Der Jugendliche muss Beratungsgespräche wahrnehmen. Foto: Archiv (dpa)

Ein 15-Jähriger hat einer jungen Frau angedroht, ihre Nacktbilder weiterzuschicken.

Marbach - Die Anforderungen des Gymnasiums sind hoch, zuhause wird immer wieder über die schulischen Leistungen gestritten und dann wird der Vater ernstlich krank – einem jungen Menschen wächst alles über den Kopf und er flüchtet in die Angebote sozialer Medien. Dort macht der 15-Jährige es einigen Kumpels gleich und fordert von gleichaltrigen Mädchen intime Bilder und Videos. Doch daraus wurde jetzt ganz schnell ein Gerichtsverfahren vor dem Amtsgericht Marbach wegen Nötigung im Zusammenhang mit pornographischen Schriften.

Sehr überrascht sei er gewesen, als sie den jungen Mann zuhause aufgesucht und sein Handy sowie weitere Speichermedien sichergestellt hat, berichtet eine Polizeibeamtin im Gerichtssaal. Freiwillig rückte er alle Geräte heraus, entsperrte sie für die Polizei und räumte ein, diese Bilder und Videos zu besitzen – jedoch perplex darüber, dass es sich um eine Straftat handeln soll.

Die Ermittler erfassen für den Zeitraum von Januar 2016 bis November 2017 fast 60 Nacktbilder und Videos. Der erste Kontakt erfolgte stets online über Instagram, Whats-App oder Snapchat, ohne dass die Mädchen dem Angeklagten bekannt waren. Auf das forsche Drängen des Schülers schickten sie tatsächlich intime Fotos und Videos. Als eines der Mädchen ihn dann aber ignorierte und den Kontakt abbrach, erpresste der Angeklagte sie daraufhin mit dem Hinweis, das bereits angesammelte Material an ihre Kontakte zu versenden. Als er nicht nachließ, offenbarte sie sich zuhause und erstattete Anzeige.

„Man schreibt was, ohne groß nachzudenken“, versucht der junge Mann sich vor Gericht zu erklären, „es war eine leere Drohung, ich hatte nie vor, das weiterzuschicken“. Unter den Kumpels habe man lediglich darüber geredet. Staatsanwaltschaft und Gericht zeigen sich schockiert über den Inhalt der Bilder und finden das Verhalten des damals 15-Jährigen „ziemlich abnormal“. Fotos männlicher Geschlechtsteile aus dem Internet gab er als seine eigenen aus. „Im Internet ist eine Ära angebrochen, die wir nicht immer ganz nachvollziehen können“, ordnet eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe den Fall ein. Doch auch sie hält es nach einem Gespräch mit dem jungen Mann vor der Verhandlung für wichtig, dass er sein Fehlverhalten erkennt und an seinem schiefen Frauenbild arbeitet. Sie hält ihm allerdings auch zugute, dass er sich damals in einer Krise befand und inzwischen auf einem guten Weg ist, was auch die Eltern bestätigen.

Das Gericht folgt der Empfehlung der Jugendgerichtshilfe und erlegt dem Schüler Beratungsgespräche bei Stellwerk auf. Diese Einrichtung der Evangelischen Jugendhilfe hat sich darauf spezialisiert, mit 14- bis 18-Jährigen zu arbeiten, die Regeln verletzt und sexuelle Grenzen überschritten haben. Dabei werden die Betroffenen mit ihren Taten konfrontiert und eine Alternative zum bisherigen Verhaltensmuster entwickelt.

Der junge Mann ist tatsächlich nicht allein: Jeder dritte Jugendliche im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren nutzt soziale Medien gern, um nicht an unangenehme Dinge denken zu müssen. Dafür nehmen die Betroffenen auch weniger Schlaf und viel Streit mit den Eltern in Kauf, ergab erst vor einigen Monaten eine repräsentative Studie über das Suchtpotenzial sozialer Medien der DAK-Krankenkasse und dem Deutschen Zentrum für Suchtfragen.