Foto: Chris Korner/ DLA Marbach

Die Stadt soll ein professionelles Tourismuskonzept bekommen.

Marbach - Tourismuskonzept ja, aber erst in einem Jahr. Mit deutlicher Mehrheit – lediglich Puls-Rat Hendrik Lüdke votierte mit Nein – sprachen sich die Mitglieder des Verwaltungsausschusses gegen den Antrag aus, mit dem die Stadtverwaltung in der jüngsten Gremiumssitzung ins Rennen gegangen war. Und am Ende ließ sich sogar Bürgermeister Jan Trost von den Argumenten der Bürgervertreter überzeugen.

Doch alles von Anfang an. Die Stadt Marbach leiste seit vielen Jahren Tourismusarbeit, allerdings ohne Konzept, so Rathauschef Jan Trost zu Beginn der Aussprache. Ein Blick von außen, also die Vergabe an ein Expertenbüro, solle unter anderem eine Antwort auf die Frage geben, ob die Arbeit von Anja Behnle und ihrem Team noch richtig sei. Behnle selbst, die Fachfrau für Touristik im Rathaus, betonte, dass Marbach in der sehr glücklichen Lage sei, mit Schiller eine echte Marke zu besitzen. „Das haben wenige Städte.“ Doch die Zeiten ändern sich und so stehe besagte Marke zwar, dennoch müsse man sich fragen, ob sie denn auch zukunftsfähig sei und alles enthalte, was die Stadt inzwischen zu bieten habe. Schließlich stehe die Kommune in einem großen Wettbewerb. „Und zwar nicht nur etwa mit Tübingen, sondern auch mit Mallorca, wenn es sein muss“, so Behnle. Es sei wichtig, dass man sich die Situation genau anschaue und auch überlege, an welche Zielgruppe man sich wenden wolle. „Es geht nicht um ein Konzept des Konzeptes willen, sondern darum, die Besucherzahlen zu steigern.“

Die Tourismusgemeinschaft Marbach- Bottwartal, zu der auch die Schillerstadt gehört, besitze seit 2002 ein Tourismuskonzept und sei damit gut gefahren, fügte Behnle an. Die Agentur Kohl+Partner Hotel und Tourismus Consulting, die beauftragt werden soll, habe bereits für die Stadt Tübingen ein Konzept erstellt und dort integrativ gearbeitet. Denn: „Tourismus ist die Stadt insgesamt.“

Er habe eigentlich gedacht, Marbach habe bereits ein Tourismuskonzept, erklärte SPD-Rat Heinz Reichert. Das Angebot der Stuttgarter Agentur biete jedoch einen erheblichen Leistungsumfang, der verwaltungsintern nicht zu schaffen sei, räumte er ein. Seine Fraktion stimme mit Bauchgrimmen zu, habe sich vom Rathaus allerdings etwas mehr Offenheit erwartet, kritisierte Reichert die in der Vorlage unvollständige Angebotssumme in Höhe von 18 620 Euro. Denn darin seien noch nicht die Reisekosten in Höhe von 1 200 Euro enthalten. Alles in allem hoffe er, dass es sich nicht um ein Schubladenkonzept handele.

Für Heike Breitenbücher von der CDU geht es vor allem darum, wie man die Menschen, die nicht nur an Literatur interessiert sind, nach Marbach bringen kann. Deshalb sei es wichtig, den Stadtmarketingverein einzubinden. „Die Attraktivität hängt auch an der Belebung der Altstadt. Es muss toll sein, sich in der Fußgängerzone aufzuhalten“, betonte sie. Das Konzept müsse von innen heraus wachsen. Man müsse viele mitnehmen. „Nur mit einem Konzept werden wir keine Tourismusstadt.“

Er lehne das Prinzip „immer mehr, immer weiter, immer schneller, immer höher“ ab, betonte Hendrik Lüdke. Und damit eben auch eine Tourismuskonzeption, die zudem auch noch extern erstellt werden solle, also städtisches Geld koste. Er frage sich, warum die Stadt, die in den schönsten Farben beworben werde, so schwach sei, dass es ein Tourismuskonzept brauche, das den Tourismus stärke. „Schwächt dieser Auftrag an einen externen Berater nicht unsere bisherigen Lobpreisungen?“ Befürworten würde er eine Konzeption, die Lösungen liefern würde, wie man einen autoarmen Tourismus hinkriegen könnten.

Die Wende in der Diskussion brachten Barbara Esslinger von den Grünen und FW-Rat Dr. Michael Herzog. Sie halte den Zeitpunkt für nicht geeignet, so Esslinger. Derzeit sei so vieles am Laufen und die Entwicklung der Innenstadt sollte Priorität haben. Auch kostenmäßig sollte man sich auf ein paar Dinge konzentrieren. Auch Michael Herzog sprach sich nicht grundsätzlich gegen ein Konzept und die Vergabe an die Agentur aus. Es sei wichtig, den Istzustand auf den Prüfstand zu stellen. Aber der Zeitpunkt sei eben nicht der richtige. Sein Vorschlag: Ein Jahr abwarten, bis das Konzept Innenstadt auf dem Tisch liegt und durch die Gremien ist und sich dann um den Tourismus kümmern. „Bis dahin geht Marbach auch nicht den Bach hinunter.“ Darüber hinaus sei es ihm wichtig, dass der Blick nicht nur auf den Dichter gelegt wird. „Marbach ohne Schiller wäre nichts, aber Marbach ist nicht nur Schiller – das muss im Fokus des Konzeptes stehen.“

Jürgen Schmiedel (SPD) formulierte noch einen weiteren Wunsch. Die Anbindung der Schillerhöhe an die Stadt funktioniere nicht. „Wenn das Konzept beides zusammenbringen würde, wäre es gut.“

Am Ende half auch das Plädoyer von Hauptamtsleiter Thomas Storkenmaier für ein Votum pro Konzeptvergabe nichts mehr. „Es ist gar nicht schlecht, wenn man weiß, was man zu tun hat, wenn die Innenstadt saniert ist“, versuchte er – erfolglos – die Bedenken der Räte hinsichtlich zweier paralleler Verfahren zu zerstreuen. Tourismus habe auch wirtschaftliche Auswirkungen. Er bringe der Region Stuttgart jährlich fünf Milliarden Euro. Gehe man von einer sanierten Marbacher Innenstadt aus, könne man von 1,3 Millionen Euro mehr ausgehen, die nach Marbach fließen würden. „Und wenn wir die Übernachtungszahlen verdoppeln würden, dann hätten wir rund fünf Millionen Euro zusätzlich im Jahr. Diesen Blickwinkel darf man nicht außer Acht lassen.“