnen oft Futter.“ Die unangenehmere Arbeit, das Ausmisten, übernimmt ihr Vater. Den Arbeitsaufwand für die 15 Hühner schätzt Henning Hiller auf etwa zwei Stunden pro Woche. Die Familien wechseln sich dabei ab. Zu den notwendigen Tätigkeiten gehören ein Kontrollgang jeden Morgen und Abend und das wöchentliche Ausmisten. Einmal in der Woche füllt Henning Hiller das Futter nach, jeden zweiten Tag das Wasser. Die Tür vom Hühnermobil schließt bei Einbruch der Dunkelheit automatisch, die Hühner ziehen sich zuvor selbstständig ins Innere zurück, wenn die Dämmerung einsetzt wie Gerlinde Hiller fasziniert berichtet. Die Tiere fressen zusammen etwa acht Kilogramm Futter in der Woche, was die Familie etwa 20 Euro kostet.

Hühner könnten im Kochtopf enden

Doch was wird aus den Hühnern, wenn sie krank werden oder einmal keine Eier mehr legen? Schweigen breitet sich in der vierköpfigen Familie aus. Es ist ein heikles Thema. „Ein Huhn sollte nicht leiden müssen, wir wollen es daher nicht mit Antibiotika vollpumpen“, meint Gerlinde Hiller vage. Und wenn es keine Eier mehr legt? Die Antwort übernimmt Henning Hiller: „Ich würde mir schon überlegen, die Hühner dann zu schlachten.“ Große Begeisterung ist von seinen Kindern bei der Aussage natürlich nicht zu erwarten, doch der zu erwartende Widerspruch bleibt auch aus. Ganz eindeutig scheint das Verhältnis der einzelnen Familienmitglieder zu den Hühnern nicht zu sein, bewegen sich die Tiere doch in einem Bereich zwischen Nutztieren, die Eier legen, und Haustieren, die Samuel gerne auch mal streichelt.

Vielleicht ist es tatsächlich leichter, wenn die Tiere keine Namen bekommen. Paula und Fopsi scheinen demnach vor dem Kochtopf gefeit zu sein.