Ein Relikt aus erfolgreicher Zeit: Der Aufstieg 2018 brachte Anadolu Marbach mit Spielertrainer Cem Caliskan bundesweit in die Schlagzeilen. Foto: Archiv (avanti)

Der Entschluss, sich vom Spielbetrieb abzumelden, wird kurzfristig im Mannschaftskreis gefasst.

Marbach - Neun Jahre lang war Cem Caliskan Spieltrainer der Fußballer von Anadolu Marbach. Unvergessen seine Freistöße, mit denen er den Ball aus allen möglichen Entfernungen im Torwinkel platzierte. Und auch seine Mannschaft führte er während dieser Zeit durchaus zum Erfolg: Von der Kreisliga C ging es zunächst hinauf in die Kreisliga B, zweimal gelang dann sogar der Aufstieg in die Kreisliga A. Der jüngste Aufstieg 2018 kam sogar bundesweit in die Schlagzeilen, da die Mannschaft das ganze Jahr über gar nicht trainiert hatte.

Nach dem Wiederabstieg vor einem Monat ist aber klar: All das ist Vergangenheit, Anadolu Marbach vorerst Geschichte. Die Mannschaft hatte sich zwar zum Spielbetrieb wieder für die Saison 2019/20 angemeldet, inzwischen hat der Verein sie aber doch zurückgezogen. Die neue B-Liga-Saison wird ohne sie ausgetragen, die meisten Spieler hängen ihre Fußballschuhe gleich auch an den Nagel.

„Das war ein kurzfristiger Entschluss, den wir innerhalb der Mannschaft gemeinsam gefasst haben. Gerade wir älteren Spieler. Dass es so kurzfristig ist, ist schade, da es so kein Abschiedsspiel gibt. Aber die Zeit ist einfach gekommen“, sagt Caliskan. Die Entscheidung sei schwer gefallen, schließlich besteht die Mannschaft aus einem engen Freundeskreis, weshalb sie seit Jahren nahezu unverändert blieb. Mit Mitspieler Kevin Bürkle etwa hatte Caliskan in Murr gemeinsam bei den Bambini angefangen. „Anadolu war für mich wie ein Baby, das man großgezogen hat“, so der Spielertrainer, der sich um nahezu alles kümmerte. „In anderen Vereinen wirst du vertreten, wenn du mal zwei, drei Wochen nicht da bist. Hier habe ich fast alles gemacht. So konnte ich im August auch nie in den Urlaub, weil da schon der Saisonstart war. Das war immer ein Problem.“

Dadurch, dass die Mannschaft nicht mehr trainierte, konnten sich die Spieler auch nicht mehr entwickeln. Und gerade die vergangene Saison mit den teils zweistelligen Niederlagen und dem letzten Tabellenplatz sei „schon arg hart“ gewesen – seiner Mannschaft zollt Caliskan aber Respekt. „Dafür, dass wir es mit Anstand bis zum Ende durchgezogen und immer weitergekämpft haben, ohne dass es Vorkommnisse gegeben hat.“ Das war dem Spielertrainer wichtig. „War ich mal nicht da, gab es doch manchmal Probleme“, erinnert sich Caliskan etwa an die körperliche Auseinandersetzung mit Spielern des TSV Grünbühl vor zwei Jahren.

Der Verein Anadolu besteht vorerst weiterhin. „Ob sich aber einmal jemand finden lässt, der das übernehmen möchte, weiß ich nicht“, so Caliskan, der bereits mit 23 Jahren Spielertrainer wurde und nun auf neun ereignisreiche Jahre zurückblicken kann. Schließlich ging es mit drei Aufstiegen und zwei Abstiegen fast immer um etwas. „Wir sind eigentlich nie im Mittelfeld rumgedümpelt. Es war immer Action.“ Gerade da man mit guten Freunden gespielt habe, sei es auf dem Platz besonders gewesen. „Als wir jetzt entschieden haben, aufzuhören, waren wir uns auch alle einig: Es war eine unvergessliche Zeit.“